SPD befürwortet Anti-Terror-Datei – von Datenschutzbehörden hagelt es Kritik
Artikelstatus: Fertig 14:59, 11. Aug. 2006 (CEST) Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben. |
Berlin (Deutschland), 11.08.2006 – In der Debatte um die Einführung einer bundesweiten Anti-Terror-Datei (Wikinews berichtete), die den Kampf gegen den internationalen Terrorismus erleichtern soll, hat sich nun auch die SPD-Bundestagsfraktion zu Wort gemeldet. Auf Anfrage von Wikinews erklärte der Sprecher Sven Berger, dass die SPD-Fraktion die Pläne des Bundesinnenministeriums unter Wolfgang Schäuble (CDU) grundsätzlich begrüße. „Die SPD-Bundestagsfraktion hält die Schaffung gemeinsamer Dateien der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des Terrorismus für unbedingt erforderlich“, so Berger. Die Bedenken der Linkspartei sowie von Bündnis 90/Die Grünen, dass diese Anti-Terror-Datei die vom Grundgesetz geforderte Trennung von Nachrichtendiensten und Polizei faktisch aushebeln würde, teile er nicht. Das Trennungsgebot beziehe sich lediglich auf die Organisation und sei keineswegs mit der Intention geschaffen worden, auch den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden zu unterbinden. „Diese ist sogar dringend geboten zur wirksamen Bekämpfung des internationalen Terrorismus und zur Abwehr von Terroranschlägen in Deutschland“, begründet Berger seine Position. Zudem sei vorgesehen, über die Anti-Terror-Datei nur Informationen zugänglich zu machen, die bereits nach geltendem Recht von den Behörden erhoben werden. Auch mit dieser Aussage stellt er sich gegen die Kritik der stellvertretenden Franktionschefin der Linkspartei., Petra Pau, die kritisiert hatte, es würden „ungebührlich viele und vielfältige Daten“ in der geplanten Datei gespeichert.
Unterdessen äußerte sich das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) skeptisch zu den Plänen der Bundesregierung. Das ULD fordert eine enge rechtliche Begrenzung: Die Polizei solle im Rahmen der Anti-Terror-Datei nur Zugriff auf solche Informationen erhalten, die sie auch mit Hilfe der ihr zur Verfügung stehenden Überwachungsmöglichkeiten hätte sammeln können und dürfen, so Nils Bergemann gegenüber Wikinews. Zudem müsse bereits ein konkreter Anfangsverdacht einer „erheblichen“ Straftat – beispielsweise die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – vorliegen, um der Polizei Zugriff auf Geheimdienstinformationen zu gewähren. Aus diesem Grund dürfe die geplante Anti-Terror-Datei keine Volltextdatei, sondern lediglich eine „Hinweisdatei“ sein: Wenn eine Polizeibehörde in nachrichtendienstlichen Datenbanken nach Informationen über einen Verdächtigen sucht, dürfe dort allein der Hinweis auftauchen, dass bei dem jeweiligen Geheimdienst ein Datensatz über die gesuchte Person vorliegt. Eine weitere Informationsübermittlung dürfe dann nur „im Einzelfall“ erfolgen und müsse im Vorhinein geprüft werden. „Gemeinsame Informationsbestände von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden darf es nicht geben“, heißt es in einem Informationspapier des ULD. Auch dürften die Nachrichtendienste durch die Anti-Terror-Datei keine indirekten polizeilichen Befugnisse erlangen. Denn durch die ungeprüfte und bedingungslose Übermittlung von Daten an Dienste würde die Kompetenzeingrenzung der Nachrichtendienste umgangen. So müsste den Geheimdiensten der Zugang zu Informationen verwehrt werden, die von der Polizei zum Beispiel im Wege einer Beschlagnahmung erhoben wurden, da dies Zwangsmittel und damit polizeiliche Befugnisse seien. Außerdem fordert das ULD eine strenge Zweckgebundenheit der aus Nachrichtendienstbeständen stammenden Informationen. Diese dürften nur für die Bekämpfung des Terrorismus genutzt werden. Darüber hinaus müsse eine Evaluation der Regelung erfolgen, so die Datenschützer. Aus den genannten Gründen lehnt das ULD die von der Regierung in die Diskussion gebrachte Idee einer „erweiterten Indexdatei“ ab. Auch die Speicherung weiterer Daten wie beispielsweise Kontaktpersonen oder Bankverbindungsinformationen trifft auf die Kritik der Datenschützer. Ob das Prinzip der „verdeckten Speicherung“, also die Verwendung eines bestimmten Suchalgorithmus, die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten gewährleisten kann, bezweifelt das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein.
Die Zustimmung der Koalitionsfraktionen sowie der Innenministerien der Länder zu den Plänen des Innenministeriums gilt als sehr wahrscheinlich. Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern hat auf Anfrage von Wikinews bereits seine grundsätzliche Zustimmung zu der bundesweiten Anti-Terror-Datei signalisiert.
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Quellen
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- Sven Berger von der SPD-Bundestagsfraktion: „Antwort via E-Mail auf Anfrage von Tilman Dralle“ (02.08.2006)
- Nils Bergemann vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein: „Antwort via E-Mail“ (02.08.2006)
- Marion Schlender, Pressesprecherin des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern: „Antwort via E-Mail“ (01.08.2006)
- Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein: „27. Tätigkeitsbericht: Grenzen einer Terroristendatei von Polizei und Verfassungsschutz“ (2005)
- Artikelstatus: Fertig
- Berlin
- 11.08.2006
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