WikiLeaks: Internet-Domain entzogen – Gründer Assange abgetaucht

aus Wikinews, einem freien Wiki für Nachrichten
Veröffentlicht: 21:44, 3. Dez. 2010 (CET)
Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen.
WikiLeaks-Logo
Julian Assange (Archiv: März 2010)

London (Vereinigtes Königreich) / Washington D.C. (Vereinigte Staaten), 03.12.2010 – Der Druck auf die Internetplattform WikiLeaks und ihren Gründer Julian Assange steigt. Am Abend des 2. Dezember entzog der DNS-Betreiber „EveryDNS“ der Enthüllungsplattform die Domain wikileaks.org. Assange, der sich im südöstlichen England aufhalten soll und per Haftbefehl gesucht wird, meldete sich gestern in einem Internet-Chat der britischen Zeitung „Guardian“ zu Wort und sagte, er fühle sich bedroht.

WikiLeaks war durch die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten des US-Außenministeriums (Wikinews berichtete) international in die Schlagzeilen geraten.

EveryDNS begründete den Entzug des WikiLeaks-Domain-Namens wikileaks.org mit fortgesetzten Cyberattacken, so genannte „distributed denial of service“ (DDOS). Dabei handelt es sich um gezielte Seitenaufrufe mit der Absicht die Internetseite so zu überlasten, dass sie den Betrieb einstellen muss. EveryDNS erklärte, die Angriffe gegen wikileaks.org hätten die Systemstabilität ihres DNS-Service beeinträchtigt und so auch die Funktionalität weiterer 500.000 von EveryDNS betreuter Domains gefährdet.

Zurzeit ist WikiLeaks über den Domain-Namen http://wikileaks.ch zu erreichen, eine Schweizer Domain. Außerdem funktioniert weiterhin der Aufruf direkt über die IP-Adresse http://213.251.145.96.

Auch die Verkaufsplattform Amazon, deren Server WikiLeaks angemietet hatte, um ihre Dokumente dort zu speichern, verweigerte am Donnerstag die weitere Zusammenarbeit mit WikiLeaks. Amazon warf WikiLeaks Rechtsbruch vor: „Es ist klar, dass WikiLeaks nicht über die Rechte an den vertraulichen Dokumenten verfügt.“ Der britische „Guardian“ hatte berichtet, US-Senator Joe Lieberman habe zuvor auf Amazon Druck ausgeübt. Unter anderem habe er mit einem Boykott des Internet-Verkaufsportals gedroht.

Die französische Regierung sucht ebenfalls nach Wegen, WikiLeaks den Zugang zu Servern in Frankreich zu verwehren, wohin die Internetplattform gezogen war, nachdem Amazon die von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente von ihren Servern verbannt hatte. Der französische Industrieminister Eric Besson wies seine Ministerialbeamten an, gegen das Hosting von WikiLeaks-Dokumenten in Frankreich vorzugehen: „Ich bitte Sie, mir so bald wie möglich mitzuteilen, welche Handlungsmöglichkeiten wir haben, damit diese Internetseite nicht mehr in Frankreich gehostet wird.“

John Perry Barlow, Gründer der Electronic Frontier Foundation, sprach in diesem Zusammenhang von einem „Informationskrieg“ und bekundete seine Solidarität mit WikiLeaks.

Gegen Assange wurde inzwischen von schwedischen Strafverfolgungsbehörden ein neuer Haftbefehl ausgestellt. Der zuvor ausgestellte Haftbefehl enthielt laut Scotland Yard angeblich Formfehler. Zwei Schwedinnen hatten Assange im August des vergangenen Jahres beschuldigt, sie zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Assange weist die Vorwürfe zurück.

In einem Internet-Chat auf einer Webseite des „Guardian“ sprach Assange gestern von Todesdrohungen gegen ihn und erklärte, die 250.000 US-amerikanischen Depeschen, von denen bisher nur ein Bruchteil tatsächlich online gestellt wurde, würden auch dann noch veröffentlicht werden können, wenn die Internetplattform ihren Betrieb ganz einstellen müsste oder den Mitarbeitern von WikiLeaks etwas zustoßen würde. Die Dokumente seien in verschlüsselter Form an mehr als 100.000 Privatpersonen übermittelt worden. Außerdem hätten verschiedene Medien Zugriff auf die Dokumente. Assange verteidigte sich gegen den Vorwurf, durch die Veröffentlichung der Dokumente des US-Außenministeriums seien Menschenleben in Gefahr gebracht worden. Dafür gebe es keine Belege. Seine eigene Rolle definierte Assange eher als eine Art Herausgeber: „Auch wenn ich noch schreibe, recherchiere und untersuche, ist meine Rolle vor allem die eines Herausgebers und Chefredakteurs, der organisiert und andere Journalisten anleitet.“ Das Interesse an dem Chat beim „Guardian“ war so groß, dass die Server der Zeitung zeitweise so überlastet waren, dass sie keine Kommunikationsanfragen mehr beantworten konnten.

Themenverwandte Artikel

Quellen