Ludwigshafen: Brandstiftung als Ursache für verheerenden Wohnhausbrand unwahrscheinlich

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Veröffentlicht: 23:19, 5. Mär. 2008 (CET)
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Ludwigshafen am Rhein (Deutschland), 05.03.2008 – Die Staatsanwaltschaft Frankenthal gab gestern erste Ermittlungsergebnisse zu den Ursachen der Brandkatastrophe vom 3. Februar 2008 bekannt, bei der neun Menschen gestorben sind und etwa 60 verletzt wurden. Demnach kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit weder ein Anschlag noch ein technischer Defekt als Ursache des Feuers in Frage. Das viergeschossige 100-jährige Backsteinhaus war von türkischstämmigen Familien bewohnt.

Wie Oberstaatsanwalt Lothar Liebig während einer Pressekonferenz in Ludwigshafen bekannt gab, konnte die Brandursache bisher jedoch nur teilweise geklärt werden. Es sei sicher, sagte er, dass der Brand unter den letzten sechs Stufen der Kellertreppe als Schwelbrand entstanden sei. Technische Mängel an dem 100 Jahre alten Haus schließen die Ermittler aus. In dem fraglichen Abschnitt habe es keine Elektroleitungen gegeben. Ein fremdenfeindlicher Anschlag oder eine vorsätzliche Brandlegung sei auch äußerst unwahrscheinlich. Einem Gutachten zufolge sind weder Brandbeschleuniger noch pyrotechnische Rückstände oder Kerzenwachs gefunden worden. Der Brand habe mindestens 15 Minuten bis drei Stunden geschwelt, bevor er durch die zuvor geschlossene Kellertür gelangt und durch Sauerstoffzufuhr angefacht worden sei, erklärte Lothar Liebig. Die Ermittler konnten nicht herausfinden, was am Ausbruchsort des Feuers im Keller gelagert worden war. Anzeichen für Funkenflug wurden jedoch nicht gefunden. Durch die Flammen und die Hitze wurden eventuell vorhandene Spuren vernichtet. Am wahrscheinlichsten sei, dass das Feuer durch fahrlässiges Verhalten entstanden sei, so die Ermittler.

Die Untersuchungen am Brandort werden in Kürze abgeschlossen sein, teilte Kriminaldirektor Eberhard Weber mit. Die Sonderkommission werde reduziert, arbeite aber vorerst weiter. Die türkischen Ermittler unter der Leitung von Mehmet Tüzel, die die deutsche Polizei unterstützt hatten, dankten dieser noch einmal für die Zusammenarbeit und kündigten ihre Abreise an. Er habe „gar keinen Zweifel“ an den bisherigen Ermittlungsergebnissen, könne Brandstiftung aber „nicht gänzlich“ ausschließen, sagte Tüzel, stellvertretender Abteilungsleiter im türkischen Innenministerium. Das vierköpfige Brandspezialisten-Team war auf Wunsch der türkischen Regierung mit Zustimmung der deutschen Behörden zur Beobachtung der Ermittlungen der Sonderkommission, die aus 90 Leuten bestand, angereist.

Nach der Brandkatastrophe hatten zwei acht und neun Jahre alte Mädchen zunächst behauptet, im Hauseingang einen Mann beim Zündeln beobachtet zu haben, dies aber später widerrufen. Oberstaatsanwalt Lothar Liebig erklärte die Aussagen damit, dass die beiden selbst Teil der Katastrophe gewesen seien, für sich eine Erklärung gebraucht und deshalb von einem vermeintlichen Täter berichtet hätten. Dies ist das Ergebnis eines psychologischen Gutachtens, in dem der Psychologe keine Anhaltspunkte für eine „Drittbeeinflussung“ der beiden Mädchen gefunden hatte. Auch dass der Brand im Flur des Hauses ausgebrochen sein könnte, ist durch die Untersuchungen eindeutig auszuschließen.

Das deutsch-türkische Verhältnis war nach der Katastrophe gespannt. Einige türkische Medien hatten offen über einen ausländerfeindlich motivierten Brandanschlag spekuliert. Türkische Zeitungen behaupteten, dass die Feuerwehr zu spät am Unglücksort gewesen sei. Dies konnten die Behörden in Ludwigshafen jedoch widerlegen. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte bei seinem Deutschlandbesuch am 8. Februar 2008 auch Ludwigshafen besucht und die türkischen Bewohner zur Mäßigung aufgerufen. Einen Tag zuvor war auch der türkische Staatsminister Mustafa Sait Yazıcıoğlu am Unglücksort gewesen.

Die Ermittler sind für alle weiteren Hinweise aus der Ludwigshafener Bevölkerung dankbar. „Wenn es noch irgendwo Informationen gibt, die zur Brandaufklärung geeignet sein könnten, ist meine dringende Bitte, diese zur Verfügung zu stellen. Wir appellieren an alle, die vielleicht doch etwas wissen, aber ihr Wissen bisher für sich behalten haben“, sagte Oberstaatsanwalt Lothar Liebig.

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Quellen