Deutscher Bundestag beschließt Haushalt 2010: 80,2 Milliarden Euro Neuverschuldung

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Veröffentlicht: 18:47, 19. Mär. 2010 (CET)
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Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland bis 2005

Berlin (Deutschland), 19.03.2010 – Mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP beschloss der Bundestag nach viertägiger Debatte heute den Bundeshaushalt für das Jahr 2010. Der Haushalt sieht eine Netto-Neuverschuldung von 80,2 Milliarden Euro vor. Das ist die höchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Insgesamt beträgt das Haushaltsvolumen 320 Milliarden Euro.

313 Abgeordnete stimmten in namentlicher Abstimmung für den Haushaltsentwurf, 256 stimmten dagegen. Insgesamt nahmen 569 Abgeordnete an der Abstimmung teil. Gegenstimmen aus dem Regierungslager gab es keine. Auch Stimmenthaltungen gab es nicht. Die schwarz-gelbe Koalition verfügt im Bundestag über 332 Mandate.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rechtfertigte die Höhe der nie dagewesenen Neuverschuldung mit der internationalen Finanzkrise. Ab 2011 werde man mit der Rückführung des Rekorddefizits beginnen. Bis 2016 wolle man die Schulden jeweils um einen Betrag von 10 Milliarden Euro abbauen. Den Etatentwurf für 2011 will Schäuble schon in den nächsten Wochen vorlegen.

Größter Haushaltsposten ist der Etat für Arbeit und Soziales, für den mit 143,2 Milliarden Euro allein 45 Prozent des Gesamthaushalts vorgesehen sind. Die Zuschüsse des Bundes in die gesetzlichen Rentenkassen betragen dabei 80 Milliarden Euro. Das Militär erhält mit 31,1 Milliarden Euro den drittgrößten Ausgabenanteil. Wie begrenzt die Verteilungsspielräume geworden sind, zeigt sich darin, dass der zweitgrößte Haushaltsanteil allein für die Bedienung von Zinszahlungen für alte und neue Schulden vorgesehen sind: 38,9 Milliarden Euro.

Die Opposition lehnte den Haushaltsentwurf ab. Alle Oppositionsparteien stimmten gegen den Haushalt. Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Petra Merkel (SPD), warf der Regierung mangelnden Sparwillen vor. Die Koalition unterlaufe die ab dem kommenden Jahr geltende gesetzliche Begrenzung der Neuverschuldung, indem sie sich jetzt noch einmal kräftig mit Krediten eindecke. Damit verschaffe sich die Koalition ein bequemes Schuldenpolster, um in den kommenden Jahren die benötigten Sparquoten der Schuldenbremse bequemer erreichen zu können.

Gesine Lötzsch von der Linkspartei warf der Bundeskanzlerin vor, sie habe in ihrer Rede am Mittwoch nicht erklärt, wie sie den Haushalt langfristig sanieren wolle. Wörtlich fügte sie hinzu: „In der Börsensprache würde ich das als Leerverkauf bezeichnen.“ Lötzsch rechnete außerdem vor, dass die 80 Milliarden Euro für die Neuverschuldung noch nicht das ganze Bild zeigten. Hinzu gerechnet werden müssten außerdem „27 Milliarden an Kapitalhilfen und dazu fast 17 Milliarden Euro für den Tilgungsfonds“. Damit liege der Schuldenstand des Bundes bei insgesamt 124 Milliarden Euro.

Sven Kindler von den Grünen kritisierte: „Konservative und Wirtschaftsliberale können nicht mit Geld umgehen. Sie haben die bisherige Rekordneuverschuldung von 40 Milliarden Euro, aus der Zeit der deutschen Einheit, verdreifacht.“

Norbert Barthle von der CDU/CSU-Fraktion verteidigte dagegen den Haushaltsentwurf. Die Rekordverschuldung sei durch eine „historische Krisensituation“ notwendig geworden. Insgesamt seien die Argumente der Opposition lediglich „billige Effekthascherei und Polemik“. Im internationalen Vergleich stehe Deutschland mit einer Neuverschuldung von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vergleichsweise gut da: „Frankreich kommt auf eine Defizitquote von acht Prozent, Spanien auf zehn und Großbritannien sogar auf 13 Prozent.“

Den bisherigen Rekord bei der Haushaltsneuverschuldung in Deutschland hält der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), der 1996 eine Neuverschuldung von rund 40 Milliarden Euro durchs Parlament brachte.

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Quellen