Streit um Hoheit über die Spratly-Inseln verschärft sich

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Veröffentlicht: 21:37, 10. Jun. 2011 (CEST)
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Lage der umstrittenen Inselgruppe
Karte der Inseln

Manila (Philippinen) / Peking (Volksrepublik China) / Hanoi (Vietnam), 10.06.2011 – Der diplomatische Streit über die Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer verschärft sich. Peking warnte inzwischen die Philippinen davor, in dem Gebiet Erkundungsbohrungen durchzuführen. In der Region werden große Mengen Erdgas und Erdöl vermutet. Nicht weniger als sechs Staaten machen Ansprüche auf Teile der Inselgruppe geltend: Die Republik China, die Philippinen, Brunei, Malaysia, Vietnam und die Volksrepublik China. Alle Staaten, bis auf die Republik China und Brunei, halten einige der nur wenige Hektare großen Inseln, die zu der Gruppe zählen, besetzt. Die Volksrepublik betrachtet das gesamte Südchinesische Meer als chinesisches Binnenmeer. Aus Verärgerung darüber haben die Philippinen das Meer in „West Philippine Sea“ umbenannt.

In der vergangenen Woche hatte der philippinische Staatspräsident Benigno Aquino III. die Volksrepublik China beschuldigt, einen Zwischenfall provoziert zu haben, bei dem ein chinesisches Schiff auf philippinische Fischer geschossen haben soll. Der chinesische Botschafter auf den Philippinen wies diesen Vorwurf zurück. Liu Jianchao sagte in Manila, man habe die Angaben überprüft und festgestellt, dass es keine Schüsse auf philippinische Fischer gegeben habe. Aquino wirft der Volksrepublik China insgesamt sieben solcher Vorfälle innerhalb der vergangenen vier Monate vor. Aquinos Sprecher Edwin Lacierda erklärte am 9. Juni in Manila, das Land halte an multilateralen Verhandlungen über die Gebietsanspruche fest, doch philippinische „Territorialrechte müssen mit Entschlossenheit durchgesetzt werden“.

Vorwürfe Manilas über chinesische Einschüchterungsversuche beruhten auf „Gerüchten“. „Es ist ziemlich unglücklich, dass diese Frage … mit einem bösen Gerücht aufgeworfen wurde“, reagierte Liu auf Berichte, nach dem unter anderem zwei chinesische Kampfflugzeuge über den Spratly-Inseln sehr nah an einen philippinischen Jet gekommen seien. Einige der Zwischenfälle seien Missverständnisse, bei denen wissenschaftliche Erkundungen als militärische Aktivitäten verstanden worden seien. Er betonte, dass die Volksrepublik China den Streit um den Besitz des Gebietes friedlich lösen wolle. Dies müsse in bilateralen Gesprächen erfolgen, ohne Einmischung der Vereinigten Staaten. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte am 4. Juni Befürchtungen geäußert, dass es zu Gefechten kommen könnte, wenn die Staaten, die sich um die Inseln streiten, keinen Mechanismus zu einer friedlichen Beilegung beschließen würden. In Anbetracht des bestimmten Auftretens der chinesischen Marine wachsen bei den Regierungen in der Region die Zweifel am Willen Pekings zu einer friedlichen Lösung.

Lui sagte, die Volksrepublik werde sich an einen im Jahr 2002 zwischen China und den zehn Mitgliedern der Vereinigung der südostasiatischen Staaten geschlossenen Pakt halten. In dem Vertrag hatten sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, Maßnahmen zu unterlassen, durch welche die Spannungen in dem Gebiet erhöht werden könnten. Der Botschafter erklärte jedoch in einer Pressekonferenz, dass die Volksrepublik China im Recht sei, wenn sie ihre Souveränität in den Spratly-Inseln schütze, auch wenn sie sich zu militärischer Zurückhaltung im Südchinesischen Meer verpflichtet habe. „Wir üben die Jurisdiktion über dieses Gebiet aus, also werden wir alles tun, was angemessen ist, für uns zu tun, um unsere Jurisdiktion auszuüben“, sagte Lui vor der Presse.

Auch zwischen Vietnam und der Volksrepublik China droht der Disput zu eskalieren. Hacker beider Nationen stellten Beleidigungen und nationale Symbole auf Regierungswebsites des jeweils anderen Landes ein. Am Sonntag (5. Juni) hatten sich in Hanoi vor der Botschaft der Volksrepublik China hunderte von Demonstranten gegen das chinesische Vorgehen im Südchinesischen Meer gewandt. In dem kommunistischen, autoritär regierten Vietnam sind solche Demonstrationen sehr selten.

Am Donnerstag (9. Juni) hatte Hanoi offiziell in Peking diplomatisch protestiert, weil ein chinesisches Fischerboot die seismologischen Messkabel eines vietnamesischen Erkundungsschiffes „absichtlich gerammt“ habe. Das vom staatlichen Energiekonzern PetroVietnam gecharterte Schiff operierte innerhalb der 200 Seemeilen umfassenden ausschließlichen Wirtschaftszone Vietnams, behauptet die vietnamesische Regierung.

Die Pressesprecherin des vietnamesischen Außenministeriums bezeichnete den Vorfall als „inakzeptabel für Vietnam“ und teilte mit, dass der chinesischen Botschaft in Hanoi mitgeteilt wurde, man sei mit solchen Akten nicht einverstanden. Nguyễn Phương Nga bezeichnete den Zwischenfall vor der Presse von China als „vorbedacht und sorgfältig geplant“, um ein unumstrittenes Gebiet in den Territorialstreit einzubringen. Nga betonte, dass das Operationsgebiet des vietnamesischen Schiffes vollständig unter der Souveränität Hanois stehe, im Einklang mit der 1982 beschlossenen Seerechtskonvention der Vereinten Nationen. Nga sagt, dass das vietnamesische Forschungsschiff durch den Zwischenfall daran gehindert worden sei, normal zu operieren.

Erst am 26. Mai haben nach Angaben aus Hanoi drei chinesische Küstenwachboote die Erkundungskabel eines anderen vietnamesischen Ölsuchschiffes, der „Binh Minh 2“, beschädigt. Auch dieser Zwischenfall soll sich in der ausschließlichen Wirtschaftszone Vietnams ereignet haben. Die vietnamesische Regierung teilte mit, dass das Forschungsschiff nun von acht Schiffen „eskortiert“ werde, machte hierzu jedoch keine näheren Angaben. Peking hatte anschließend Vietnam aufgefordert, „Abstand vom Schaffen von Probleme zu nehmen“ und gesagt, dass die Operation der vietnamesischen Schiffe „illegal“ sei.

Der vietnamesische Premierminister Nguyễn Tấn Dũng erklärte seine Entschlossenheit, die „unanfechtbare“ Souveränität Vietnams zu schützen. In einem in der Tageszeitung „Thanh Niên“ veröffentlichten Artikel bestätigte er „die unanfechtbare maritime Souveränität hinsichtlich beider Archipele, den Paracel-Inseln und den Spratly-Inseln“, zu deren Verteidigung Volk und Armee „aufs stärkste entschlossen“ seien. In Vietnam haben sich wegen der territorialen Dispute um die vermutlich ölreichen Gewässer in der letzten Zeit antichinesische Ressentiments verstärkt, und die Beziehungen zwischen Peking und Hanoi sind auf dem schlechtesten Stand seit Jahren.

Quellen