Massive Unregelmäßigkeiten bei Präsidentenwahlen in Timor-Leste

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Artikelstatus: Fertig 16:45, 17. Apr. 2007 (CEST)
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Dili (Timor-Leste), 17.04.2007 – Die erste Präsidentenwahl in Timor-Leste seit der Unabhängigkeit von Indonesien wird von massiven Unregelmäßigkeiten überschattet. Zeichnete sich im Land zunächst ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Favoriten Premierminister José Ramos-Horta, Oppositionsführer Fernando de Araújo und dem Kandidaten der dominierenden Partei FRETILIN, Francisco Guterres ab (in dieser Reihenfolge), lag Guterres nach Auszählung der meisten Stimmen plötzlich mit 28,3 Prozent in Führung. Ramos-Horta erreichte 22,5 Prozent und de Araújo 18,6 Prozent. Die Stichwahl würde demnach zwischen Guterres und Ramos-Horta ausgetragen werden.

Bereits kurz nach der Wahl am 8. April forderten Fernando de Araújo und vier weitere Kandidaten die Nationale Wahlkommission und die UN-Vertretung in Osttimor auf, die Auszählung der Stimmen einzustellen und eine erneute, öffentliche Auszählung im Beisein aller acht Kandidaten durchzuführen. Einschüchterungsversuche und Terror hätten die Wahl beeinträchtigt. Mitglieder der Regierung hätten in Wahllokalen die Wähler beeinflusst und die Wahlurnen seien nicht durchgehend überwacht worden. Gravierend sind die Diskrepanzen bei der Zahl der Stimmen und der Zahl der Wähler: Zuerst gab es Meldungen, dass die Wahlbeteiligung bei 90 bis 98 Prozent von 522.933 registrierten Wählern läge, allerdings liegt die Zahl der gültigen Stimmen nur bei 357.766 (68,42 Prozent). Entweder sind also ein Viertel der Wähler nicht zur Wahl gegangen, was den Berichten von Wahlzettelmangel in vielen Lokalen widerspräche, oder es gibt eine hohe Zahl von ungültigen und leeren Wahlzetteln. Deren Anteil lag aber bei Zählungen in der Wahlnacht bei nur ein bis zwei Prozent. Auch der Sprung von Guterres' Stimmanteil von 23 Prozent nach der Auszählung von 70 Prozent der Stimmen auf 29 Prozent innerhalb eines Tages verwundert einige Beobachter. Ramos-Horta erklärte, er würde eine Neuauszählung begrüßen, das jetzige Ergebnis aber ebenfalls akzeptieren.

Am 13. April lehnte die Nationale Wahlkommission die Forderung nach Neuauszählung ab. Ihr Sprecher, Pater Martinho Gusmão, bot aber an, mit den Kandidaten, die Unregelmäßigkeiten sahen, zu sprechen. Beschwerden würden an das Berufungsgericht weitergeleitet. Die UN unterstützte dieses Vorgehen. Ramos-Horta vermutete, dass das schlechte Wetter und die teilweise zu geringe Anzahl von Wahllokalen viele von der Wahl abgehalten habe. Der Chef der EU-Wahlbeobachter, Javier Pomes Ruiz, urteilte, dass die Wahl weitgehend glatt mit einer hohen Wahlbeteiligung verlaufen sei. Deutschland rief als derzeitiger Inhaber der EU-Ratspräsidentschaft alle Parteien auf das Wahlergebnis zu akzeptieren. Wenige Stunden später aber musste die Nationale Wahlkommission bestätigen, dass man 95 ungeöffnete Wahlurnen mit einigen hundert Stimmen gefunden habe, die noch nicht ausgezählt worden seien. 59 davon stammen aus der Landeshauptstadt Dili. Die Kommission würde nun das Gericht anrufen, damit die Urnen zur Auszählung geöffnet werden können.

Am 14. April kritisierte Martinho Gusmão, der wegen des Chaos nun den Spitznamen „der verrückte Mönch“ trägt, Beamte der Wahlbehörde und Wahlhelfer hätten ihre Arbeit bei der Wahl nicht gewissenhaft ausgeführt. Es habe an Stiften gemangelt, Zählzettel seien verändert, gefälschte Stimmzettel verwendet und Abstimmungen mehrfach durchgeführt worden. Ein Distrikt musste die Auszählung unterbrechen, weil der leitende Beamte das Passwort für den Computer vergessen hatte. Nach der dritten Falscheingabe musste ein IT-Experte der UN per Helikopter eingeflogen werden, damit die Auszählung weitergehen konnte. Die Wähler hätten teilweise nicht gewusst, wie sie ihre Stimme abgeben sollten. In einigen Distrikten, auch in Dili, stimmte die Zahl der abgegebenen Stimmen nicht mit der der Wahlzettel überein. Im Distrikt Baucau wären 300.000 Stimmen gezählt worden, obwohl nur 51.000 Wähler registriert waren. Später führte man diese Diskrepanz auf einen technischen Fehler zurück.

Die Wahlkommission muss nun neu über die Situation beraten und der UN-Vertreter Atul Khare wurde ebenfalls über die Missstände informiert. Schlimmstenfalls müsste der Wahlgang in einigen Gebieten wiederholt werden. Weitere Mitglieder der Wahlkommission sagten, in einigen Wahlkreisen seien 30 Prozent der als ungültig erklärten Stimmzettel in Wirklichkeit gültig. Zudem sei das Zählergebnis von 81 Wahlurnen aus drei Distrikten zweifelhaft. De Araújo erklärte, die Unregelmäßigkeiten und „widerwärtige, antidemokratische und manipulative Taten“ würden genügen, um die Wahl ungültig zu machen. Die FRETILIN bezeichnete de Araújo als schlechten Verlierer. Er beschuldigte seinerseits drei Regierungsmitglieder der FRETILIN, an den Unregelmäßigkeiten beteiligt zu sein. So seien im Wagen von Staatsministerin Anna Pessoa Pinto von der Polizei 350 leere Stimmzettel gefunden worden; der Vorfall sei aber vertuscht worden.

Am 16. April kündigte Martinho Gusmão an, dass 42 Wahlurnen nochmals geöffnet werden würden, da die Dokumente dazu unvollständig gewesen seien. Sie stammen aus sieben Distrikten Osttimors inklusive Dilis. Für weitere 26 Wahlurnen seien aufgrund von Unstimmigkeiten gerichtliche Schritte zur Wiederöffnung eingeleitet worden. Gusmão erklärte, dass es Befürchtungen gebe, dass die Dokumente nicht ordentlich ausgefüllt worden seien, wollte aber nicht näher auf die genauen Probleme eingehen und auch nicht die Anzahl der betroffenen Stimmen nennen. Einen Einfluss auf das bisher bekannte Ergebnis würden die Kontrollen aber nicht haben, sagte Gusmão. De Araújo und seine Demokratische Partei haben inzwischen rechtliche Schritte gegen das Ergebnis angekündigt.

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Quellen