Landtag von Baden-Württemberg: Volksentscheid zu Stuttgart 21 abgelehnt, Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf

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Veröffentlicht: 23:00, 28. Okt. 2010 (CEST)
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„Volksvertreter gegen Volksabstimmung“ (taz): Stefan Mappus sowie seine Regierungskoalition aus CDU und FDP haben mit ihrer Stimmenmehrheit im Landtag einen Volksentscheid zum umstrittenen Großprojekt Stuttgart 21 abgelehnt

Stuttgart (Deutschland), 28.10.2010 – Ein Volksentscheid zum umstrittenen Großprojekt Stuttgart 21 wurde jüngst vom baden-württembergischen Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP abgelehnt. Einen entsprechenden Antrag hatte die oppositionelle SPD gestellt, die damit jedoch am Widerstand der schwarz-gelben Parlamentsmehrheit scheiterte. Ministerpräsident Mappus (CDU) behauptete hierbei, eine Volksabstimmung widerspräche der Landesverfassung. Die taz kommentierte dieses Verhalten spöttisch mit den Worten „Volksvertreter gegen Volksabstimmung“.

Währenddessen konstituierte sich der Untersuchungsausschuss, der die Vorgänge am 30. September näher beleuchten soll. Die Polizei hatte an diesem Tag massive Gewalt gegen Demonstranten ausgeübt. Zudem verdichteten sich die Hinweise darauf, dass das Vorgehen von polizeilicher Seite auf Druck der Landesregierung erfolgt sei. Vor allem Mappus und Innenminister Rech stehen in Verdacht, eine entsprechende Anweisung gegeben zu haben. Diese Auffassung teilt der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes: „Die Polizei hat gemacht, was ihr politisch angewiesen wurde.“ Seiner Auffassung nach sei die „harte Linie“ der Regierung schuld an der Eskalation. Der Ausschuss trägt den offiziellen Titel „Aufarbeitung des Polizeieinsatzes am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten.“

Die Landes-CDU befürchtet, dass Besprechungsprotokolle und Aktennotizen von Telefongesprächen an die Öffentlichkeit gelangen. Doch nicht nur das dürfte ihr Probleme bereiten. Ebenso werden ihr die zahlreichen Fotos von verletzten Demonstranten - insbesondere das, das den Teilnehmer Dietrich Wagner (66) mit blutenden Augen zeigt und durch sämtliche Medien ging - Probleme bereiten, zumal sich unter ihnen auch Jugendliche befanden. Man fürchtet intern die „Macht der Bilder“, die ihr im bevorstehenden Landtagswahlkampf empfindlich schaden werden.

Vier Demonstranten, die Ende September vor Ort gewesen waren, klagen derweil vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart. Durch den Einsatz von Wasserwerfern hatten sie sich schwere Verletzungen an den Augen zugezogen, die ihnen möglicherweise dauerhaft das Sehvermögen beeinträchtigen werden, bei einem sogar bei beiden Augen. „Wir vier müssen nun ein Leben lang mit den Folgen dieses unverhältnismäßigen und rechtswidrigen Polizeieinsatzes leben. Die Rechtfertigungen der baden-württembergischen Landesregierung über den Einsatz sind kaum zu ertragen und klingen für uns wie Hohn angesichts des Leids, das wir erfahren haben. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir keinerlei Gewalt angewendet haben und auch keine Gewalt seitens der Demonstranten beobachten konnten“, begründet Alexander Schlager, einer der Kläger, diesen Schritt.

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Quellen