Gaza-Krise: Israel mobilisiert Reservisten

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Veröffentlicht: 18:08, 28. Dez. 2008 (CET)
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Israel und die unter palästinensischer Selbstverwaltung stehenden Gebiete

Gaza-Stadt (Gazastreifen) / Tel Aviv (Israel), 28.12.2008 – Einen Tag nach den schwersten Angriffen Israels auf palästinensisches Gebiet seit dem Beginn des Nahostkonflikts setzte die israelische Luftwaffe heute ihre Angriffe aus der Luft fort. Außerdem beschloss das israelische Kabinett auf seiner Sitzung am heutigen Sonntag die Mobilisierung von 6.500 Reservisten – der größten Mobilisierung seit dem Sechstagekrieg von 1967. Am Gazastreifen zog die israelische Armee mehrere Dutzend gepanzerte Fahrzeuge zusammen. Experten halten es trotzdem für unwahrscheinlich, dass Israel so kurz vor den bevorstehenden Parlamentswahlen eine Bodenoffensive zur Besetzung des Gazastreifens vortragen will. Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, die Dauer der gegenwärtigen Krise könnte möglicherweise Wochen oder sogar Monate dauern.

Ziel der israelischen Militärschläge ist nach den Worten Olmerts die Verbesserung der Sicherheitslage in den südlichen Teilen Israels, die wiederholt unter den Beschuss von Raketen geraten waren, die vom Territorium des unter der Verwaltung der Hamas stehenden Gazastreifens ausgingen. Nach israelischen Armeeangaben wurden allein in der letzten Woche rund 300 Raketen und Mörsergranaten auf Israel abgefeuert, die zehnfache Zahl sei im Jahresverlauf auf israelisches Gebiet niedergegangen.

Bei den Luftangriffen vom Samstag waren nach neueren palästinensischen Angaben mindestens 280 Menschen getötet worden, außerdem wurden bis zu 750 Menschen zum Teil schwer verletzt. Unter den Toten und Verletzten sollen sich auch etwa 180 Angehörige der Polizeimiliz der Hamas befinden. Die israelische Zeitung Haaretz meldet in ihrer Onlineausgabe die Namen von drei hochrangigen Hamas-Funktionären, die bei den Angriffen getötet wurden: Tawfik Jabber, Kommandeur der Hamas-Polizeikräfte in Gaza; sein Adjutant, Ismail al-Ja'abri, Kommandeur der Verteidigungs- und Sicherheitsorgane, und Abu-Ahmad Ashur, der Hamas-Bezirksgouverneur im Zentrumsdistrikt von Gaza. Der gestrige Luftangriff kam sowohl hinsichtlich seines Zeitpunkts als auch seiner Heftigkeit für die Hamas offenbar völlig überraschend. In Medienberichten wird darauf hingewiesen, dass die Öffnung der Grenzen am vergangenen Freitag als auch das erst am Sonntag ablaufende Ultimatum die Hamas in einem trügerischen Sicherheitsgefühl wiegen sollte. Mit einem Angriff am jüdischen Ruhetag Sabbath hatte offenbar niemand gerechnet.

Qassam-Rakete

Bei den Luftangriffen am heutigen Sonntag flogen die israelischen Kampfflugzeuge erneut Angriffe gegen Einrichtungen der regierenden Hamas (eine Fernsehstation, ein Ausbildungszentrum und Regierungsgebäude). Die Angriffe begannen bereits in der Nacht. Wieder gab es viele Tote und Verletzte. Die Hamas antwortete wie schon gestern mit dem erneuten Beschuss von Siedlungen im Süden Israels. Dabei sollen auch zwei Raketen sowjetischer Bauart vom Typ „Grad“ (russ. „Hagel“) abgeschossen worden sein. Diese sollen bis nahe an den Stadtrand der 30 Kilometer nördlich des Gazastreifens gelegenen Hafenstadt Aschdod gelangt sein. Nach israelischen Polizeiangaben sollen am Sonntagmorgen 20 Raketen auf israelischem Boden eingeschlagen sein. Seit dem Beginn der israelischen Offensive sollen mehr als 200 Raketen, überwiegend vom Typ Qassam, auf israelischem Gebiet niedergegangen sein.

Unterdessen forderte der im Exil lebende Hamas-Führer Chalid Maschal eine neue Intifada gegen Israel: „Der Widerstand wird sich mit Selbstmordaktionen fortsetzen.“ Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, distanzierte sich allerdings von der verfeindeten Hamas. Er warf der Hamas vor, den Waffenstillstand mit Israel gebrochen zu haben. Die israelische Offensive hätte seiner Ansicht nach verhindert werden können. Auf einer Pressekonferenz in Kairo erklärte Abbas: „Wir haben ihnen eindringlich nahegelegt, die Waffenruhe mit Israel nicht zu beenden.“ Abbas, der sich zu Krisengesprächen in Kairo und Amman aufhielt, nachdem er bereits am Samstag zu Konsultationen mit dem saudischen König Abdullah in der Nähe von Riad eingetroffen war, gehört der Fatah an, die im Januar 2006 von der Hamas aus dem Gaza-Streifen vertrieben worden ist. Seither übt die Hamas die Herrschaft in diesem Küstenstreifen allein aus, während der Einfluss der PLO (einer Dachorganisation, der auch die Fatah angehört) auf das Westjordanland begrenzt ist.

In New York trat auf Antrag Libyens der UNO-Sicherheitsrat zusammen. Er forderte einen sofortigen Stopp aller Militäraktionen im Gaza-Streifen. Das Gremium konnte sich jedoch nicht auf eine Verurteilung der israelischen Angriffe verständigen. Eine Bodenoffensive ist nach Medienberichten in Vorbereitung.

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Quellen