Deutschland: Bundesweite Schülerproteste für bessere Bildung

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Veröffentlicht: 11:48, 16. Nov. 2008 (CET)
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Berlin / Hannover / Bremen (Deutschland), 16.11.2008 – Unter dem Motto „Bildungsblockaden einreißen“ sind am vergangenen Mittwoch zehntausende Schüler auf die Straße gegangen. Die nach unterschiedlichen Schätzungen 80.000 - 100.000 Streikenden verzichteten auf einige Unterrichtsstunden um für bessere Lernbedingungen zu protestieren. Sie forderten vor allem kleine Klassen, mehr Lehrer sowie die Abschaffung des neuen G-8-Abiturs. Neben den Schülern nahmen auch einige Studenten an den Protesten teil, um gegen Studiengebühren zu protestieren.

Eine der größten Demonstrationen fand in Berlin statt. Gegen 11 Uhr trafen sich die etwa 5.000 - 10.000 Berliner Schüler am Alexanderplatz. Nach einigen Redebeiträgen von den drei Lautsprecherwagen setzte sich der Demonstrationszug gegen 11:30 Uhr in Bewegung. Während sie zur Humboldt-Universität zogen, skandierten die Demonstranten – wie auch schon bei vergangenen Aktionen – Sprüche wie „Wir sind hier! Wir sind laut! Weil ihr uns die Bildung klaut!“ und „Bildung für alle, sonst gibt’s Krawalle!“.

Portal der Humboldt Universität in Berlin (Archivbild)

Bei einem Zwischenstopp vor der Universität, der für Redebeiträge genutzt wurde, besetzten die Demonstranten spontan das Hauptgebäude. Sie stürmten verschiedene Hörsäle, in denen unter anderem eine Veranstaltung von Managern über Hochschulpatente stattfand und warfen Toilettenpapierrollen aus den Fenstern. Einige Chaoten entzündeten Papier, welches von Mitdemonstranten wieder gelöscht wurde, entleerten Feuerlöscher und zerstörten eine Ausstellung im Eingangsbereich über die Novemberpogrome 1938 und jüdische Unternehmer im Nationalsozialismus. Dies geschah vermutlich nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern da die Ausstellung den etwa 1.000 Besetztern der Universität beim Eindringen im Weg war. Es hatte jedoch für große Empörung und Unverständnis gesorgt. Die Schüler-Initiative hatte sich am Donnerstag mit einem Offenen Brief für die Zerstörung entschuldigt und ihre Unterstützung für die Wiederherstellung angekündigt. Obwohl es laut Veranstaltern und Polizei keine Anzeichen für rassistische Motive gibt, bezeichnete Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, unter Berufung auf die Aussage eines Universitätsmitarbeiters, die Zerstörung als Beleidigung für die Jüdische Gemeinde und Volker Kauder (CDU/CSU) legte nach, die Vorfälle zeigten „die undemokratische und intolerante Haltung der extremen Linken, die wir seit 1968 kennen“. Als nach einer halben Stunde ein Großteil das Universitätsgelände bereits verlassen hatte, versuchte die von der Aktion überraschte Polizei das schmiedeeiserne Portal des Geländes zu schließen, um die übrigen Demonstranten einzuschließen. Wegen massiver Proteste gelang es ihnen nicht und sie mussten auch die restlichen Schüler und Studenten passieren lassen.

Ungeachtet dieses Zwischenfalls ging die Demonstration weiter. Die Polizei stoppte den Demonstrationszug jedoch immer wieder, indem sie kurzzeitig die Straße blockierte. Die Schüler hielten sich bei diesen Zwangsunterbrechungen bei Laune, indem sie versuchten die Polizei mit Sprechchören wie „Ohne Helm und ohne Knüppel seid ihr nichts“ oder „Wer nicht hüpft, der ist ein Bulle!“ zu provozieren. Gegen 15 Uhr erreichte der Protest den Ort der Abschlusskundgebung auf der Karl-Liebknecht-Straße. Als nach einigen Redebeiträgen viele Schüler schon auf dem Nachauseweg waren, erklärte die Polizei die Demonstration einseitig für beendet. Die Veranstalter fuhren jedoch mit einem Auftritt der Band „DARM“ fort, welche extra zur Demonstration angereist war. Als nach einem Lied ein Redner sich über die Beendigung aufregte, löste die Polizei die Kundgebung gewaltsam auf: Sie entriss dem Redner bei einer Rangelei das Mikrofon. Die Band spielte jedoch weiter, weshalb zwei Beamte den Schlagzeuger der Band rücklings vom Lautsprecherwagen zerrten. Die restlichen Demonstranten versuchten einzugreifen, wurden jedoch von Bereitschaftspolizisten abgedrängt. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und vereinzelt zu Festnahmen. Die Polizei war nach Auskunft einer Beamtin des Anti-Konflikt-Teams mit vier Hundertschaften im Einsatz.

Landtagssitz im historischen Leineschloss

Auch in Hannover gab es einen Schülerprotest. Am Opernplatz versammelten sich Rund 5.000 Demonstranten und zogen zunächst friedlich durch die Innenstadt. Einige Hundert setzten sich jedoch ab und drangen in die Bannmeile des Niedersächsischen Landtag ein und zerstörten ein Fenster des Gebäudes. Die Polizei ließ sie eine Stunde gewähren, bevor sie die Demonstration auflöste. Es kam zu einigen Festnahmen.

Auch in Bremen gab es eine Demonstration von rund 3.000 Schülern. Sie kritisierten vor allem das neue 12-jährige Abitur. Neben Bremen, Hannover und Berlin beteiligten sich auch Schüler in 34 weiteren deutschen Städten. Diese Proteste verliefen weitestgehend friedlich.

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