Unter dem Motto „Tag des Abgangs“ demonstrieren erneut tausende Ägypter gegen Mubarak

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Veröffentlicht: 23:46, 4. Feb. 2011 (CET)
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Demonstranten auf dem Tahrir-Platz am 29. Januar 2011
Demonstranten auf einem Panzer (Tahrir-Platz am 29. Januar 2011)
Demonstranten auf dem Tahrir-Platz am 25. Januar 2011

Kairo (Ägypten), 04.02.2011 – Auch am 11. Tag der Proteste gegen den ägyptischen Präsidenten Mubarak versammelten sich heute nach dem Freitagsgebet erneut zehntausende Demonstranten auf dem zentralen Platz in Kairo, dem Tahrir-Platz. Die Nachrichtenagentur Reuters bezifferte die Teilnehmerzahl der Demonstration am Abend auf mehr als hunderttausend. Die Demonstration verläuft bislang friedlich. In Sprechchören rufen die Demonstranten Parolen wie „Wir gehen nicht, bevor unsere Forderungen erfüllt sind“ und „Heute ist der letzte Tag“. Auch in Alexandria sind tausende Demonstranten unterwegs, um ihren Protest gegen die Fortsetzung der Präsidentschaft Mubaraks zum Ausdruck zu bringen. Die Demonstrationen stehen unter dem Motto „Tag des Abgangs“.

Die Demonstranten, Muslime und Christen, beteten gemeinsam auf dem Platz. Imam Chaled el Marakbi, der als Vorbeter in Erscheinung trat, erklärte: „Dies ist eine ägyptische Bewegung, alle sind zu Muslimen und Christen geworden, sie sind gekommen, ihre geraubten Rechte einzufordern.“ (Übersetzung laut FAZ.net)

Die Armee hat den Tahrir-Platz umstellt. Rund um den Platz sind Panzer und gepanzerte Militärfahrzeuge aufgefahren. Die Zugänge werden von Soldaten durch Stacheldraht gesichert. Nur an den vorgesehenen Kontrollstellen ist der Zugang zum Platz möglich.

Gestern hatten Schlägertrupps die friedlichen Demonstranten auf dem Tahrirplatz mit Eisenstangen und Steinen angegriffen. Nach Angaben von Reuters waren dabei zehn Menschen getötet worden, über tausend sollen verletzt worden sein. Insgesamt hat die politische Revolte gegen den ägyptischen Präsidenten, bei der sich hunderttausende Demonstranten anfangs der geballten Staatsmacht entgegengestellt hatten, um ihre Demonstrationen durchzuführen, nach UNO-Angaben bisher 300 Tote und tausende Verletzte im ganzen Land gefordert.

Auch in der zweitgrößten ägyptischen Stadt, Alexandria, waren laut Medienberichten hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, um für den sofortigen Rücktritt des Präsidenten zu demonstrieren. Auch zahlreiche Frauen nahmen an der Demonstration teil. Zu nennenswerten Zusammenstößen kam es nicht.

Auf einem Gipfeltreffen der Europäischen Union in Brüssel stand aus aktuellem Anlass die Haltung zu den Ereignissen der letzten Tage in Ägypten ebenfalls auf der Tagesordnung. Am Abend wurde eine Erklärung verabschiedet, die jedoch inhaltlich vage blieb. Eine Rücktrittsforderung an den amtierenden ägyptischen Präsidenten Mubarak stellt die EU nicht, auch auf eine Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen konnten sich die EU-Repräsentanten nicht verständigen. Die Europäische Union stellt nur sehr allgemein die Forderung nach „Reformen“ auf. Den Ländern Nordafrikas, in denen jetzt demokratische Umbrüche stattfinden, wird eine „neue Partnerschaft“ angeboten. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton soll in Kürze nach Kairo entsandt werden, um der Regierung die Botschaft des EU-Gipfels zu übermitteln. Eine mögliche Rücktrittsforderung an die Adresse des amtierenden Präsidenten Mubarak nannte der niederländische Regierungschef Mark Rutte „überflüssig und arrogant“. Der italienische Ministerpräsident äußerte sogar seine ausdrückliche Unterstützung für Mubarak. Wörtlich erklärte Berlusconi: „Ich hoffe, dass es in Ägypten einen Übergang zu einem demokratischeren System ohne Umsturz geben kann, mit einem Präsidenten wie Mubarak.“

Die deutsche Bundesregierung stoppte vorerst ihre Rüstungsexporte in das arabische Land, das zu den traditionellen Bündnispartnern im Rahmen des Nahostkonfliktes gehörte. Das erklärte eine Sprecherin des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums.

Die US-Regierung erarbeitet offenbar zurzeit ein Szenario für einen Übergabe der Macht in Ägypten an Vizepräsident Omar Suleiman. Das berichtete heute die New York Times. Mubarak selbst gibt sich indes entschlossen, im Amt bleiben zu wollen. In einem Interview mit dem US-Sender ABC sagte Mubarak: „Wenn ich heute zurücktrete, wird Chaos ausbrechen.“ Von dem erst am 29. Januar von Mubarak ernannten Vizepräsidenten verlautete inzwischen, er sei zu Gesprächen mit der Opposition einschließlich der (in Ägypten verbotenen) Muslimbruderschaft bereit. Einen Rücktritt Mubaraks schloss er jedoch aus. Die Muslimbruderschaft erklärte, sie strebe keine Regierungsbeteiligung an. Das gelte auch für mögliche Ministerposten in einer Übergangsregierung.

Presse- und Agenturmeldungen nennen den Namen Omar Suleiman immer häufiger als möglichen Nachfolger des amtierenden Präsidenten Husni Mubarak. Wahrscheinlich ist eine solche Rolle aber nur für die Zeit des Übergangs nach dem Abtritt Mubaraks. Der 76-jährige Suleiman war seit zwanzig Jahren einer der engsten Vertrauten des Präsidenten. Er hatte seit 1993 die Funktion des Leiters des mächtigen staatlichen Geheimdienstes Mukhabarat inne. Suleiman besitzt auch die Unterstützung der USA und Israels, schätzen politische Beobachter ein. Als Geheimdienstchef hat er wesentlichen Anteil daran, dass die islamistischen Kräfte, die die Hamas in den Palästinensischen Autonomiegebieten unterstützen, unter Kontrolle gehalten wurden. Suleiman wird schon seit einigen Jahren als möglicher Nachfolger Mubaraks gehandelt. Mehrfach vermittelte Suleiman zwischen den rivalisierenden Palästinensergruppen und spielte bei den Verhandlungen im Nahostkonflikt eine wichtige Rolle.

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Quellen