Oettinger nimmt Kernaussagen seiner Gedenkrede für Filbinger zurück

aus Wikinews, einem freien Wiki für Nachrichten
Artikelstatus: Fertig 22:59, 16. Apr. 2007 (CEST)
Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben.

Berlin (Deutschland), 16.04.2007 – Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) rückte heute von zentralen Aussagen seiner Gedenkrede wieder ab, die er anlässlich des Todes des ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger am 11. April gehalten hatte. Insbesondere distanzierte er sich von seiner Behauptung, die den stärksten Widerspruch hervorgerufen hatte, Filbinger sei ein „Gegner des Nationalsozialismus“ gewesen. Oettinger äußerte sich am Rande einer CDU-Präsidiumssitzung, die heute in Berlin stattfand. Er hatte eine geplante Reise nach Rom aus Anlass der Geburtstagsfeier des Papstes abgesagt, um an der Präsidiumssitzung seiner Partei teilnehmen zu können.

Eine am Sonntag geäußerte Entschuldigung Oettingers hatte die Kritik an den Oettinger-Äußerungen zunächst nicht verstummen lassen. Oettinger hatte in einem Interview mit dem Südwestrundfunk gesagt: „Es war nie meine Absicht, die Verfolgten und Opfer verletzen. Sollte das geschehen sein, tut es mir leid. Und dafür entschuldige ich mich auch.“ Noch am 12. April hatte Oettinger gegenüber einem Mannheimer Privatsender eine Entschuldigung abgelehnt: „Ich habe aber jetzt nicht die Absicht, einen Tag nach der Trauerfeier diese Kampagne von Rot und Grün aufzugreifen, sondern die Würde des Toten zu wahren.“

In der Präsidiumssitzung wiederholte er sein Statement, das einen Rückzug von seinen vorher vertretenen Positionen darstellt. Von Sitzungsteilnehmern hieß es später, Oettingers Stellungnahme vor dem Präsidium „sei die Erwartungshaltung der Teilnehmer gewesen“. Andernfalls hätte „ihm sicher Wind ins Gesicht geblasen“. Die Parteivorsitzende Angela Merkel drückte ihre Zufriedenheit über den Rückzug ihres Parteifreundes aus. Dieser habe einen „wichtigen, notwendigen Schritt“ getan. Bereits am Karfreitag (Wikinews berichtete) hatte Merkel deutliche Worte zu den Einlassungen Oettingers bei der Trauerrede gefunden. Beobachter werteten den Ausgang der Ereignisse der letzten Tage um die Trauerrede Oettingers als einen innerparteilichen Erfolg für die Parteivorsitzende, die einen amtierenden Ministerpräsidenten ihrer eigenen Partei noch nie so deutlich in die Schranken gewiesen hatte. Andere CDU-Ministerpräsidenten, die heute ebenfalls zur Präsidiumssitzung ihrer Partei angereist waren, äußerten sich nur vage oder gar nicht zu dem Vorgang, wie der „Spiegel“ beobachtete.

Die Entschuldigung Oettingers nahm der Zentralrat der Juden in Deutschland als positives Zeichen auf, erneuerte jedoch seine Kritik. Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, sagte: „Die Entschuldigung ist natürlich nur ein erster Schritt“ und fügte hinzu, durch die Äußerungen Oettingers sei ein solcher Flurschaden entstanden, dass es mit einer einfachen Entschuldigung nicht getan sei. Die „Vereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz“ kündigte unterdessen eine Strafanzeige gegen Oettinger an. Aus einem Vorabdruck der Anzeige zitiert das Handelsblatt heute: „Für die wenigen Überlebenden der Wehrmachtsjustiz sowie die über 20.000 Hingerichteten und ihre Angehörigen ist diese [Oettingers] Äußerung eine schamlose Verhöhnung.“

Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, schloss sich heute der Kritik an Oettinger an: „Ich halte seine Äußerungen für historisch nicht gedeckt und mache mir die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu eigen: Entscheidend sind Demut gegenüber den Opfern und Respekt vor den Hinterbliebenen.“

Themenverwandte Artikel

Quellen