Krisenmanagement: Großbritannien will Mehrwertsteuer senken

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Veröffentlicht: 15:31, 25. Nov. 2008 (CET)
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Alistair Darling, britischer Finanzminister

London (Vereinigtes Königreich), 25.11.2008 – Die britische Regierung will die Mehrwertsteuer zur Bekämpfung der Folgen der Finanzkrise von 17,5 auf 15 Prozent absenken. Der neue Steuersatz soll bereits ab dem 1. Dezember gelten und ist bis Ende 2009 befristet. Wie Finanzminister Alistair Darling im britischen Unterhaus mitteilte, sollen durch die Steuersenkung finanzielle Anreize zur Belebung der Wirtschaft in Höhe von 20 Milliarden Pfund Sterling geschaffen werden. Ziel der Maßnahme ist eine Belebung der Wirtschaftskonjunktur in Großbritannien. Dafür nimmt die Regierung einen Anstieg der Staatsverschuldung auf 118 Milliarden Pfund bis zum Haushaltsjahr 2009/2010 in Kauf. Zur Gegenfinanzierung ist eine Anhebung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer auf 45 Prozent geplant. Die britische Regierung erwartet für 2009 eine Schrumpfung der Wirtschaft zwischen 0,75 und 1,25 Prozent.

Bei einem Treffen in Paris grenzten sich Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern von dem Vorgehen der britischen Regierung ab. Angesichts ohnehin fallender Preise angesichts der schwindenden Nachfrage mache eine solche Steuersenkung keinen Sinn, sagte Sarkozy. Auf diese Weise verschenke man sich finanzielle Spielräume, die man anderweitig noch brauchen könne. Die deutsche und französische Regierung berieten unter anderem über eine Unterstützung der europäischen Autoindustrie. Sarkozy: „Wir werden unsere Autoindustrie nicht im Stich lassen.“ Bundeskanzlerin Merkel unterstützte ihren französischen Gastgeber, eine „generelle Senkung der Mehrwertsteuer“ sei „vielleicht für manche Länder eine Antwort“, „aber für Deutschland und Frankreich eigentlich nicht“.

Für die deutsche Bundesregierung hatte Regierungssprecher Thomas Steg am Vormittag bei der wöchentlichen Bundespressekonferenz bereits klar gestellt: „Für die Bundesregierung kann ich definitiv ausschließen, dass es eine Senkung der Mehrwertsteuer geben wird.“ Damit bezog er sich auch auf Forderungen, die von der bayerischen Schwesterpartei der CDU erneut erhoben wurden. Gegenüber Spiegel-Online forderte CSU-Arbeitsmarktexperte Stefan Müller erneut „die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale“. Die von der CDU diskutierten „Eckpunkte für Steuersenkungen“, die in der nächsten Woche in Stuttgart verabschiedet werden sollen, bezeichnete Müller als „nicht glaubwürdig“. Steuerliche Anreize müssten sofort umgesetzt werden, auch eine Senkung der Mehrwertsteuer hält Müller für „denkbar“. Die CSU grenzt sich offen von der Steuerpolitik ihrer Schwesterpartei CDU ab. In den Worten des bayerischen Umwelt- und Gesundheitsministers Markus Söder klingt das so: Die CSU habe „als einzige Partei ein durchgerechnetes Konzept“. Und der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber erteilt der CDU-Bundesvorsitzenden Ratschläge zu einer strategischen Neuorientierung der Steuerpolitik: „Ich glaube schon, dass es in der CDU jemand bräuchte, der mit strategischem Weitblick die Steuerpolitik betreibt als ein Hauptelement einer modernen Wirtschafts- und auch Gesellschaftspolitik.“ Der Kanzlerin empfiehlt er, „die Steuerpolitik mehr in den Mittelpunkt zu rücken“. Unterstützung erhält die CDU-Vorsitzende vom CDU-Haushaltsexperten Steffen Kampeter, der eine Senkung der Mehrwertsteuer zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls ablehnt: „Sollen wir uns allen Ernstes dem verzweifelten Aktionismus des britischen Premiers Gordon Brown anschließen, der um seine Wiederwahl kämpft?“

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Quellen