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Kachelmann - ein Medienprozess geht in die Endrunde

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Veröffentlicht: 18:50, 1. Mai 2011 (CEST)
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Mannheim (Deutschland), 01.05.2011 – Hat er oder hat er nicht? - Hat der Moderator und „Wetterfrosch“ Jörg Kachelmann im Februar letzten Jahres eine seiner zahlreichen Partnerinnen, eine 15 Jahre jüngere Radiomoderatorin aus Schwetzingen, vergewaltigt oder nicht? Diese Frage beschäftigt die 5. Große Strafkammer des Landgerichts in Mannheim schon seit dem vergangenen Juli und nun soll das Ende zumindest in greifbare Nähe rücken. Am Montag wird der Prozess des Jahres nach einer vierwöchigen Pause fortgesetzt, die von Kachelmann dazu genutzt wurde, seine Kinder in Kanada zu besuchen, womit er nach Angaben seiner Verteidigung einem Verfall seines Besuchsrechts vorbeugte.

Landgericht Mannheim

Der Kachelmannprozess leidet wie die meisten Vergewaltigungsprozesse am Fehlen unumstößlicher Beweise, nicht jedoch am Fehlen unumstößlicher Überzeugungen über Schuld oder Unschuld des prominenten Angeklagten. Das betrifft vor allem die Front jener, die Kachelmann für unschuldig halten. Dies sind auf der einen Seite hochrenommierte Nachrichtenmagazine und auf der anderen Seite Leute, die sich medial im Internet organisieren, in der Blog- und facebook-Sphäre, Letztere dominieren auch das Publikum der, mit Einschränkungen, öffentlichen Mannheimer Gerichtsverhandlung.
Bei den renommierten Medien handelt es sich um den SPIEGEL und die ZEIT, genauer um jeweils deren Gerichtsreporterinnen. Sowohl Gisela Friedrichsen (Der Spiegel) als Sabine Rückert (Die Zeit) lassen in ihren Veröffentlichungen keine Zweifel daran, dass sie Kachelmann für unschuldig halten, und beide taten dies schon recht früh.

Wenn man eines sicher sagen kann, dann dass es sich beim Kachelmannprozess um einen „Medienprozess“ handelt. Dass von der veröffentlichten Meinung ein merklicher Druck ausgeht, daran lassen auch Beobachtungen vor Ort keinen Zweifel. Hier tut sich ein genereller Zwiespalt auf: Auf der einen Seite die Unabhängigkeit des Gerichts, das nur dem verpflichtet ist, was es als Recht erkennt. Auf der anderen Seite steht das Prinzip der Öffentlichkeit, das von der Justiz selbst als hohes Gut gehandelt wird. Deswegen gibt es ehrenamtliche Richter (früher Schöffen genannt) und deswegen gilt der Grundsatz, dass Gerichtsverhandlungen öffentlich sind. Was hierbei im Einzelfall der Wahrheitsfindung dienlich oder abträglich ist, ist schwer zu sagen.

Im Fall Kachelmann gibt es jedoch Stimmen, die der Meinung sind, dass die genannten Journalistinnen von ZEIT und Spiegel den Pfad journalistischer Tätigkeit verlassen haben und stattdessen zu medialen Verteidigern geworden sind, wobei im Fall Rückerts auch bekannt ist, dass sie die Ablösung des bisherigen Hauptverteidigers Birkenstock durch Johann Schwenn organisiert hat. Ohne Zweifel folgen beide ihrer Überzeugung, wenn sie Kachelmann für mehr als nur unschuldig halten. Aber haben sie damit auch „Recht“?

Bei beiden handelt es sich um langjährige, erfahrene Gerichtsreporterinnen mit mehr oder weniger hohen Verdiensten. Beide sind auch generell kritisch gegenüber der Justiz, die zu beobachten ihr Beruf ist. Zweifellos gibt es viele Missstände – auch(!) in der deutschen Justiz, gegen die sich besonders Frau Friedrichsen zu engagieren scheint. Was Sabine Rückert betrifft, so ist sie nicht nur eine sehr begabte Autorin, sondern sie hat auch als ZEIT-Reporterin Fehlurteile spektakulär aufgedeckt und gleichzeitig darüber umfangreich berichtet und publiziert. Bereits hier war sie nicht nur Berichterstatterin, sondern hat ein Wiederaufnahmeverfahren aktiv und engagiert betrieben, was ihr ohne die gleichzeitige Agitation auf journalistischer Ebene wahrscheinlich nicht gelungen wäre. Da scheint es nahezuliegen, dass sie auch im Fall Kachelmann richtig liegt.

Ein Freispruch scheint wahrscheinlich

Auch der Prozessverlauf, soweit man ihn mitbekommt, scheint nahezulegen, dass Kachelmann unschuldig ist. Schienen die Aussagen der Gutachter, die auf kreativen Experimenten mit „tatgleichen“ Küchenmessern und der Herbeiführung von Blutergüssen beruhen, am Anfang des Verfahrens noch eher die Möglichkeit zu beinhalten, dass eine Vergewaltigung stattgefunden hat, so ist nun der Tenor, dass die Tat, wie sie das mutmaßliche Opfer schildert, „so nicht stattgefunden haben kann“. Was die DNA-Spuren betrifft, so darf bezweifelt werden, ob sie Jörg Kachelmann wirklich so eindeutig entlasten, wie die Kachelmannfürsprecher es darstellen. Sicher ist nur, dass die Spurenlage hier im wahrsten Sinne des Wortes dünn ist.

Sicher ist auch, dass das mutmaßliche Opfer in mehr als nur einem Punkt gelogen hat. Auch wenn dies laut Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge nicht das vielzitierte „Kerngeschehen“ betrifft, so erschüttert dies ihre Glaubwürdigkeit doch beträchtlich. Mindestens genau so problematisch ist das mangelnde Erinnerungsvermögen der Schwetzinger Radiomoderatorin bezüglich des Kerngeschehens. Zwar sind traumatisch bedingte Erinnerungsverluste möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.

Aber auch Kachelmann hat scheinbar nicht nur die Wahrheit zu Protokoll gegeben. Nur liest man über seine Widersprüche in den bundesdeutschen Medien weniger. Besonders der Blick in Schweizer Medien (wo Kachelmann übrigens nicht ganz so populär ist wie in Deutschland) nährt die Zweifel, ob seine Einlassungen insgesamt glaubwürdiger sind als die seiner Kontrahentin. Man könnte hier sogar den Verdacht bekommen, dass die Schweiz für Unterlassungsklagen von Kachelmanns Medienanwälten nicht ganz so gut erreichbar ist wie das Bundesgebiet.

Im Prozess selbst schweigt Kachelmann seit Beginn. Als Angeklagter ist dies sein gutes Recht und Juristen betonen, dass dies nicht gegen ihn verwendet werden darf. Für einen hocheloquenten Moderator wie ihn ist dies dennoch befremdlich.

Prozessbeobachter meinen bereits erkannt zu haben, dass die Signale im Medienprozess des Jahres auf Freispruch stehen. Ist – oder vielmehr wäre – damit Kachelmanns Unschuld bewiesen, er selbst rehabilitiert? Käme es zu einem Schuldspruch, wäre dies eine größere Sensation als der Freispruch. Dann müsste man gespannt auf die Urteilsbegründung lauschen, die fünf Jahre Haft oder mehr rechtfertigen muss. Auch wenn viele Kachelmannbefürworter bisher die Mannheimer Richter als unzurechnungsfähig darstellen wollten, das Gericht spricht das Urteil und nicht die Presse oder gar ein wütender facebook-Mob, für den die Unschuld Kachelmanns in Stein gemeißelt scheint.

Häufig so zu sehen gewesen: Schild neben dem grossen Saal im Mannheimer Landgericht

Der Mannheimer Strafkammer darf man schon deswegen zubilligen, dass sie einen besseren Überblick hat, weil sie mehr weiß als die Öffentlichkeit, denn zum Leidwesen sowohl der Presse als auch der sonstigen Prozessbesucher fanden große und entscheidende Teile der Verhandlung, mit Bezug auf den Schutz der Intimsphäre der Beteiligten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dies betraf nicht nur Kachelmann und das mutmaßliche Opfer, sondern – durchaus umstritten – auch die Schar der Lausemädchen wie Kachelmanns nunmehr (bis auf eine Ausnahme) Verflossene genannt werden.
Mindestens ein Dutzend Lausemädchen gibt es offenbar - mit ein Grund, warum selbst den Prozess dauerhaft verfolgende Journalisten den Fall Kachelmann in seiner Komplexizität nicht mehr ganz durchschauen. Viele dieser Beziehungen hatte Kachelmann bekanntlich gleichzeitig am Laufen, ohne dass eine von ihnen die Vielfalt im Beziehungsleben ihres Gefährten in vollem Umfang geahnt hätte. Der Großteil von ihnen hat mittlerweile schon mindestens einmal im Mannheimer Zeugenstand Platz genommen. Was sagen uns die Lausemädchen im Mannheimer Prozess? Soweit man weiß, haben manche von ihnen Kachelmann in ihrer Aussage überzeugend gestützt, er sei zu keiner Gewalttat fähig, hieß es von ihnen. Andere sollen aber auch Gegenteiliges ausgesagt haben. Als wesentliche Protagonistinnen stehen sie im Fokus der selbsternannten, medialen Kachelmannverteidiger, die übrigens überwiegend weiblich sind.

Soweit die Ex-Geliebten Kachelmann belasten, werden sie in einschlägigen Blogs oder anderen Internet-Plattformen auf dubiose Art diskreditiert, noch mehr gilt dies für das mutmaßliche Opfer selbst: Sie wären ja (alle) überhaupt nie richtige Partnerinnen Kachelmanns gewesen, dumm, naiv und unselbständig wären sie, dass sie nie die „Eine“ in seinem Leben werden würden, hätten sie doch erkennen müssen, ja „Sexgespielinnen“ wären sie doch nur gewesen. Abgesehen davon, dass Kachelmann nach einschlägigen Medienberichten mehr als nur einer seiner Gespielinnen äußerst konkrete Planungen für ein gemeinsames Leben vorgehalten hat, bleibt dem vernunftbegabten Leser nur die Frage, was dies denn nun beweisen soll? Bedenklich ist hier nur, dass auch die renommierte Reporterin Sabine Rückert von der ZEIT auffallend ähnlich „argumentiert“.

Dass ein Großteil der Ex-Gefährtinnen Kachelmann keineswegs nüchtern und unvoreingenommen gegenübersteht, darf bei ihren Aussagen nicht außer Acht gelassen werden. Zu sehr waren viele ihm offenbar hörig, ihrer aus Enttäuschung erwachsenen Antipathie haben sie gemeinschaftlich und unter freizügiger Schilderung intimer Details, bereits in der Frauenzeitschrift „Bunte“ freien Lauf gelassen. Was hier an konkret verwertbaren Aussagen zu finden ist, muss letztlich wieder das Gericht entscheiden.

Eine schon länger bekannte Aussage einer Ex-Geliebten könnte allerdings das Potential einer erheblichen Belastung Kachelmanns bergen. Nach schon lange bekannten Schilderungen unter anderem des Kölner Stadtanzeigers, geht es um den Vorwurf einer konkreten und erheblichen körperlichen Misshandlung die Kachelmann vor etwa 10 Jahren begangen haben soll. Einem von Staatsanwalt Oltrogge als Anklagevertreter kürzlich öffentlich angekündigten Verfahren gegen Kachelmann liegt offenbar dieser Tatvorwurf zugrunde. Ein Medienecho fand diese Ankündigung bisher kaum. Das Verfahren wurde nach Aussagen Oltrogges aus prozessrechtlichen Gründen im Hinblick auf die noch laufende Hauptverhandlung zurückgestellt.
Damit könnte Kachelmann entgegen mancher Befürchtungen nicht nur die Medien, sondern auch die Justiz noch etwas länger beschäftigen als bisher angenommen.

Der Kachelmannprozess wird am Montag planmäßig fortgesetzt. Auf der Tagesordnung steht für diese Woche wieder einmal die Befragung von zwei Gutachtern.


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Quellen

Originäre Berichterstattung
Dieser Artikel enthält Journalismus aus erster Hand. Details befinden sich auf der Diskussionsseite.

Dieser Artikel beruht nebst zahllosen, online verfügbaren Quellen auch auf durchgehender persönlicher Prozessbeobachtung seit Febr. 2011

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