Islamabad: Demonstranten durchbrechen die Barrikaden

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Veröffentlicht: 21.08.2014, 14:14 (CEST)
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Islamabad (Pakistan), 21.08.2014 – Am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) haben die in Islamabad versammelten Demonstranten die von Sicherheitskräften errichteten Barrikaden um das Regierungs- und Diplomatenviertel durchbrochen. Mit Hilfe von Drahtscheren durchschnitten sie den Stacheldraht, und Kräne räumten die aufgetürmten Container aus dem Weg.

Die Demonstranten haben sich zu einem Sitzstreik auf der zentralen Straße durch das „Red Zone“ genannte Viertel niedergelassen und wollen so die Arbeit der Regierung lähmen. Die Organisatoren der Proteste, Tahir ul-Qadri und Imran Khan, hatten ihre Anhänger dazu aufgerufen, weder das Parlamentsgebäude noch die diplomatischen Vertretungen zu betreten, obwohl Khan meinte, seine Anhänger seien keine Terroristen, denen man den Zutritt in die Red Zone oder Regierungsgebäude verwehren müsse. In Anspielung auf die Proteste in Ägypten sagte Khan, er wolle den Platz vor dem Parlament in einen Tahrir-Platz verwandeln. Ul-Qadri sagte in Anspielung auf die grüne Farbe des Islams, seine Anhänger sollten die Red Zone in eine „Green Zone“ verwandeln.

Khan nannte die Proteste verfassungsgemäß, und ul-Qadri ließ sich von seinen Anhängern durch Akklamation seinen Plan, ein Gegenparlament aufzustellen, bestätigen. Imran Khan hatte am Montag bereits erklärt, dass die 34 Abgeordneten seiner Partei, der PTI, ihre Sitze im Parlament niederlegen würden und die Abgeordneten in den Regionalparlamenten mit Ausnahme von der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, die von der PTI regiert wird, dies ebenso tun würden. Von Regierungsseite hieß es dazu am Dienstag, dass man die Rücktritte noch nicht erhalten habe. Die Abgeordneten des Parlaments der Region Punjab traten jedoch am Mittwoch zurück.

Die Sicherheit der Red Zone wurde der 111. Brigade der Armee übertragen. Die Brigade wird regelmäßig für die Sicherheit in der Hauptstadt eingesetzt, ist aber auch für verschiedene Militärputsche verantwortlich. Der pakistanische Innenminster versuchte dabei aber deutlich zu machen, dass die Truppen die Protestierer im Auftrag der Regierung stoppen sollen und keineswegs mit diesen verbündet seien. Es sollen sich 700 Sicherheitskräfte direkt im Regierungsviertel befinden, während die Zahl der insgesamt aufgebotenen Ordnungskräfte mittlerweile auf 40.000 verdoppelt worden war. Dem steht eine Zahl von geschätzt 35.000 Demonstranten gegenüber.


Maryam Nawaz, die Tochter von Premierminister Nawaz Sharifund eine wichtige Person in der Regierungspartei, der Pakistan Muslim League, bestätigte, dass ihr Vater die Truppen angewiesen habe, keine Gewalt gegen die Demonstranten einzusetzen, die ihren Marsch in das Viertel auch ungehindert durchführten. Dabei war auffällig, so berichtet die BBC, dass Khan Frauen und Kinder an die Spitze seiner Marschkolone setzte, während er selbst auf einem speziell hergerichteten Container in die Red Zone gelangte.

Premierminister Sharif hatte zunächst versucht, die Proteste grundsätzlich zu verhindern. Da dies aber als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt werden könnte, heißt es dazu in den Medien, habe er die nun seit fast einer Woche andauernden Demonstrationen nach Anrufung der Gerichte dann doch akzeptiert. Mit dem Einmarsch in die Red Zone sehen Beobachter allerdings den Handlungsspielraum der Regierung zur Lösung des Konfliktes schwinden, und es wird gefragt, ob Sharif nicht zu lange gewartet habe und nun nicht die Armee einschreiten werde. Der pakistanische Armeechef ließ dazu nur erklären, dass nun „Geduld, Weisheit und Klugheit“ aller beteiligten Parteien erforderlich seien, um den Konflikt im Interesse der Nation zu lösen. Der Premierminister hat sich auch im Laufe des Mittwoch überhaupt erst zu Gesprächen mit Khan bereit erklärt. Zwar hieß es in Gerüchten zwischenzeitlich, dass der Rücktritt von Sharif nicht mehr Gegenstand der Forderungen sei, aber Khan hat nach dem Einmarsch in die Red Zone bereits angekündigt, seine Anhänger auch zum Amtssitz des Premierministers zu führen, wenn dieser nicht bis Mittwochabend (Ortszeit) seinen Rücktritt erkläre. Die PTI hatte diesbezüglich am Mittwochnachmittag ihre Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber ihr Vizepräsident Shah Mehmood Quereshi erklärte knapp zwei Stunden später doch wieder, dass dies nicht der Fall sei, und bekräftigte die Forderung nach einem Rücktritt Sharifs als oberste Forderung seiner Partei.

Im Verlauf des späten Mittwochabends (Ortszeit) kam es dann aber trotzdem zu Gesprächen zwischen Regierungsvertretern und den Vertetern der PTI, der Partei Imran Khans. Dazu hieß es von Seiten der PTI, dass man dabei lediglich den folgenden sechs Punkte umfassenden Forderungskatalog vorgelegt habe:

1. Rücktritt des Premierministers sowie des Chief Ministers von Punjab
2. eine Buchprüfung aller Regierungsausgaben der letzten 14 Monate
3. Strafverfolgung der für die Wahlfälschungen von 2013 Verantwortlichen
4. eine Wahlreform vor Neuwahlen
5. Neuwahl aller regionalen Parlamente
6. Einrichtung einer neutralen Übergangsregierung bis zu Neuwahlen.

Khan bezeichnete diese Forderungen in einer Rede als unverrückbar und bekräftigte sein Vorhaben, die Red Zone nicht zu verlassen, bevor der Premierminister zurückgetreten sei. Er stellte dies als wichtig für die Zukunft des Landes dar, da die augenblicklichen Machthaber das Land „versklaven“ würden. Am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) berichteten die Unterhändler der PTI, dass die Regierungsvertreter sich die Forderungen und ihre Begründungen angehört hätten und sie am Donnerstag mit ihren Antworten erneut zusammenkommen wollten.

Gebäude des Supreme Court
in Islamabad

Lokale Medien berichten, dass der Premierminister am Donnerstag vor dem Parlament auftreten wolle. Imran Khan und der zweite Protestführer, Tahir ul-Qadir, wurden währenddessen für den gleichen Tag vor das höchste Gericht, den Supreme Court, geladen, um ihre Proteste zu erklären.


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