General-Motors-Insolvenz soll Weg frei machen für ein „neues GM“

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Veröffentlicht: 22:50, 1. Jun. 2009 (CEST)
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GM-Logo auf einem durchgerosteten GM-Truck

New York / Detroit (Vereinigte Staaten), 01.06.2009 – Das einstige Flaggschiff der US-Automobilindustrie, General Motors (GM), stellte heute vor einem Gericht in Manhattan einen Insolvenzantrag. Der Schritt erfolgte nach einem 60-Tage-Ultimatum des neu gewählten US-Präsidenten Barack Obama im März des Jahres, während dessen GM einen Restrukturierungsplan für das angeschlagene Unternehmen vorlegen oder in die Insolvenz gehen sollte. Der damalige GM-Chef Wagoner war von Obama mehr oder weniger zum Rücktritt gezwungen worden. Mit dem geordneten Insolvenzverfahren nach Paragraph 363 des US-Insolvenzrechts will sich der Autobauer neu aufstellen und die unprofitablen Teile des Konzerns mitsamt der milliardenschweren Schuldenlast abstoßen.

Dieser Schritt war nur möglich geworden durch staatliche Finanzhilfen seitens der US-Regierung in Höhe von weiteren 30 Milliarden US-Dollar. Bereits vorher waren von der US-Regierung Finanzhilfen in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar bereitgestellt worden. Auch die kanadische Regierung ist mit einem Anteil von 12,5 Prozent an der Abwicklung der GM-Schulden beteiligt. Weiterer Verhandlungspartner waren GM-Gläubiger sowie die mächtige Automobilarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW), die einem neuen Tarifvertrag zustimmen musste, der einen Abbau von Sozialleistungen für die Beschäftigten und ehemaligen GM-Mitarbeiter vorsieht.

Das Engagement der US-Regierung, die Steuergelder in bisher nicht gekannter Höhe für die Rettung des Automobilherstellers zur Verfügung stellt, erklärt sich vor dem Hintergrund der großen Bedeutung von GM für die US-Wirtschaft. Zurzeit sind in den USA noch 92.000 Beschäftigte für GM tätig, hinzu kommen etwa 500.000 ehemalige Beschäftigte, die Rentenleistungen von GM beziehen. Obama erklärte in einem Interview mit dem US-Sender NBC vor einigen Tagen: „Meine Präferenz wäre es gewesen, da ganz draußen zu bleiben. Das würde aber die Liquidation und den Bankrott bedeuten, bei dem eine großen Institution mit wichtiger Bedeutung für unsere Wirtschaft in Scherben liegt.“

Ziel des Verfahrens ist der Aufbau eines „neuen GM“ innerhalb einer Frist zwischen 60 und 90 Tagen. Das neue GM wird wesentlich „schlanker“ sein. Es wird mit dem Abbau von 21.000 Arbeitsplätzen in den GM-Fabriken gerechnet. Elf Fabriken sollen geschlossen werden. Die profitabelsten Marken sollen an das neue Unternehmen verkauft werden: Chevrolet, Cadillac, Buick und GMC. Unprofitable Marken – darunter Hummer, Opel, Pontiac, Saab, Saturn und Vauxhall – sollen abgestoßen werden. Für einige dieser Marken sind bereits Verkaufsverhandlungen im Gang.

Der GM-Vorstand kündigte in einer Erklärung heute außerdem an, mit einer neuen Unternehmensphilosophie antreten und so Marktanteile zurück erobern zu wollen. Dazu zählt der Bau kleinerer Modelle, die durch den Einsatz neuer Technologien weniger Energie verbrauchen sollen. 2012 sollen beispielsweise 14 neue Hybrid-Modelle in Produktion gehen. Bis 2012 sollen 65 Prozent der von GM hergestellten Autos mit alternativen Treibstofftechnologien vom Band rollen. Im kommenden Jahr soll der Chevrolet Volt als Elektroauto mit größeren Reichweite auf den Markt gebracht werden.

Mitte der 1950-er Jahre arbeitete über ein halbe Million Beschäftigte für GM. Der Abstieg des „alten“ GM, dessen Höhepunkt in den 1960er-Jahren liegt, als jedes zweite in den USA zugelassene Fahrzeug das GM-Zeichen auf der Haube trug, begann mit der Ölkrise in den 1970-er Jahren. Japanische Kleinwagen, die wesentlich weniger Benzin verbrauchten, eroberten den US-Markt. Die Stellung der spritfressenden SUVs und Pickup-Trucks, die die Platzhirsche in den GM-Verkaufsräumen waren, blieb aber weitgehend unangetastet. Infolge dieser verfehlten Modellpolitik setzte dann den letzten Jahren die Abwärtsspirale der Verkaufszahlen dramatisch ein, zuletzt noch verstärkt durch die Auswirkungen der Finanzkrise. Bereits 2005 machte GM 88 Milliarden US-Dollar Verlust. Im letzten Quartal „verbrannte“ GM täglich 111 Millionen US-Dollar. Der Aktienkurs des Unternehmens fiel in den Keller, er verlor in den letzten zwölf Monaten 95 Prozent seines Wertes. Am Montag stand die Aktie bei 48 US-Cents – ein historischer Tiefststand, der zuletzt bei der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920-er Jahre erreicht wurde. Es gilt bereits als beschlossen, dass GM aus dem Dow-Jones-Index herausfallen wird. Nachfolger im Leitindex der US-Börse ist Cisco Systems, Inc., ein Unternehmen der Telekommunikations- und IT-Branche.

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Quellen