Deutschland: Aktionsrat für Bildung fordert Kindergartenpflicht und zweigleisiges Schulsystem

aus Wikinews, einem freien Wiki für Nachrichten
Artikelstatus: Fertig 19:05, 9. Mär. 2007 (CET)
Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben.

München (Deutschland), 09.03.2007 – Sieben namhafte Professoren haben das deutsche Bildungssystem geprüft und für mangelhaft befunden. In einem umfangreichen Gutachten macht der Aktionsrat für Bildung zahlreiche Vorschläge zu einer radikalen Neustrukturierung. „Von der Kinderkrippe bis zum Hochschulbereich“ benötige das Bildungssystem klare Zielvorgaben und Finanzierungskonzepte, sagte der deutsche PISA-Projektleiter und Mitglied des Aktionsrates Manfred Prenzel.

Was ist der richtige Bildungsweg für Deutschlands Kinder?

Der Aktionsrat, dem namhafte Bildungsforscher wie Manfred Prenzel, Dieter Lenzen (Präsident der FU Berlin), Wilfried Bos (Leiter der Grundschüler-Studie IGLU) und Detlef Müller-Böling vom Centrum für Hochschulentwicklung angehören, wurde 2005 auf Initiative Vereinigung der bayerischen Wirtschaft gegründet. In ihrem 180-seitigen Gutachten stellten die Experten jetzt ihre Empfehlungen für eine Umstrukturierung des Bildungssystems vor.

Sie empfehlen, das heute dreigliedrige Schulsystem aus Haupt- und Realschule sowie Gymnasium auf ein zweigliedriges System umzustellen, in dem es außer dem Gymnasium nur noch eine Sekundarschule geben soll. Außerdem müsse auch den Absolventen der neuen Sekundarschule ein einfacher Weg zum Abitur ermöglicht werden.

Die Lehrer, die heute meist noch Beamte sind, sollten nur befristete Anstellungsverträge, so genannte Lehrerlizenzen, erhalten und zur Weiterbildung verpflichtet werden. Die Lehrerausbildung müsse reformiert werden, da sie heute zu stark auf eine wissenschaftliche Laufbahn hin ausgerichtet sei. Die Universitäten sollten auch stärker für Nichtabiturienten geöffnet werden.

Die Mitglieder des Aktionsrates schlagen weiter vor, die Schulen in private Trägerschaft zu übergeben, wobei sie jedoch weiterhin staatlich finanziert werden sollen. Dadurch entstünde ihrer Ansicht nach mehr Wettbewerb. Einen solchen Wettbewerb sollte es nach Ansicht der Bildungsexperten auch unter den Lehrern geben; ihre Bezahlung solle nach dem Leistungsprinzip erfolgen.

Die Schulempfehlung, die von der Grundschule beim Übergang zur weiterführenden Schule – also entweder Sekundarschule oder Gymnasium – ausgesprochen wird, müsse fundierter begründet sein, und es müsse die Möglichkeit geben, Fehlentscheidungen rückgängig zu machen. Die Professoren halten die Benachteiligung der Kinder aus Migrantenfamilien und aus ärmeren Bevölkerungsschichten für ein großes Problem, zu dessen Lösung am besten die Ganztagsschule beitragen könne. Ganztagsschulen sollten daher flächendeckend angeboten werden. „Man muss befürchten, dass im derzeitigen System mehr als 20 Prozent der Kinder den Anschluss verlieren“, so Manfred Prenzel.

Die Erziehungswissenschaftler unterstützen die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen zur Schaffung von mehr Betreuungsangeboten für Kleinkinder ab dem ersten Lebensjahr. Jedes Kind ab dem dritten Lebensjahr soll einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben. Ab dem vierten Lebensjahr soll der Besuch des Kindergartens nach Ansicht des Expertengremiums Pflicht sein. Erzieherinnen sollten nach Ansicht der Wissenschaftler eine akademische Ausbildung erhalten.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezeichnete in einer ersten Reaktion das Gutachten als „widersprüchlich und unausgegoren“. Vor allem die Forderungen nach Wettbewerb unter den Schulen und der Privatisierung sowie der Abschaffung des dreigleisigen Bildungssystem stießen auf Widerspruch. Marianne Demmer, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft, hält „die frühe Auslese der Kinder für das Kardinalproblem des deutschen Schulsystems“, das auch durch die Zweigleisigkeit nicht behoben werde, die allenfalls ein „Tippelschrittchen zu mehr Chancengleichheit“ sein könne. Auch der Deutsche Lehrerverband äußerte Kritik. Seiner Ansicht nach würde in der neuen Sekundarschule „ein Drittel der Schüler über- und ein weiteres Drittel unterfordert“. Es sei fragwürdig, wie über Lohndumping und Sozialabbau bei Lehrern mehr Gerechtigkeit erreicht werden solle.

Themenverwandte Artikel

Quellen