Deutsches Bundesverfassungsgericht: „Hartz IV“-Regelsätze nicht verfassungskonform

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Veröffentlicht: 23:55, 9. Feb. 2010 (CET)
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Verhandlungssaal des II. Senats beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Archiv-Bild)

Karlsruhe (Deutschland), 09.02.2010 – Das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland in Karlsruhe hat gesprochen: Die Berechnung der Regelsätze für die Gewährung von Leistungen nach dem so genannten Hartz-IV-Gesetz steht nicht im Einklang mit der Verfassung. Dem Gesetzgeber, also dem Deutschen Bundestag, wurde eine Frist bis zum 1. Januar 2011 gesetzt, um die Berechnungsmethode den rechtlichen Grundsätzen anzupassen, die das Gericht in seiner Urteilsbegründung ausgeführt hat. So lange gelten die alten Regelungen weiter.

Wie das Gericht erklärt, stehen die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder gemäß dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) nicht im Einklang mit dem „verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ laut Grundgesetz, Artikel 1 („Die Menschwürde ist unantastbar“) in Verbindung mit dem Sozialstaatspostulat gemäß Grundgesetz, Artikel 20 („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“). Gemäß diesem Sozialstaatsprinzip hat der Staat gegenüber jedem Staatsbürger Vorsorge zu treffen, um „diejenigen materiellen Voraussetzungen zu [sichern], die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind“. In seinen weiteren Ausführungen in der Urteilsbegründung bemängelt das Gericht die Höhe der Beitragssätze nicht prinzipiell. Das gilt sowohl für die Sätze für Erwachsene als auch für die der Kinder. Entscheidend sei vielmehr, dass der Gesetzgeber in rechtlich nachprüfbarer Weise den Grundbedarf für die Sicherung des Existenzminimums ermittelt. Schätzungen „ins Blaue hinein“, wie es in der Urteilsbegründung wörtlich heißt, stünden jedoch nicht im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen bei der Ermittlung der Bedarfssicherung. Für die Festlegung der Regelleistung von 345 Euro im Rahmen des so genannten Hartz-IV-Gesetzes sieht das Gericht jedoch keine statistisch nachvollziehbare, realitätsgerechte Begründung.

Das Gericht bemängelt speziell, dass die Ausgaben für Bildung bei der Berechnung der Regelsätze für Kinder nicht berücksichtigt wurden. Das Gericht fordert den Gesetzgeber auf, den tatsächlichen Bedarf für Bildungsausgaben empirisch zu ermitteln.

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Quellen