China: Umweltschutzproteste führen zu Gewalt
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Maoming (China), 05.04.2014 – Demonstrationen in China sind selten, bedürfen sie doch einer offiziellen behördlichen Genehmigung. In der Stadt Maoming in der südchinesischen Provinz Guandong hat es aber trotzdem in den letzten Tagen eine Reihe von öffentlichen Protesten gegeben. Stein des Anstoßes ist eine geplante Chemiefabrik, die para-Xylol herstellen soll. Der Stoff wird vor allem in der Kunststoffindustrie verwendet und sowohl als gesundheitsgefährdend wie auch als wassergefährdend (WGK2) eingestuft. Die Einwohner der Stadt, die bereits ein Zentrum der chemischen Industrie ist, klagen schon jetzt über gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Abgase der lokalen Fabriken und befürchten, dass die Umweltbedingungen sich durch die geplante Anlage nur noch weiter verschlechtern.
Einzelheiten der Vorgänge sind nur bruchstückhaft an die Öffentlichkeit gelangt, da die Polizei bereits vor Ort versucht hat, mögliche Zeugen einzuschüchtern und Fotos zu löschen. Die offiziellen Medien stehen ohnehin unter staatlicher Kontrolle, und auch im chinesischen Internet ist dementsprechend wenig Kritisches zu lesen, denn das was veröffentlicht wird, wird von Zensoren schnell entfernt. So bleiben unbestätigte Aussagen, die gegenüber ausländischen Pressevertretern direkt gemacht wurden und die dürren offiziellen chinesischen Aussagen zu den Vorgängen. Klar ist dabei, dass die Proteste am Sonntag (30. März) vor der Bezirksverwaltung von Maoming begannen. Es begann mit dem Werfen von Plastikflaschen auf das Gebäude, entwickelte sich dann aber rasch zu einem gewaltätigen Protest, bei dem mindestens ein Privatauto - angeblich das Auto des Bürgermeisters - und ein Polizeiauto in Brand gesteckt wurden. Die Polizei ging, dies scheinen Bilder zu belegen, mit einem massiven Schlagstockeinsatz gegen die Demonstranten vor. Auch vom Einsatz von Tränengas ist die Rede. Zahlreiche Verletzte sollen im örtlichen Krankenhaus behandelt worden sein. Ein Mann soll getötet worden sein, als er bei einer Verfolgung durch die Polizei mit seinem Motorrad verunglückte. Die Polizei wollte dies zunächst ebenso wenig bestätigen, wie sie eine Zahl von Verletzten bekannt gab. Allein die Zahl von etwa 1.000 Demonstraten wurde von offizieller Seite genannt. Die Proteste sollen am Dienstag (1. April) in kleinem Maßstab auch auf die Provinzhauptstadt Guangzhou übergriffen haben, wird von Augenzeugen berichtet.
Die ersten offiziellen Reaktionen auf die Proteste waren eine klare Verurteilung der illegalen Aktion und Versuche, die Produkte der geplanten Fabrik als unbedenklich darzustellen. Das erregte zumindest die Internetnutzer weiter, die nur Hohn und Spott für derartige Beschwichtigungsversuche übrig hatten, und es wurde deutlich darauf hingewiesen, dass es hier nicht um eine Fabrik ansich, sondern um die Art und Weise gehe, mit der diese durchgesetzt werden solle, nämlich ohne Rücksicht auf die Interessen oder Meinungen der betroffenen Anwohner. Die örtliche Verwaltung soll sich im Gegenteil bereits vor dem Beginn konkreter Planungen von den Einwohnern eine Erklärung unterschreiben haben lassen, in der diese versicherten, keinen Widerstand in irgendeiner Form gegen das Projekt zu leisten.
Dass die Mischung aus Straßenprotesten und Druck der öffentlichen Meinung im chinesischen Internet erste Erfolge zu zeigen schien, vermeldeten zuerst ausländische Medien. Ausländischen Berichten zu Folge soll die lokale Regierung erklärte haben, dass das Projekt nicht vorangetrieben werde, ehe nicht ein vollständiger Konsens mit der Bevölkerung hergestellt sei. Proteste gegen ähnliche Fabriken in Dalian im August 2011 und in Ningbo im Oktober 2012 führten jedenfalls zur Einstellung der jeweiligen Projekte, so dass man auch hier auf die weitere Entwicklung gespannt sein darf.
Aber auch die Aufmerksamkeit internationaler Medien läßt letztendlich die chinesischen Medien nicht unbeeindruckt, denn schließlich wurden die Vorgänge auch von dem offiziellen englischsprachigen chinesischen Auslandsprogramm von China Radio International (CRI) aufgegriffen. CRI berichtet nun von einer Pressekonferenz des stellvertretenden Leiters der Polizei und des stellvertretenden Bürgermeisters in Maoming. Nach den Angaben der Polizei soll bei den Protesten niemand getötet worden sein. Die Zahl der Verletzten soll sich auf 15, darunter vier Polizisten, belaufen, was früheren Berichten von hunderten von Verletzten und einem Toten entgegenspricht. Sieben Verletzte sollen sich aber noch im Krankenhaus befinden. Des Weiteren wurden 18 Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen. Der stellvertretende Bürgermeister betonte vor den Pressevertretern erneut die Bedeutung des Projekts für den Ort, wo 10.000 Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Er versprach, so wird nun auch von chinesischer Seite vermeldet, einen Dialog mit den Einwohnern von Maoming und versuchte, deren Bedenken bezüglich Gesundheitsgefahren und Umweltbelastung zu beruhigen. Der Beitrag von CRI nutzt dann aber auch gleich noch die Gelegenheit, die Position der zukünftigen Betreiber deutlich zu machen. Das chinesische Mineralöl- und Chemieunternehmen Sinopec weist darauf hin, dass China seinen Bedarf an para-Xylol 2013 nur zu 47 Prozent selbst decken konnte, es also einen dringenden Bedarf für diese Fabrik gebe.
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[Bearbeiten]Quellen
[Bearbeiten]- BBC News: „China Maoming environmental protest violence condemned“ (02.04.2014)
- BBC News: „Piecing together China's Maoming plant protest“ (02.04.2014)
- France 24: „Chinese authorities crack down on petrochemical plant protesters“ (02.04.2014)
- Tealeaf Nation: „Chinese Authorities’ Tough Sell: Paraxylene“ (02.04.2014)
- Times of India: „China ready to back down on chemical plant as violence breaks out“ (03.04.2014)
- CRI: „18 Detained in South China over PX Project“ (04.04.2014) ]