Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sorgt mit Äußerung zu „geheimer Staatspolizei“ für einen Eklat

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Veröffentlicht: 18:22, 24. Jun. 2008 (CEST)
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Ulla Jelpke

Berlin (Deutschland), 24.06.2008 – Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, hat im Parlament für einen Eklat gesorgt. „Was da geschaffen wird, ist eine geheim ermittelnde Staatspolizei“ sagte Jelpke wörtlich. Diese Äußerung während der Debatte über die Reform des Bundeskriminalamts (BKA) wurde von einigen Abgeordneten als Vergleich des BKA mit der Gestapo aufgefasst.

Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sorgt mit Äußerung zu „geheimer Staatspolizei“ für einen Eklat
Was da geschaffen wird, ist eine geheim ermittelnde Staatspolizei
Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sorgt mit Äußerung zu „geheimer Staatspolizei“ für einen Eklat

– Umstrittene Äußerung der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke

Abgeordnete der anderen Parteien empörten sich in Zeitungsinterviews nach der Bundestagssitzung über diese Äußerung, so forderte zum Beispiel Sebastian Edathy (SPD) eine Entschuldigung. Sein Parteikollege Dieter Wiefelspütz bezeichnete Jelpkes Ausführungen als „unterirdisch“ und zog Sanktionen des Bundestages gegen Jelpke in Erwägung. Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CDU und CSU, reagierte ebenfalls mit Unverständnis: „Der Vergleich ist eine Verhöhnung der Opfer der Nazi-Barbarei und auch des SED-Regimes der DDR. Wer das BKA gleichsetzt mit der Gestapo, betreibt eine Relativierung dessen, was es in diesem Land an fürchterlichen Verbrechen gegeben hat.“ Der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), der die 170. Sitzung des Bundestages am 20. Juni leitete, sah indes keine Veranlassung der Abgeordneten der Linksfraktion eine Rüge zu erteilen. Eine entsprechende Forderung hatte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz gestellt. Thierse sagte allerdings, die Äußerungen seien „hart an der Grenze der Zulässigkeit gewesen“.

Jelpke sorgte in der Vergangenheit nicht zuletzt wegen ihrer von dem politischen Fernsehmagazin kontraste kritisierten Haltung gegenüber Kuba für kritische Berichte. Als das ARD-Magazin im März 2006 Jelpke auf die Menschenrechtssituation in Kuba ansprach, meinte sie, dass es „vor allem Menschenrechte gibt, die eingehalten werden“, so die Politikerin damals. Auf den Verweis, dass Meinungs- und Pressefreiheit Fehlanzeige seien und es politische Gefangene gäbe, hatte sie geantwortet: „Ja, aber ich finde das jetzt eine klein karierte Diskussion.“ Jelpke hat die Darstellung von „kontraste“ jedoch in einer Presseerklärung zu dem Bericht des Magazins als „böswillige Unterstellung“ bezeichnet. Weiter heißt es in der Presseerklärung: „Der Mitarbeiter von ‚kontraste‘ hat mit einer Serie von Fragen versucht, mir Äußerungen zu entlocken, die nicht nur mich, sondern die gesamte Kuba-Solidarität vorführen sollten. Diesen penetranten Interviewstil habe ich ‚kleinkariert‘ genannt. Diesem Satz wurde dann eine ganz andere Frage vorgeschaltet, so dass meine Position völlig verzerrt dargestellt wird. Ich habe mich deswegen bei der kontraste-Redaktion beschwert.“

Zu der Kritik an ihrer Äußerung auf der Bundestagsplenarsitzung vom vergangenen Freitag nahm die Abgeordnete inzwischen in einer Presseerklärung Stellung. Sie habe mit ihrer Äußerung dargelegt, „warum das Bundeskriminalamtsgesetz ein Angriff aus das bisherige Demokratieverständnis ist, demzufolge polizeiliche Sicherheitsansprüche nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte eingreifen dürfen. Ich habe ausgeführt, dass das BKA zu einer zentralstaatlichen Polizeibehörde umgebaut wird, die zugleich typische Befugnisse eines Geheimdienstes erhält.“ Sie weist weiter darauf hin, dass es in wichtigen demokratischen Grundsatzfragen Einschnitte durch die Gesetzgebung der Bundesregierung gegeben habe und zählt in ihrem Statement einige Punkte auf, die diesen Zusammenhang ihrer Ansicht nach belegen: „Trennung von Geheimdiensten und Polizei; der Verzicht auf eine Staatspolizei; das Verbot von Bundeswehreinsätzen im Inland; das Grundrecht auf Asyl für alle politisch Verfolgten“. Ihr Ziel sei es nicht gewesen, „zu vergleichen, was nicht zu vergleichen ist, sondern um die Regierenden zur Umkehr zu bewegen“. Die Aufregung um ihre Äußerungen führt sie darauf zurück, dass sie anscheinend „einen wunden Punkt getroffen“ habe.

Auch andere Bundestagsabgeordnete hatten in der Bundestagsdebatte kritische Fragen zum neuen BKA-Gesetz gestellt, die ausdrücklich auf die Erfahrungen der jüngeren deutschen Geschichte Bezug nahmen. So fragte der SPD-Abgeordnete Kai-Uwe Benneter laut dem stenografischen Bericht der Debatte: „Warum ist das so? Muss das so sein? Wollten wir nach den Erfahrungen in der Nazizeit nicht auf immer verhindern, dass die Polizei zu einer Geheimpolizei werden kann? […] Bringen uns der internationale Terrorismus oder auch die organisierte Kriminalität heute dazu, unsere grundlegenden Prinzipien nach und nach über Bord zu werfen?“

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Quellen