Bundesschiedsgericht der Piratenpartei lehnt Parteiausschluss ab
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Berlin (Deutschland), 18.04.2012 – Das Bundesschiedsgericht der Piratenpartei Deutschland hat den Parteiausschluss des Mitglieds Bodo Thiesen am 16. April 2012 aus formalen Gründen abgelehnt.
Der Bundesvorstand der Partei hatte das Verfahren gegen Thiesen betrieben, der im Jahr 2008 auf einer Mailingliste in einer Diskussion Meinungen geäußert hatte, in denen rechtsextremistische Töne anklangen. So schrieb er in einer Diskussion über den Zweiten Weltkrieg insbesondere: „Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte Deutschland jede Legitimation, Polen anzugreifen.“ Und: „Nun, bis vor einigen Monaten glaubte ich auch, dass diejenigen, die ‚Auschwitz leugnen‘ einfach nur pubertäre Spinner sind. Damals hatte ich aber auch noch nicht Germar Rudolf gelesen. Sorry, aber das Buch prägt einfach - zumindest wenn man objektiv ran geht.“ Bei dem zitierten Autor Rudolf handelt es sich um einen Leugner des Holocaust. Später hatte Thiesen diese Äußerungen schriftlich relativiert und dabei erklärt, er lehne „faschistische Bestrebungen jeder Art entschieden“ ab. Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil Bodo Thiesen im selben Jahr zum Ersatzrichter des Bundesschiedsgerichts gewählt worden war und über die rheinland-pfälzische Landesliste der Piratenpartei zur Bundestagswahl kandidiert hatte. Erst vor kurzem war Thiesen wieder dadurch aufgefallen, dass er den Landesverband Niedersachsen mit dem Kürzel „NS“ statt mit „NDS“ versehen hatte und dies „als politisch inhaltliche Aussage“ verstanden wissen wollte, wie der Spiegel schrieb.
Dem Urteil des Bundesschiedsgerichts war die Entscheidung des Landesschiedsgerichts der rheinland-pfälzischen Piratenpartei aus dem Jahr 2011 vorausgegangen. Hiergegen hatte der Bundesvorstand der Partei Berufung eingelegt. Das erstinstanzliche Urteil wurde nun bestätigt, was im wesentlichen damit begründet wird, Thiesen sei unmittelbar nach dem Bekanntwerden seiner Äußerungen verwarnt worden. Hiergegen habe er keine Rechtsmittel eingelegt. Eine weitere, mehrfache Bestrafung für dieselbe Verfehlung sei aber nach dem Parteienrecht nicht zulässig. Das Verfahren, das seit 2010 vom Bundesvorstand betrieben worden war, hatte insgesamt gut zwei Jahre gedauert.
Der Beschluss sorgte für ein überwiegend negatives Echo, auch innerhalb der Piratenpartei. Der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz erklärte, auch künftig gegen „solche und ähnliche Äußerungen vorgehen“ zu wollen. Rassismus habe in der Piratenpartei keinen Platz. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Martin Delius hofft, dass die „Piraten ... Bodo Thiesen das Dasein in der Partei nicht angenehm machen“ werden. Es gebe übrigens „auch andere Spinner in der Partei“. Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen äußerten Unverständnis für die Entscheidung. Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei Heinz Bierbaum sagte, wer den Holocaust relativiere, könne sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen, er bewege sich „im braunen Sumpf“. Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag Volker Beck forderte den Bundesvorsitzenden der Piratenpartei auf, dafür zu sorgen, dass Thiesen die Partei trotzdem verläßt. Er stellte den nicht erfolgten Ausschluss in eine Reihe mit ähnlichen Fällen, in denen auch bei anderen Parteien kein Ausschluss erfolgt war. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte Konsequenzen. Der Vorsitzende Dieter Graumann sagte, solche Äußerungen dürften in keiner demokratischen Partei toleriert werden. Der rheinland-pfälzische SPD-Generalsekretär Alexander Schweitzer verlangte von den Piraten, sie sollten sich „von Thiesen trennen“. Thiesen selbst äußerte sich nicht zum Ausgang des Verfahrens.
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Quellen
[Bearbeiten]- Südwestrundfunk: „Pirat kann nach umstrittener Äußerung in Partei bleiben“ (17.04.2012)
- Piratenpartei Deutschland: „Urteil des Bundesschiedsgerichts der Piratenpartei Deutschland vom 16. April 2012, Az. BSG 2011-12-16“
- Der Spiegel: „Umstrittener Pirat darf in Partei bleiben“ (17.04.2012)
- Frankfurter Rundschau: „Die dunkle Seite der Piraten-Partei“ (18.04.2012)