BGH kippt Haftbefehl gegen Andrej H.
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Karlsruhe (Deutschland), 24.10.2007 – Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hob heute den Haftbefehl gegen Andrej H. auf. Gleichzeitig wies das Gericht eine Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Aussetzung des Haftbefehls unter Auflagen nach einer Entscheidung vom 22. August 2007 zurück. Zuvor saß Andrej H. in Einzelhaft. Die Generalbundesanwaltschaft hatte gegen den promovierten Soziologen, der unter anderem an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingeleitet.
In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es, dass zwar verschiedene Anzeichen, beispielsweise Veröffentlichungen in der Szenezeitschrift „Radikal“ und angebliche konspirative Treffen mit einem Mitbeschuldigten, einen Anfangsverdacht begründeten, die derzeit bekannten Indizien seien aber nicht ausreichend, um Andrej H. eine Mitgliedschaft in der linksradikalen „militanten Gruppe“ (mg) nachzuweisen. Die Kontakte des Beschuldigten mit Angehörigen der linksextremistischen Szene Berlins könnten auch anders interpretiert werden, so der BGH. Damit musste das Gericht nicht entscheiden, ob die „mg“ tatsächlich als terroristische Vereinigung nach Paragraph 129 a, Abs. 2, Nr. 2 StGB einzustufen ist. Eine schriftliche Begründung der Entscheidung liegt noch nicht vor. Hintergrund der Haftbefehle gegen Andrej H. und weitere Beschuldigte war ein versuchter Brandanschlag auf drei Lastkraftwagen der Bundeswehr am 31. Juli 2007.
Die Verhaftung des Soziologen war von zahlreichen seiner Wissenschaftskollegen kritisiert worden. Dem Beschuldigten wurde keine direkte Beteiligung an den geplanten Anschlägen auf Bundeswehrfahrzeuge vorgeworfen. Die Generalbundesanwaltschaft hatte den Haftbefehl damit begründet, dass er als Wissenschaftler in seinen Texten „Phrasen und Schlagwörter“ wie zum Beispiel Gentrification verwende, die auch in Bekennerschreiben der „mg“ auftauchen. Demnach sei er „intellektuell in der Lage“, die „anspruchsvollen Texte“ der „mg“ zu verfassen. Für die Recherche hierfür stünden ihm als Mitarbeiter einer Forschungseinrichtung Bibliotheken zur Verfügung, so die Generalbundesanwältin Monika Harms. „Solche Argumente lassen jede wissenschaftliche Tätigkeit als potenziell kriminell erscheinen“, lautete die Kritik in einem offenen Brief an die Generalbundesanwaltschaft, den viele internationale Wissenschaftler, darunter die bekannten Persönlichkeiten Mike Davis, Richard Sennett und Saskia Sassen, unterschrieben haben. „Gentrification“ ist ein Fachbegriff aus der Stadtsoziologie, dem Forschungsgebiet des Berliner Soziologen, mit dem der Prozess der Umstrukturierung von einem „einfachen“ zu einem „angesagten“ und teuren Viertel bezeichnet wird.
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Quellen
- Bundesgerichtshof: „Haftbefehl gegen Berliner Soziologen aufgehoben“ (Pressemitteilung) (24.10.2007)
- epd.de: „Sie nutzen Bibliotheken. Stadtsoziologe unter Terrorverdacht“ (22.08.2007)