Weltweites Entsetzen um Vergewaltigungsfall
Veröffentlicht: 18:20, 2. Dez. 2007 (CET) Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen. |
Riad (Saudi-Arabien), 02.12.2007 – Der Fall einer 19-Jährigen in Saudi-Arabien, die erst mehrmals vergewaltigt und später von einem Gericht zu einer sechsmonatigen Haftstrafe und zusätzlich 200 Peitschenhieben verurteilt wurde, erregt weiterhin weltweites Aufsehen. In einer Pressemitteilung appelliert die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch an das dortige Justizministerium, keine Erklärungen zu geben, die das Ziel haben den Ruf des Opfers zu schädigen.
Auf die internationale Berichterstattung zu dem Urteil reagierend veröffentlichte das saudi-arabische Justizministerium zwei Stellungnahmen, in denen behauptet wurde, das Opfer habe gestanden, sowohl unerlaubte Handlungen begangen zu haben als auch vor der eigentlichen Vergewaltigung unbekleidet in dem Fahrzeug ihres Begleiters gewesen zu sein. „Der Hauptgrund, dass dieses Verbrechen stattfinden konnte, war, weil die Frau und ihr Begleiter, welcher sie in seinem Auto diesen abscheulichen Verbrechen aussetzte, das Gesetz nicht befolgten.“ Als „ungerechtfertigte Verteidigung“ der Frau bedauerte das Ministerium den Medienrummel. Ein Justizbeamter beschuldigte die 19-Jährige im Fernsehen öffentlich des Ehebruchs.
Als rechtlich bedenklich ist ein Interview des Richters Dr. Ibrahim bin Salih al-Khudairi einzuschätzen, das vor drei Tagen in der saudi-arabischen Zeitung „Okaz“ veröffentlicht wurde. Dort hatte al-Khudairi, der am obersten Berufungsgericht in Riad arbeitet und wo der Fall als nächstes verhandelt wird, gesagt, dass er die Frau zum Tode verurteilt hätte.
Gegenüber der Human Rights Watch beschrieb die junge Frau das Geschehen aus ihrer Sicht. „Ich hatte eine Beziehung mit jemandem per Telefon. Wir beiden waren 16 Jahre alt. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen und kannte nur seine Stimme. Er begann, mir zu drohen, und ich bekam Angst. Er drohte, meiner Familie von der Beziehung zu erzählen. Daher gab ich ihm ein Foto von mir.“ Einige Monate später – inzwischen hatte sie einen anderen Mann geheiratet – kamen ihr Zweifel, dass das Foto missbraucht werden könnte, und sie beschloss, es zurückzufordern. Der junge Mann willigte ein, unter der Voraussetzung, dass sie sich träfen. Auf dem Weg zurück wurde das Auto des Mannes von einem Fahrzeug gestoppt, und beide wurden Opfer einer Entführung. Die Frau wurde von den Entführern anschließend mehrfach vergewaltigt.
Bei der folgenden Gerichtsverhandlung wurden nicht nur die sieben Täter verurteilt, sondern auch die 19-Jährige selbst zu 90 Peitschenhieben. Weil sie damit nicht einverstanden war, äußerte sich die Frau in der Presse. Ein Gericht verdoppelte darauf die Strafe. Nach einer strengen Auslegung der Scharia in Saudi-Arabien ist es Frauen nur erlaubt, sich in Begleitung männlicher Verwandtschaft in der Öffentlichkeit aufzuhalten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Frauen dort wegen Ehebruchs mit Auspeitschen oder gar der Todesstrafe bestraft werden. Der Ehemann der Frau fragte die Richter nach der Verurteilung: „Haben sie denn keine Ehre?“
Heute befindet sich die 19-Jährige unter Hausarrest. Es ist ihr verboten, über den Fall zu sprechen, und sie kann jederzeit verhaftet werden. Die Schritte ihrer Familie werden von der Religionspolizei überwacht. Doch auch aus ihrer Familie wurde sie bedroht. Ihr Bruder hatte sie angegriffen, angeblich in der Absicht sie zu töten.
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- Portal:Saudi-Arabien
Quellen
- hrw.org: „Saudi Arabia: Ministry of Justice should Stop Targeting Rape Victim“ () (29.11.2007)
- belfasttelegraph.co.uk: „In the name of God: the Saudi rape victim's tale“ () (29.11.2007)