Türkische Menschenrechtlerin wegen Kritik am türkischen Militär zu sechs Monaten Haft verurteilt

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Veröffentlicht: 22:57, 20. Mär. 2008 (CET)
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Istanbul (Türkei), 20.03.2008 – Die türkische Rechtsanwältin Eren Keskin wurde am Donnerstag von einem türkischen Gericht wegen Beleidigung des Türkentums (Paragraf 301 des Strafgesetzbuches der Türkei) zu sechs Monaten Haft verurteilt. Ihr war vorgeworfen worden, im Juni 2006 in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung „Tagesspiegel“ das türkische Militär wegen seines starken Einflusses auf die Politik kritisiert zu haben. Sie hatte gesagt, in der Türkei werde die Politik von der Armee bestimmt. Die Juristin, die sich auch im türkischen Menschenrechtsverein IHD engagiert, wurde nach nur fünfzehnminütiger Verhandlung verurteilt. Wie Prozessbeobachter berichteten, hatte sie vor Gericht ihre Äußerungen noch einmal verteidigt – diese seien als politische Kritik gemeint gewesen und nicht in beleidigender Absicht vorgebracht worden. Der Prozess war wegen einer Anklage des türkischen Generalstabs zustande gekommen.

1997 hatte Keskin ein Rechtshilfeprojekt, vor allem für kurdische Frauen, die von Sicherheitskräften missbraucht worden waren, gegründet. Danach war ihr vorübergehend ein Berufsverbot auferlegt worden, und sie hatte mehrfach Morddrohungen erhalten.

In dem Fortschrittsbericht der EU-Kommission vom Herbst 2006, der Grundlage für die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist, war der Türkei mitgeteilt worden, man erwarte, dass der Paragraf 301 des türkischen Strafgesetzbuches geändert werde. Schon anlässlich des Fortschrittsberichts 2005 hatte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn gesagt: „Das Strafrecht muss so geändert werden, dass die Meinungsfreiheit nicht von den persönlichen Ansichten von Bezirksrichtern abhängt. Sie muss auf der Grundlage der Menschenrechtskonvention garantiert werden.“

Im Februar 2007 hatten Parlamentarier aus dem Deutschen Bundestag, deutschen Landesparlamenten, dem Europa-Parlament sowie Parlamenten von Nachbarländern, deren Eltern aus der Türkei stammten, einen Aufruf an die Türkei unterzeichnet, in dem diese zur Abschaffung des Paragrafen 301 aufgefordert wurde. Darin heißt es: „Durch die gesetzlich legitimierte Einschränkung der Meinungsfreiheit nährt der Paragraph den Nationalismus und ist gleichzeitig Sinnbild für zunehmenden Rassismus und Diskriminierungen in der Türkei.“

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Quellen