Sonderermittler: Gewalt und sexueller Missbrauch über Jahrzehnte im Kloster Ettal
Veröffentlicht: 12:28, 6. Mär. 2010 (CET) Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen. |
Ettal (Deutschland), 06.03.2010 – „Kinder und Jugendliche wurden in Ettal über Jahrzehnte sexuell, psychisch und physisch misshandelt.“ So lautet die vorläufige Bilanz des Sonderermittlers des Klosters, Thomas Pfister, der am Freitag auf einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Benediktinerabtei Ettal seinen vorläufigen Abschlussbericht über die Missbrauchsfälle in dem Kloster-Internat vorlegte. Der Münchner Strafverteidiger Thomas Pfister war von den Mönchen des Klosters als unabhängiger Sonderermittler eingesetzt worden.
Die Kinder des Elite-Internats sind in den 1970-er und 1980-er Jahren bis etwa 1990 systematisch gezüchtigt, gedemütigt und sexuell missbraucht worden. Rund zehn Patres der Einrichtung seien für diese Taten verantwortlich, so der Sonderermittler. Die Zahl der Opfer soll bei rund 100 liegen. Dies alles sei nur möglich gewesen, weil es in dem Kloster eine „Kultur des Schweigens und des Wegsehens“ gegeben habe. Ein inzwischen suspendierter Pater des Ettaler Klosters soll Fotos von ihm anvertrauten Schülern, die darauf großenteils unbekleidet zu sehen waren, auf Homosexuellenseiten im Internet veröffentlicht haben. Bei einer Razzia im Kloster Ettal am Mittwoch waren Computer mit belastenden Inhalten zur Beweissicherung sichergestellt worden. Gegen zwei Patres wird inzwischen wegen „unangemessener körperlicher Züchtigung“ in den 1970-er Jahren ermittelt.
Erniedrigungen und Einschüchterungen gehörten zum Alltag, manche Patres waren Sadisten. | ||
– Äußerung eines ehemaligen Schülers zum Missbrauch im Kloster Ettal laut stern.de |
In den vergangenen Tagen hatten sich ehemalige Schüler des Kloster-Internats an den Sonderermittler gewandt und über eigene Erfahrungen berichtet. Pfister zitierte auf der Pressekonferenz aus einem solchen Schreiben die folgende Aussage: „Erniedrigungen und Einschüchterungen gehörten zum Alltag, manche Patres waren Sadisten.“ Und: „Die ersten drei Jahre waren die schlimmsten meines Lebens. Ich wurde mit einem Bambusstock geprügelt und landete auf der Krankenstation.“
Wegen der Vorkommnisse in der Abtei waren der Abt des Klosters sowie der Schulleiter von ihren Funktionen zurückgetreten. In einer persönlichen Erklärung auf der Homepage des Klosters schrieben sie: „Mit tiefer Beschämung wissen wir, dass Ettaler Mönche zu Tätern und Mitwissern wurden und in unverantwortlicher Weise zu den Vorgängen geschwiegen haben. Die Schuld, die dadurch auf uns lastet, verlangt nach einer grundlegenden geistlichen Neuorientierung unserer Gemeinschaft.“
Die jetzt ans Licht gekommenen Fälle sexuellen Missbrauchs in Einrichtungen der katholischen Kirche in Deutschland haben die Gläubigen tief erschüttert, schreibt dpa. Auch im Bistum Limburg und bei den Regensburger Domspatzen war in den letzten Tagen von möglichen weiteren Fällen sexuellen Missbrauchs berichtet worden, denen jetzt nachgegangen wird.
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Quellen
- www.kloster-ettal.de: „Persönliche Erklärung“ (Aufruf der Seite am 05.03.2010)
- dpa via www.zeit.de: „Kriminalität: Grauenhafte Details im Missbrauchsskandal“ (05.03.2010)
- www.augsburger-allgemeine.de: „Details in Missbrauchs-Fällen: Kloster Ettal: ‚Systematisch und brutal geprügelt‘“ (05.03.2010)
- www.stern.de: „Missbrauch im Kloster Ettal: ‚Es gab tägliche Prügelstrafen‘“ (05.03.2010)
- www.merkur-online.de: „Missbrauch in Ettal: Hoffen auf Vergebung“ (05.03.2010)