Soll NSU-Bericht 120 Jahre lang unter Verschluss bleiben?

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Veröffentlicht: 08:02, 26. Jul. 2017 (CEST)
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Gedenkstele für die NSU-Opfer am Kasseler Halitplatz

Wiesbaden (Deutschland), 25.07.2017 – Wie einige Medien seit kurzem berichten, will das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) offenbar einen internen Bericht zum Mordkomplex NSU 120 Jahre lang unter Verschluss halten. In den Jahren 2012 bis 2014 wurde der Bericht von 250 Seiten Umfang erstellt. Einblick erhalten nur Mitglieder des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses im Geheimschutzraum unter Aufsicht und ohne Schreibzeug. Vom Text selbst sei aber schon über der Hälfte geschwärzt. Auskunft über den Inhalt der geschwärzten Stellen wiederum dürfen nur die hessischen Landtagsabgeordneten bekommen, die Mitglied des Untersuchungsausschusses sind, und zwar in Absprache mit dem LfV.

Hintergrund in diesem Fall sind vor allem die Aktivitäten der Verfassungsschützer Andreas Temme, der vermutlich Zeuge bei wenigstens einem der rechtsextremen Morde des NSU war. Er wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Ermordung des 21jährigen Halit Yozgat als Verdächtiger festgenommen und verhört, da er sich zum Tatzeitpunkt am 6. April 2006 in unmittelbarer Nähe aufhielt. Angeblich war ihm nichts aufgefallen. 2015 wurde öffentlich bekannt, dass Temme 2006 vorab über den geplanten Mord an Halit Yozgat informiert worden war. Die Ermittlungen führten nicht zur Aufklärung, da viele Fragen aus Gründen des Geheimschutzes nicht beantwortet wurden. Insbesondere ist bis heute nicht bekannt, mit welchen V-Leuten - sogenannten verdeckten Ermittlern - Andreas Temme zusammengearbeitet hatte.

Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionssprecher der Grünen im Deutschen Bundestag, warf in diesem Zusammenhang der Bundesregierung eine Mitverantwortung vor. In einem Interview erklärte er: „120 Jahre! Da fragt man sich: Wo leben wir denn eigentlich? Statt Analyse und Aufklärung betreibt die Große Koalition in der Sicherheitspolitik vor allem Symbolpolitik – auch um eigenes Versagen zu verschleiern.“

Der Prozess gegen die mutmaßlichen, noch lebenden Hauptverantwortlichen der NSU-Terrorgruppe - unter anderem gegen Beate Zschäpe - findet seit dem 6. Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht München statt. Es geht vor allem um die Ermordung von zehn Menschen. Zwei der mutmaßlichen Haupttäter, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, hatten sich am 4. November 2011 in ihrem Wohnmobil selbst getötet. Die Bundesanwaltschaft begann am 25. Juli 2017 mit ihrem Plädoyer, in dem sie darlegte, die Anklage gegen Zschäpe habe sich im Wesentlichen bestätigt; sie sei Mitgründerin und Mitglied der terroristischen Vereinigung NSU gewesen und als Mittäterin an deren Taten beteiligt.



Themenverwandte Artikel[Bearbeiten]

  „Nationalsozialistischer Untergrund“: Thüringens Ermittler haben versagt (06.02.2013)

Quellen[Bearbeiten]