Skandal um Steuerfahndung in Griechenland

aus Wikinews, einem freien Wiki für Nachrichten
Veröffentlicht: 17:17, 01. Jan. 2013 (CET)
Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen.
Ex-Finanzminister Papakonstantinou, mitschuldig bei der Steuerhinterziehung ?

Athen (Griechenland), 01.01.2013 – Zu den Ursachen der griechischen Staatsverschuldung gehören auch Steuerhinterziehung und schlechte Zahlungsmoral bei den Steuerzahlern. Umfragen zufolge sind zwei Drittel der Griechen der Meinung, dass die Regierung zu wenig dagegen unternimmt. Die Bürokratie tut sich schwer mit der Verfolgung von Steuersündern. Bisher wurde deswegen niemand vor Gericht gestellt. Immer wieder wird über Vetternwirtschaft, Bestechung und Betrug geklagt, und die gegenwärtige Regierung will gegen diese Missstände vorgehen. Nach einer Untersuchung der Vereinigung Transparency International hat Griechenland den höchsten Korruptionsgrad aller 27 EU-Länder.

Jetzt gerät der frühere griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou unter schweren Verdacht. Er soll die Namen von drei Familienangehörigen aus einer Liste mit möglichen Steuersündern entfernt haben, bevor diese Liste der Steuerfahndung übergeben wurde. Die Liste stammt von der Schweizer Niederlassung der internationalen Großbank HSBC und war von einem ehemaligen Mitarbeiter dieser Bank an das französische Finanzministerium verkauft worden. Papakonstantinou war von Oktober 2009 bis Juni 2011 Finanzminister. Im Oktober 2010 übergab Christine Lagarde, damals französische Finanzministerin, diese Liste auf einer CD an Papakonstantinou, der sie offiziell an die griechische Steuerfahndung weiterleitete. Auf der Liste stehen die Namen von rund 2000 wohlhabenden Griechen, die insgesamt mehrere Milliarden Euro auf Schweizer Konten angesammelt und mutmaßlich Steuern hinterzogen hatten.

Im September 2012 veröffentliche der griechische Journalist Kostas Vaxevanis die Namen in dem Magazin „Hot Doc“ und wurde daraufhin von der Polizei verhaftet. Woher der Journalist die Daten hat, ist unbekannt. Anfang Oktober erhielt der amtierende griechische Ministerpräsident Antonis Samaras eine Kopie der Datei von Papakonstantinous Nachfolger Evangelos Venizelos, jetzt Vorsitzender der sozialistischen Partei Pasok, der auch Papakonstantinou angehört. Als die Liste kurz vor Weihnachten zum Abgleich nochmals in Paris an griechische Behördenvertreter übergeben wurde, stellte sich heraus, dass die in der griechischen Steuerbehörde offenbar noch unbearbeitete Liste drei Namen weniger enthielt als die ursprüngliche Datei: Es handelt sich um eine Cousine von Papakonstantinou, deren Ehemann sowie den Gatten einer zweiten Cousine. Eines der Konten hatte ein Guthaben von rund 1,2 Millionen Dollar. Die Behörden in anderen Ländern hatten bereits mit Hilfe der Lagarde-Liste mehrere Millionen Euro an unterschlagenen Steuern eintreiben können.

Als eine der ersten Reaktionen in dieser Affäre erfolgte der Ausschluss Papakonstantinous aus der Partei, die Organisation sah ihren Ruf beschädigt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt. Papakonstantinou bestreitet jedoch, die Namen aus der Liste gelöscht zu haben und wirft Venizelos, der von Juni 2011 bis März 2012 Finanzminister war, Vertuschung und Untätigkeit in der Angelegenheit vor. Die zuständigen griechischen Behörden erklärten, sie hätten bisher keinen Gebrauch von der Liste gemacht, weil sie nicht aus einer legalen Quelle stamme, sondern von einem Mitarbeiter der Bank gestohlen worden sei. Um ein greifbares Ergebnis bei der Verfolgung von Steuersündern vorzeigen zu können, soll offenbar der ehemalige Finanzminister Papakonstantinou zum Sündenbock gemacht werden.

Im Laufe der Zeit hat es widersprüchliche Angaben zum Bearbeitungsstand der Steuerfahndung in Griechenland gegeben. So soll Papakonstantinou aus Misstrauen gegen die eigenen Behörden anhand der Liste eine Auswahl von zwanzig Namen vorgenommen haben, deren Vermögen insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro beträgt. Als Beispiel aus den Ergebnissen der Steuerfahndung wird eine griechische Reederei-Angestellte genannt, die ein Jahreseinkommen von 25 000 Euro und ein Konto in der Schweiz mit 500 Millionen Euro hat. Finanzminister Venizelos veröffentlichte im Januar 2012 die Namen prominenter Steuersünder - die Liste der griechischen Steuerfahndung umfasste inzwischen über 4000 Namen und rund 15 Milliarden Euro Steuerschulden. Spitzenreiter war Nikos Kassimatis aus Thessaloniki, der dem griechischen Staat 952 Millionen Euro Steuern schuldet.

Themenverwandte Artikel[Bearbeiten]


Quellen[Bearbeiten]