Rehabilitierung Williamsons durch Papst Benedikt XVI. stößt auf Kritik

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Veröffentlicht: 14:22, 1. Feb. 2009 (CET)
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Papst Benedikt XVI.

01.02.2009 – Die Entscheidung des Papstes Benedikt XVI. in der vergangenen Woche, vier exkommunizierte Bischöfe der von Marcel Lefebvre gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X. zu rehabilitieren und wieder in den Schoß der römisch-katholischen Kirche aufzunehmen, sorgt innerhalb der katholischen Kirche als auch in anderen Religionsgemeinschaften sowie in der Politik nicht nur für Diskussionsstoff, sondern für zum Teil scharfe Kritik. Dabei geht es vor allem um die Rehabilitierung des britischen Bischofs Richard Williamson, der sich in einem Interview als Holocaustleugner zu erkennen gegeben hatte. Williamson hatte behauptet, die Zahl der in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland von 1933 bis 1945 getöteten Juden sei weit niedriger gewesen als allgemein angenommen. Außerdem bezweifelte der Bischof die Existenz von Gaskammern zur Judenvernichtung.

Mit starker Ablehnung reagierten jüdische Organisationen und der jüdische Staat Israel auf den Vorgang. Nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ erwägt Israel aufgrund des Vorgangs den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan. Der israelische Minister für Religionsangelegenheiten, Jizchak Cohen, hatte gegenüber dem Hamburger Magazin erklärt, die Verbindungen mit einer Körperschaft, in der Holocaust-Leugner und Antisemiten Mitglied sind, seien vollständig abzubrechen. Salomon Korn, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte die Entscheidung des Papstes „unverzeihlich“. Damit habe der Papst, „die Versöhnung mit den Juden, die seine Vorgänger vorangebracht haben, in Frage stellt.“ Die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, gab bekannt, dass ihre Organisation „momentan“ nicht daran interessiert sei, den Dialog mit der katholischen Kirche fortzuführen. Die durch den Papst sowie die Deutsche Bischofskonferenz abgegebenen Erklärungen, die eine Distanzierung von Äußerungen Williamsons enthielten, genügten aus ihrer Sicht nicht, um den Dialog zwischen den beiden Religionsgemeinschaften fortzusetzen.

Auch aus dem politischen Bereich kamen distanzierende Erklärungen zu der päpstlichen Entscheidung. Der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert (CDU), sagte, der Papst gefährde mit der Rehabilitierung Williamsons den konfessionsübergreifenden Dialog mit den jüdischen Organisationen. Der ehemalige Generalsekretär der Christlich-Demokratischen Union (CDU), Heiner Geißler, spitzt seine Kritik im Hinblick auf das Verhältnis Benedikts XIV. zum konfessionsübergreifenden Dialog zu: „Man kann fast den Eindruck bekommen, ihm sei ein rechtsradikaler, antisemitischer katholischer Bischof lieber als eine evangelische Bischöfin.“ Geißler kritisiert auch die grundsätzliche Orientierung des amtierenden Papstes im Vergleich zu seinem Vorgänger, Benedikt grenze sich theologisch „gegenüber Frauen, Andersgläubigen, Geschiedenen, Homosexuellen ab“.

Auch innerkirchlich wird Kritik an der Rehabilitierung Williamsons laut. Die katholischen Theologie-Professoren der Universitäten Freiburg und Tübingen befürchten gar einen „Wendepunkt der Kirchengeschichte“. Sie kritisieren nicht nur die päpstliche Aufhebung der Exkommunizierung Williamsons, sondern distanzieren sich prinzipiell von der Annäherung an die Pius-Bruderschaft. Die durch die Reformation eingetretene Spaltung des Christentums werde durch diesen Kurs weiter verschärft. Wörtlich heißt es in einer Erklärung der katholischen Theologen: „Es ist uns unverständlich, dass die Exkommunikation der schismatischen Bischöfe aufgehoben wurde, bevor sie grundlegende Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils akzeptiert haben.“

In einer Talkshow des Fernsehsenders Phoenix äußerte sich der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke zu der Diskussion um die Aufhebung der Exkommunizierung der vier Bischöfe der konservativen Pius X.-Bruderschaft. Er vermutet, der Vorgang habe „wahrscheinlich auch mit kirchlicher Schlamperei“ zu tun. Die Kirche sei kein perfektes Überwachungssystem, „da passieren auch mal Schlampigkeiten“, meinte der Bischof.

Gerhard Ludwig Müller, Bischof von Regensburg

Verständnis für die schwierige Situation, in die der Papst durch seine Entscheidung geraten sei, äußerte hingegen der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller. Man habe es hier, so der Bischof in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse, mit einer „zeitlichen Koinzidenz von zwei verschiedenen Vorgängen zu tun, die weder sachlich noch von der persönlichen Kenntnislage des Papstes etwas miteinander zu tun haben. Diese Verknüpfungen werden oft von interessierter Seite konstruiert.“ Den „Flurschaden“ habe Bischof Williamson angerichtet, nicht der Papst. Im Bistum Regensburg hat Williamson Hausverbot. Das Priesterseminar der Lefebvre-Anhänger in Zaitzkofen bei Regensburg habe, so Müller, mit dem Bistum nichts zu tun. Williamson hatte im November 2008 das Priesterseminar der Pius X.-Bruderschaft besucht und anlässlich einer Diakonatsweihe einem schwedischen Sender ein Interview gegeben, in dem die Worte gefallen waren, die auf so breite Entrüstung gestoßen waren. Der Sender hatte diese Sätze Williamsons dann auf seiner Website veröffentlicht: „Ich denke, dass 200.000 bis 300.000 Juden in Nazi-Konzentrationslagern starben, aber keiner von ihnen in Gas-Kammern.“

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Weblinks

In der Wikipedia gibt es den weiterführenden Artikel „Abrahamitische Ökumene, also den interkonfessionellen Dialog der monotheistischen Religionen“.

Quellen