Paris: Deutscher Arzt zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt

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Veröffentlicht: 19:52, 23. Okt. 2011 (CEST)
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Paris (Frankreich), 23.10.2011 – Der 76-jährige deutsche Arzt Dieter K. wurde von einem Pariser Schwurgericht zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, im Juli 1982 seine 14-jährige Stieftochter Kalinka Bamberski in Lindau am Bodensee getötet zu haben. Das Urteil lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge.

In der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 1982 starb das Mädchen im Haus des Arztes Dieter K., nachdem dieser ihr eine Spritze gegeben hatte. Dort hatte die 14-Jährige zusammen mit dem Bruder, die Mutter und deren neuen Lebensgefährten besucht. Der jetzt 76-Jährige hatte nach dem Auffinden der Leiche keine Polizei verständigt, obwohl er dies mit dem Notarzt so abgesprochen hatte. Er rief lediglich einen Bestattungsunternehmer, der nach seinem Eintreffen die Polizei verständigte. Ein Gerichtsmediziner stellt zahlreiche Einstiche und eine „ungewöhnlich fortgeschrittene Fäulnis“ an der Leiche fest. An den Genitalien weißliche Flüssigkeit, die Schamlippe ist verletzt, in der Vagina befinden sich Blutspuren. Die Verletzung wird als post mortem eingestuft. Die Beschuldigung, der Arzt habe das Mädchen betäubt und vergewaltigt, wurde nie ausgeräumt, die deutsche Justiz lehnte eine Auslieferung nach Frankreich ab. Im September 1987 hatte sich das Oberlandesgericht München letztinstanzlich in Deutschland mit dem Fall beschäftigt und festgestellt, dass die Spritze nicht ursächlich für den Tod von Kalinka gewesen ist.

Der Stiefvater leugnet bis heute die Tat. Er habe dem Mädchen lediglich ein Eisenpräparat gespritzt und später eine Schlaftablette gegeben. Dabei galt das Mädchen als gesund, eine Anämie, wie sie der Stiefvater behandeln wollte, war nicht bekannt. Weitere Erklärungen des jetzt Verurteilten machen seine Angaben nicht glaubwürdiger. Ein Bräunungsmittel habe er ihr verabreicht und sieben weitere Medikamente im Zeitraum von sechs Stunden injiziert, dabei muss die Leichenstarre längst eingetreten sein, was einem Arzt nicht entgangen sein dürfte.

Vielleicht wäre bei einer konsequenten Verfolgung der Tat 1997 einem 16-jährigem Mädchen der Missbrauch durch Dieter K. erspart geblieben. Sie war Patientin des Arztes und hatte ihn wegen Vergewaltigung angezeigt, nachdem er sie betäubt und in diesem Zustand sexuell missbraucht hatte. Im Laufe des in Paris geführten Prozesses wurden Akten von Beschwerden von sieben Frauen vorgelegt, die er in den 1990er Jahren mit eindeutigem Motiv belästigt haben soll. Weitere Mädchen meldeten sich und gaben an von dem Arzt missbraucht worden zu sein. 1997 war er wegen der Vergewaltigung der 16-Jährigen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Damals verlor er die Zulassung als Arzt, illegal übte er den Beruf weiter aus.

Zu dem Prozess in Paris kam es nur, weil Kalinka französische Staatsbürgerin war. In Deutschland musste der Arzt nach dem Urteil des Oberlandesgerichts München nicht mehr mit einer Strafe rechnen. Die französische Justiz verurteilte 1995 Dieter K. in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis. Dieses Urteil wurde später wegen Verfahrensfehlern aufgehoben. Der leibliche Vater von Kalinka, André Bamberski konnte sich nie damit abfinden, dass der Arzt nicht zur Verantwortung gezogen wurde. 2009 ließ er ihn deshalb nach Frankreich entführen und lieferte ihn dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden aus. Bei der Entführung wurde Dieter K. übel zusammengeschlagen und leidet noch jetzt an den Folgen der Prügel.

Das Bundesjustizministerium und die deutsche Botschaft in Paris haben sich mit dem Fall befasst. Erreicht wurde dadurch lediglich die konsularische Betreuung. Grundsätzlich sind die deutschen Behörden der Meinung, dass sich Dieter K. in einem Rechtsstaat wie Frankreich ausreichend selbst gegen vermeintliches Unrecht wehren kann.


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Quellen[Bearbeiten]