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Nehammer will zurücktreten – ÖVP bricht Koalitionsgespräche mit der SPÖ ab

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Veröffentlicht: 10:10, 5. Jan. 2025 (CET)
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Nehammer will zurücktreten – ÖVP bricht Koalitionsgespräche mit der SPÖ ab
Ist der Weg für die FPÖ frei?


Bundeskanzler Karl Nehammer (2023)

Wien (Österreich), 04.01.2025 – Die ÖVP hat die Verhandlungen mit der SPÖ über eine gemeinsame Koalition abgebrochen. Bundeskanzler Karl Nehammer hat für die nächsten Tage seinen Rücktritt als Regierungschef und ÖVP-Vorsitzender angekündigt. Zuvor waren schon die Dreiergespräche mit den NEOS beendet worden. Für die Regierungsbildung wird es nun eng.

„Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt alles versucht. Eine Einigung ist in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, so hat es keinen Sinn für eine positive Zukunft Österreichs“ zitiert die Nachrichtenagentur APA Bundeskanzler Nehammer. Seine ÖVP hat am Abend die Verhandlungen mit der SPÖ über eine gemeinsame Regierung beendet. Kurz darauf gab er in einer Videobotschaft seinen baldigen Rücktritt als Partei- und Regierungschef bekannt, er wolle für einen „geordneten Übergang“ sorgen. Streitpunkt soll unter anderem die Steuerpolitik gewesen sein, in der die SPÖ mit Erbschafts- und Vermögenssteuern den Staatshaushalt sanieren wollte – zum Unmut des Wirtschafts-Flügels der ÖVP. laut Nehammer hätten die „destruktiven Kräfte in der SPÖ die Oberhand gewonnen“. Seine Partei werde kein Papier unterschreiben, das „wirtschaftsfeindlich, wettbewerbsfeindlich und leistungsfeindlich ist“. SPÖ-Chef Andreas Babler sprach nach dem Bruch hingegen von „Parteitaktiererei“.

Erst am Freitag waren die NEOS nach mehreren Wochen schwieriger Gespräche mit ÖVP und SPÖ aus den Verhandlungen um eine „Zuckerl“-Koalition, abgeleitet von den Parteifarben türkis (ÖVP), rot (SPÖ) und pink (NEOS) und auch „Austro-Ampel“ genannt, ausgestiegen da man den Reformwillen bei den beiden Partnern vermisse. Die Dreierkoalition hätte im Ende September neu gewählten Nationalrat eine solide Mehrheit von 19 Stimmen gehabt. Auch hier gab es deutliche Differenzen bei den Steuern und außerdem der Rentenpolitik. Daraufhin hatten die beiden Parteien, die zusammen nur über eine Stimme Mehrheit verfügen, die Sondierungen am Samstagnachmittag zu zweit fortgesetzt. Über den Tag hinweg hatte sich die Situation jedoch bereits zugespitzt, die Parteien über die Medien ihre Schmerzgrenzen verlauten lassen. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hatte die SPÖ am Freitag auch für das NEOS-Aus verantwortlich gemacht. Vielfach scheint alles schon besprochen gewesen zu sein – und doch begannen die beiden Parteien eine neue Runde, ohne einen wirklichen Durchbruch zu erwarten.

Kann sich mehr Hoffnungen denn je machen: FPÖ-Chef Herbert Kickl

Für Nehammer handelt es sich beim Ende der Gespräche auch um ein politisches Scheitern beim Versuch, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ, die bei der Nationalratswahl stärkste Kraft geworden war, zu verhindern. Mit ihr hatte die ÖVP zuletzt von 2017 bis 2019 koaliert, bis die Ibiza-Affäre eine Regierungskrise ausgelöst hatte. Nehammer hatte angekündigt, nicht mit der FPÖ unter ihrem Vorsitzenden Herbert Kickl koalieren zu wollen, eine Option, die hingegen vom Wirtschafts-Flügel der ÖVP bevorzugt wird. Dass die FPÖ zum Preis eines Putschs gegen den eigenen Obmann eine Regierungsbeteiligung eingehen würde, scheint aber unwahrscheinlich, und auch Nehammer bekräftigte in seiner Videobotschaft seinen Unwillen zu Verhandlungen. Es sei seine „tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten“ würden. Nun fällt mit ihm aber ein prominenter Gegner der Kooperation mit der FPÖ weg. Ein Nachfolger Nehammers mit anderem Verhältnis zu Kickl könnte einer schwarz-blauen Koalition offener gegenüberstehen.

Unter anderem wird nun ein Comeback von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz diskutiert, der 2021 nach Bekanntwerden einer Korruptionsaffäre zurückgetreten war, seine Partei nach der Ibiza-Affäre 2019 aber aus der Krise und zu einem Wahlsieg geführt hatte. Andernfalls könnte es zu Neuwahlen kommen. Diese Option dürfte aber im Interesse keiner Partei liegen – bis auf die FPÖ: Aktuelle Umfragen sagen ihr eine Steigerung des Stimmanteils von 29 auf knapp 35 Prozent voraus. Die Regierungsbildung dürfte dies nicht erleichtern.

Am Sonntag will sich erst einmal Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Wort melden. Ihm, der einer Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss, kommt eine wichtige Rolle zu. Diese Aufgabe hatte er im Herbst der ÖVP zugesprochen, gegen heftigen Protest der stärkeren FPÖ und begründet mit der Aussichtslosigkeit dieser auf eine Regierungsbeteiligung. Offen ist, ob er das nun immer noch so sieht. (Ankermast)

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Quellen

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