General Motors – Der Gigant wankt

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Ehemaliges Hauptquartier in Detroit

Detroit (USA), 14.08.2005 – Noch im Jahr 1979 erzielte General Motors (GM) hohe Gewinne, seine Modelle verkauften sich äußerst gut. Der Automobilhersteller hatte einen Marktanteil von über 50 Prozent und verkaufte in den USA mehr als fünf Millionen Fahrzeuge pro Jahr.

Im Jahr 2005 wies das Traditionsunternehmen aus Detroit auch für das zweite Quartal einen operativen Verlust von 286 Millionen US-Dollar aus, bereits im ersten Quartal schrieb GM einen Verlust von 1,1 Milliarden US-Dollar. So summiert sich der Gesamtverlust auf fast 1,4 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr, im ersten Halbjahr 2004 konnte GM noch einen Gewinn von 2,5 Milliarden US-Dollar aufweisen.

Probleme in Nordamerika

Vor allem der wichtige nordamerikanische Heimatmarkt zieht GM nach unten, „GM Northamerica“ schrieb einen Verlust von über 2,5 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr. Auf dem größten Automobilmarkt, den USA, mit einem Gesamtvolumen von über 17 Millionen Einheiten jährlich (Deutschland ca. 3,1 Millionen), tobt ein heftiger Preiskampf. Die US-amerikanischen Unternehmen versuchen sich gegen die japanische Konkurrenz zu behaupten, die einen Marktanteil von fast 35 Prozent erobert haben, in den Küstenregionen (Florida, Kalifornien) sogar schon fast 50 Prozent.

Die US-amerikanischen Big Three (GM, Ford und DaimlerChrysler US-Tochter Chrysler) versuchen sich nun in einer Rabattschlacht gegenseitig die Marktanteile streitig zu machen. So schossen die Absatzzahlen von „GM Northamerica“ im Juni beziehungsweise Juli auf ein Rekordhoch.

GM verkauft alle Modelle aus dem Jahr 2005 zum Mitarbeiterpreis, dem so genannten Rabattprogramm „Get Employee Price“, das seit dem 5. Juni läuft und am 8. September ausläuft. Das entspricht einer Einsparung von durchschnittlich 25 Prozent pro Modell oder circa 3.600 US-Dollar. Im Juli konnte „GM Northamerica“ so 530.027 Autos absetzen, was einem Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat entspricht. Es war der erfolgreichste Juli-Wert seit 1979.

Ford und Chrysler zogen jetzt mit ähnlichen Programmen nach, beide Marken konnten zweistellig zulegen, ob solche Rabattaktionen allerdings profitabel sind, wird sich in den nächsten Quartalszahlen der Unternehmen zeigen. Experten zeigen sich sehr kritisch und rechnen damit, dass sich die Rabattpolitik als schwerwiegender Managementfehler herausstellen könnte.

Nicht nur die japanische Konkurrenz macht GM in Nordamerika zu schaffen, auch Pensionskosten in Höhe von 5,6 Milliarden Dollar drücken jährlich auf das Budget. Diese entstanden in den 1970er Jahren, als GM großzügige Vereinbarungen mit der mächtigen Automobilgewerkschaft UAW (United Auto Worker) vereinbarte. So zahlt GM allen Mitarbeitern die medizinische Versorgung und die vollen Pensionskosten; auf einen GM-Mitarbeiter kommen vier Pensionäre. Da GM die älteste Belegschaft aller Unternehmen in Nordamerika hat, werden die Pensionskosten in den nächsten Jahren kaum abnehmen, sondern eher noch weiter zulegen.

Verzweifelt versucht GM-Chef Rick Wagoner in zähen Verhandlungen mit der UAW Kompromisse einzugehen, doch diese stellt sich quer. Immerhin konnte er durchsetzen, dass er die älteste amerikanische, aber schwer defizitäre Automarke Oldsmobile schließen konnte. Nun droht er der UAW auch ohne deren Einflussnahme mit eigenen Schritten gegen die Probleme vorzugehen. Rick Wagoner will nun ein Werk schließen und in den nächsten beiden Jahren die Belegschaft um 40.000 Mitarbeiter senken. Sein Ziel ist es, die Gesamtkosten um etwa 2,5 Milliarden US-Dollar jährlich zu senken.

Mit „Gesundschrumpfen“ ist es allerdings nicht getan. GM muss seine Modellpolitik ändern, der Konzern ist nicht in der Lage, seinen Kunden aufregende Automobile anzubieten. GM verschläft Trends und versucht zu lange alte Modelle zu verkaufen, aber auch die einzelnen Modelle der Marken ähneln sich viel zu stark. Ein Chevrolet Silverado gleicht in Aussehen, Ausstattung und im Preis einem GMC Sierra. GM versuchte bisher immer nur möglichst viele Modelle, die der gleichen Fahrzeuggattung angehören unter möglichst vielen Marken zu verkaufen. Folge: Die Marken verloren ihre Identität.

Rick Wagoners Plan

Pontiac GTO, 2005

Rick Wagoner will dies nun radikal ändern. So wurde Chevrolet (Absatzvolumen ca. 2,2 Millionen jährlich in den USA) zur Kernmarke erklärt, die direkt gegen Ford (2,4 Millionen) und Toyota (2,2 Millionen) antritt, also im Massenmarkt. Cadillac (300.000) soll als Vollsortimentierer im Luxussegment gegen die geballte Luxuskonkurrenz wie BMW (350.000), Mercedes (250.000), Lexus und Acura (Honda-Tochter) antreten. GMC (500.000) soll als Nischenmarke im Truck-/Geländewagenmarkt mit nur drei oder vier Modellreihen durchstarten. Ähnlich wie GMC sollen Pontiac (400.000) mit sportlichen Automobilen und Buick (300.000) mit qualitativ hochwertigen Limousinen in ihrem jeweiligen Bereich punkten. Saturn (400.000) wird wohl in naher Zukunft eng mit Opel zusammenarbeiten um mit europäischem Design auf dem US-Markt VW (300.000) auszubremsen. So werden der Saturn Aura und der nächste Opel Vectra Zwillinge, der eine wird in den USA, der andere in Europa verkauft. Hummer (60.000) und Saab (35.000) sind die kleinsten Marken in den USA beide sollen im Luxussegment mit weiteren Modellreihen zulegen. Dass dies der richtige Weg ist, zeigen bereits erste Modelle aus dem Jahr 2006: Der HUMMER H3 beschert Hummer einen ewigen Verkaufsrekord, der Buick LaCrosse verkauft sich immer besser und Pontiac trifft mit dem G6, dem Solstice und dem Torrent genau ins Schwarze und schafft den besten Sommer seit 25 Jahren. Auch dem Saab 9-7X traut man den Durchbruch zu, er ist der erste SUV in der Geschichte des schwedischen Autobauers Saab.

Weiterhin will Wagoner die Produktivität der Werke drastisch erhöhen und endlich an die japanische Konkurrenz herankommen.

Qualitätsprobleme ade!

Die neusten Qualitätsreporte in Nordamerika und Europa zeigen, dass GM auf gutem Weg in Sachen Qualität ist, so konnte GM in acht von dreizehn Fahrzeugkategorien bei einem Qualitätsreport in den USA überraschenderweise den Sieger stellen. Der Report bezog sich auf die letzten fünf Jahre, auch in Europa konnte Opel in Sachen Qualität zur Spitze aufschließen.

Der hoffnungsvolle Blick nach Europa

Nach fünf Jahren hat es „GM Europe“ endlich wieder geschafft einen operativen Quartalsgewinn von 37 Millionen Dollar vorzuweisen. Experten trauen „GM Europe“ nun den „Tournaround“ zu. GM Europe wird aus Opel, deren britischer Schwestermarke Vauxhall, dem schwedischen Premiumhersteller Saab und den Importmarken Chevrolet, Cadillac und Hummer gebildet. Die harten Einschnitte scheinen sich gelohnt zu haben, die Entlassung von 10.000 Mitarbeitern und weiteren harten Sanierungsmaßnahmen bringen „GM Europe“ wieder in die Spur. Auch die Einführung neuer Modelle begründet Wachstumserwartungen. So konnte der Opel/Vauxhall Astra in Deutschland und England deutlich zulegen, die Einstiegsmarke Chevrolet geht mit aggressiven Werbekampagnen und sehr günstigen Preisen auf Kundenfang. GM vermarktet koreanische Daewoo-Produkte unter dem prestigeträchtigeren US-Label seit März diesen Jahres, was sich bereits in den Zahlen niederschlug: Chevrolet konnte im ersten Halbjahr seinen Absatz um 25 Prozent steigern.

GM Europe-Chef Fritz Henderson nennt vor allem die klaren Marketingstrategien als Erfolgsgrund: „Chevrolet geht mit aggressiven Kampagnen auf Kundenfang bei jüngeren Käuferschichten, Opel/Vauxhall treten direkt im Massensegment an, während Saab qualitativ hochwertigere Produkte anbietet und Cadillac und Hummer (Hummer wird ab Spätherbst offiziell in Europa vertrieben) im Luxussegment vertreten sind.“

„GM Europe“ will im zweiten Quartal den Absatz weiter steigern durch die Einführung des neuen Zafiras, neuer Saab-Modelle, des Cadillac STS und durch den in den USA sehr erfolgreichen Hummer H3. 2006 wird wohl die in Europa völlig unbekannte Marke GMC ihr Europadebüt feiern, sie wird kleine US-Chevy Offroader zu günstigen Preisen anbieten, wie zum Beispiel den Trailblazer.

Weblinks

Quellen