Deutsche Kultusminister unter Druck wegen Kritik am Abitur nach zwölf Jahren

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Veröffentlicht: 10:40, 7. Mär. 2008 (CET)
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Deutschland, 07.03.2008 – Nach einer überwiegend kritisch geführten Diskussion in Deutschland über die Einführung des Abiturs nach zwölf Schuljahren in Deutschland (kurz „G8“) fassten die Kultusminister auf ihrer gestrigen Konferenz (KMK) in Berlin Beschlüsse zu „Möglichkeiten der Flexibilisierung beim Abitur nach zwölf Jahren“. Am Grundsatzbeschluss von 1997 zur Einführung eines achtjährigen gymnasialen Bildungsgangs nach dem Übergang von der Primarstufe zur gymnasialen Sekundarstufe I bis zum Abitur wird jedoch nicht gerüttelt.

An eine Reduktion der Unterrichtsstunden ist nicht gedacht. Entsprechenden Forderungen begegnet die KMK mit dem Argument: „Eine Reduktion der Debatte auf formale Stundenumfänge löst nicht die Probleme von G8, sondern kann sie verstärken, da das Verhältnis von Inhalt und Zeit weiter verschärft würde.“ Stattdessen sollen auf Länderebene, die die Zuständigkeit für das Bildungswesen haben, die Lehrpläne angepasst werden, wobei insbesondere die Einbeziehung von Methodenlernen und Übungs- und Anwendungszeiten in die Stoffvermittlung im Rahmen der Entwicklung so genannter Kerncurricula gemeint ist. Außerdem sollen die Gymnasien durch die Zulassung flexiblerer Verteilung der Stunden über die Jahrgänge und variabler Prüfungsformen sowie Hausaufgabenhilfen unterstützt werden. Auch an eine Ausweitung des Ganztagsangebotes ist gedacht. Den Schulen soll auch ein größerer Spielraum „bei der Umsetzung besonderer pädagogischer Ansätze“ wie Projektunterricht gewährt werden. Die dafür vorgesehenen Stunden sollen auf die Pflichtstundenzahlen von „265 Wochenstunden im gymnasialen Bildungsgang von der Jahrgangsstufe 5 bis zum Abitur“ angerechnet werden können.

Grundsätzliche Kritik an den Plänen der Kultusminister äußerte der Vorsitzende des Bundeselternrats, Dieter Dornbusch: „Man hat jetzt einen Zustand, dass man einen Reparaturbetrieb braucht, um überhastete Entscheidungen zu reparieren.“ Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, bezeichnete den gegenwärtigen Zustand nach der Einführung des so genannten Turbo-Abis als „Desaster“. Er bemängelte das Fehlen eines Gesamtkonzepts bei der Einführung des achtjährigen Bildungsgangs zum Abitur. Man habe einfach die Schulzeit um ein Jahr gekürzt und die verlorenen Stunden über die verbliebenen acht Schuljahre verteilt. Eltern hatten daraufhin über eine starke Belastung ihrer Kinder geklagt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte sich bereits gestern in einer Stellungnahme gegen die beabsichtigte Flexibilisierung der Stundenzahlen, die auf der KMK beschlossen wurde, gewandt. „Das sind Tricksereien und Zahlenspielchen, mit denen die Öffentlichkeit hinters Licht geführt werden soll. Flexibilisierung ist ein anderes Wort für Kürzung, die niemand merken soll. Offiziell wird an den 265 Wochenstunden bis zum Abi festgehalten, de facto werden diese weiter reduziert“, so Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Schule. Die GEW sieht nur zwei Alternativen um aus der durch die Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren entstandenen Situation herauszukommen: entweder eine Rückkehr zum alten Modell des Abiturs nach 13 Schuljahren oder die Zulassung des 12-Jahresmodells lediglich an Ganztagsschulen. Kritik kam auch vom Deutschen Philologenverband (DPhV), in dem vorwiegend Gymnasiallehrer organisiert sind. Die Gefahr eines Qualitätsverlustes sei durch die Pläne der KMK „sehr groß“. Auch der DPhV plädiert für die verstärkte Einführung von Ganztagsschulen. Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger wies darauf hin, dass die Schulen in den gerne zum Vergleich herangezogenen Ländern, in denen es ein Abitur nach zwölf Jahren gebe, in der Regel keine Halbtags-, sondern Ganztagsschulen seien.

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Quellen