Deutsche Bahn: 173.000 Mitarbeiter wegen Korruptionsverdachts überprüft
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Berlin (Deutschland), 29.01.2009 – Das Projekt „Babylon“ der Deutschen Bahn, gedacht als Projekt zum Aufspüren von Korruption innerhalb des Konzerns, hat, wie jetzt bekannt wurde, zwischen 2002 und 2003 eine bisher von den Politikern, die bisher mit dem Vorgang befasst waren, nicht vermutete Dimension der heimlichen Ausspähung von Mitarbeitern erreicht: 173.000 Bahn-Beschäftigte waren betroffen, außerdem 80.000 Firmen, die mit der Bahn Geschäfte machen. Diese Fakten wurden gestern nach einer Sitzung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages in Berlin bekannt. Gegenstand des Datenabgleichs waren demnach unter anderem Name, Anschrift, Telefonnummer und Bankverbindung von rund zwei Dritteln aller Mitarbeiter der Deutschen Bahn, die mit den Daten der Geschäftspartner der Bahn in Beziehung gesetzt wurden. Mit dem Projekt Babylon wurde die Berliner Detektei Network Deutschland GmbH beauftragt.
Während die Mitglieder des Bundestags-Verkehrsausschusses von den nun offengelegten Zahlen schockiert waren („Wir sind nahezu kollektiv vom Stuhl gefallen“, so der Obmann der Grünen, Anton Hofreiter, in dem Ausschuss), ist sich die Bahn, wie aus einer gestern veröffentlichten Mitteilung hervorgeht, keiner Schuld bewusst: „Entgegen vielfacher Behauptung ist der Abgleich von Mitarbeiter- und Lieferantenadressen – das sogenannte Screening - rechtlich nicht zu beanstanden – unabhängig von der Zahl der überprüften Mitarbeiter“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zumindest der Grünen-Politiker Hofreiter sieht das jedoch anders: „Die Überwachung von Mitarbeitern in diesem Umfang ist absolut unzulässig.“ Die bisherige Ausbeute der Mitarbeiterüberprüfung: 116 Fälle von Korruptionsverdacht meldete die Bahn der Staatsanwaltschaft.
Das jetzt aufgedeckte bahninterne Mitarbeiter-Screening, wie es im Fachjargon heißt, war nicht die einzige Aktion dieser Art. Wie die Mitglieder des Verkehrsausschusses gestern erfuhren, gab es schon eine Reihe anderer Vorläufer, die unter strengster Geheimhaltung betrieben wurden – alle Aufträge wurden telefonisch vergeben. Sie hören auf so klangvolle Decknamen wie „Eichhörnchen“ – ein Auftrag zur Ausspähung von 774 Führungskräften der Bahn – sowie „Uhu“, „Clementine“, „Kabeljau“ und „Twister“. Nach eigenen Angaben zahlte die Bahn für diese Maßnahmen mindestens 800.000 Euro in den vergangenen neun Jahren. Die Bahn rechtfertigt den Aufwand damit, dass dem Unternehmen durch illegale Praktiken jährlich Schäden in Millionenhöhe entstünden.
Am 11. Februar soll die Befragung von Bahnmitarbeitern im Verkehrsausschuss des Bundestages fortgesetzt werden. Insbesondere wollen die Ausschussmitglieder der Frage nachgehen, ob die ermittelten Mitarbeiterdaten noch zu anderen Zwecken verwendet wurden als angegeben.