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Debakel bei Schachweltmeisterschaft in Elista

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Artikelstatus: Fertig 13:09, 3. Okt. 2006 (CEST)
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Elista (Russland), 03.10.2006 – Streitigkeiten, die durch eine „Toilettenaffäre“ ausgelöst wurden, haben beinahe zum Abbruch des vom Weltschachbund FIDE geleiteten Schachweltmeisterschaftskampfes zwischen Wesselin Topalow und Wladimir Kramnik geführt.

Der auf zwölf Partien geplante Kampf wurde am 23. September 2006 gestartet und bot in den ersten vier Partien spannendes Schach. Die ersten zwei Partien gewann Kramnik, die dritte und vierte endeten remis. Am 28. September reichte das Topalow-Team dann eine Klage ein – demnach habe Kramnik während der letzten Partien ständig die Toilette besucht, den einzigen Raum ohne Videoüberwachung. Am 29. September fiel dann die Entscheidung des „Appeals Committee“, des von der FIDE eingesetzten Komitees, das Topalow Recht gab. Von nun an sollten beide Spieler nur noch eine einzige Toilette benutzen, die Toilette Kramniks wurde geschlossen.

Darauf folgte ein Protest seitens Kramnik. In einem offenen Brief wies sein Team darauf hin, dass jegliche Bedingungen vor dem Kampf vertraglich geregelt seien und dass man diese nicht einfach nachträglich ändern könne. Er habe die Toilette deswegen so oft aufgesucht, „weil er während der Partien in seinem Ruheraum herumlaufe und da dieser nicht sehr groß sei, auch den Waschraum nutze“ (Chessbase).

Die New York Times sprach in ihrer Thematisierung des Geschehens davon, jede Fraktion wolle der anderen unterstellen, unerlaubte Hilfsmittel zu nutzen. Prominente Großmeister der Schachszene halten die Beschuldigungen Topalows für reine Wettkampftaktik, um Kramnik in schlechtem Licht dastehen zu lassen, oder als ein Zeichen für Nervosität im Topalow-Team. Schließlich liegt dieses zwei Punkte im Rückstand. Die Möglichkeit, dass einer der beiden tatsächlich unerlaubte Hilfsmittel benutzt, halten sie jedoch für ausgeschlossen.

Die Entscheidung des „Appeals Committee“ war auch für Topalow unzureichend. Dieser wolle das Match zwar fortsetzen, dem Gegner aber nicht mehr, wie sonst im Schach allgemein üblich, vor der Partie die Hand geben und nicht mehr zusammen mit Kramnik Presseräume betreten. Das „Appeals Committee“ gab trotz aller Streitigkeiten noch am gleichen Tag die fünfte Matchpartie frei. Vergeblich wartete Topalow auf seinen Gegner, der aus Protest nicht antrat. Topalow wurde zum offiziellen Sieger der Partie gekürt.

Die nachfolgenden Diskussionen bezogen sich nun auf die Frage, ob die fünfte Partie gewertet werden sollte oder nicht. Zwar bestand Topalow darauf und drohte mit Abbruch. Kramnik wandte jedoch in einem öffentlichen Brief ein, der Toilettenprotest seitens Topalow sei nicht fristgemäß eingereicht worden und der Start der fünften Partie sei unter diesen Bedingungen unzulässig. Auch forderte er eine Entschuldigung für beleidigende Äußerungen aus der Topalow-Delegation. Der FIDE-Präsident Kirsan Ilyumshinov ist inzwischen nach Elista geeilt und erklärte den folgenden Tag zum Ruhetag.

Der Toilettenstreit konnte geklärt werden: Kramnik darf seine Toilette weiterhin benutzen, sie wird jedoch vor jeder Partie gründlich untersucht. In einer Presseerklärung am 30. September trat das verantwortliche „Appeals Committee“ freiwillig zurück. Am 1. Oktober gab es dann auch eine Entscheidung über die Frage nach der Wertung der fünften Partie, die für Topalow gewertet wurde. In anderen Punkten wurde jedoch für Kramnik entschieden. Kramnik protestierte zwar, willigte aber trotzdem ein und setzte den Wettkampf am 2. Oktober fort – die Partie endete remis.

Die Schachwelt hat das Verhalten Topalows kritisiert, der Toilettenprotest wird allgemein „als reines Störmanöver nach einem unerwarteten Rückstand“ (Chessbase) betrachtet. Aber auch die FIDE wurde kritisiert, dass sie Topalow in der Toilettenfrage Recht gegeben und die fünfte Partie freigegeben habe, obwohl klar gewesen sei, dass Kramnik nicht antreten würde. Der ehemalige Weltmeister Anatoli Karpov, der sich, wie viele andere Großmeister, für Kramnik aussprach, sagte, die kampflose Partie sei ungültig und er selbst hätte an Kramniks Stelle tatsächlich nicht gespielt.

Der Wettkampf soll eine Art Wiedervereinigungswettkampf werden. Als es im Jahr 1993 zwischen dem damaligen Weltmeister Garri Kasparow und der FIDE zu Unstimmigkeiten kam, gründete Kasparow zusammen mit Nigel Short die PCA, die einen eigenen Schachweltmeister ermittelt. Seitdem gab es zwei Schachweltmeister. Im Jahr 2000 kam es dann zum Match zwischen Kasparow und Kramnik, welches Kramnik überraschend gewann. Die PCA war allerdings pleite, und es gab seither keine weiteren derartigen Kämpfe. Im Oktober 2005 gewann Topalow auf Seiten der FIDE überragend das Weltmeisterschaftsturnier in San Luis. Kramnik spielte jedoch nicht mit, da er nicht einsah, als amtierender Weltmeister an einem Turnier mitzuspielen. Der Sieger in Elista soll nun alleiniger Schachweltmeister werden.

Quellen