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Datenschutzskandal bei Wiener Linien

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Veröffentlicht: 13:32, 16. Okt. 2008 (CEST)
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Bild der U6-Station Siebenhirten in Wien-Liesing

Wien (Österreich), 16.10.2008 – Die Wiener Linien GmbH & Co KG rücken wieder ins negative Rampenlicht. Nachdem erst Anfang des Jahres der Datenschutz nicht eingehalten worden war und Bilder von Fahrern an einen Politiker zur Identifizierung und Erleichterung einer Beschwerde weitergegeben wurden, machen die Wiener Linien neuerlich mit einem Datenskandal auf sich aufmerksam.

Laut Bescheid der Datenschutzkommission dürfen die Wiener Linien Aufzeichnungen ihrer Anlagen (Bahnsteige, Fahrzeuge, Rolltreppen) für längstens 120 Stunden speichern. Die Speicherdauer wurde erst vor kurzem mit der Verlängerung des Probebetriebes erweitert, da die Wiener Linien mit einer Speicherdauer von 48 Stunden unzufrieden waren.

Der jetzige Datenschutzskandal wurde von einem – wie das Unternehmen betonte – „unzufriedenen“ Mitarbeiter ins Rollen gebracht. Die nunmehr erfolgte Anzeige bei der Datenschutzkommission wurde vom Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) eingebracht. Bereits die Einführung des Probebetriebes der Videoüberwachung im Jahre 2005 rief Datenschützer auf den Plan, und es wurde heftige Kritik geäußert. Der Mitarbeiter, welcher ursprünglich Anzeige erstatten wollte, wurde mit der Drohung, gegen ihn ein Disziplinarverfahren einzuleiten, eingeschüchtert, davon abgehalten und nun vom Unternehmen als „rachsüchtig“ hingestellt.

Der Stein des Anstoßes war ein illegaler Datenzugriff im im Zuge der Klärung eines Schadenersatzanspruches gegen die Wiener Linien. Das Videomaterial wurde jedoch erst knapp zwei Monate nach dem Vorfall im Dezember 2007 in der U6-Station Siebenhirten von unbefugten Mitarbeitern ausgewertet. Neben der überlangen Speicherdauer wird dem Verkehrsunternehmen auch vorgeworfen, die Daten nicht verschlüsselt aufzuzeichnen; dies ist jedoch vorgeschrieben. Auch dürfen nur befugte Mitarbeiter (derzeit zwei) das Material sichten.

Brisant ist ebenfalls die Tatsache, dass die Wiener Linien auch öffentliche Räume filmen, welche laut österreichischer Rechtsordnung der Polizei vorbehalten sind. Die Wiener Linien betreiben rund 1.000 Kameras (Stand 2006). Der jährliche Schaden durch Vandalismus beträgt rund 200.000 Euro, die Kosten für die Installation der Videoüberwachungsanlagen hat bereits mehr als das Zehnfache gekostet.

Für Ing. Dr. Hans G. Zeger, Obmann der Arge Daten, kommt dies wenig überraschend. Er fordert strengere Regeln. Auch der Jurist Dr. Gerhard Kunnert kommt in seinem Artikel zu dem Schluss, dass die Videoüberwachung unverhältnismäßig sei. Auch sieht er grundsätzlich in öffentlichen Verkehrsmitteln den Rechtsanspruch, nicht gefilmt zu werden und dass das menschliche Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln einschließlich der örtlichen und zeitlichen Begleitumstände sehr wohl vom Schutzbereich des Datenschutz(grund)gesetzes erfasst sei. Nach dem Datenschutzgesetz hat jedermann im Prinzip einen grundrechtlichen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nicht gefilmt zu werden.

Auszeichnung: Bereits im Jahr 2005 haben die Wiener Linien den BigBrotherAwards Austria Volkswahl-Preis gewonnen.

Auch auf die Stadt Wien wirft dieser Vorfall seine Schatten, da diese über die WIENER STADTWERKE Holding AG indirekt an der Wiener Linien GmbH und an der Wiener Linien GmbH & Co.KG zu 100 Prozent beteiligt ist.

Die Wiener Linien jedoch weisen die Vorwürfe als unbegründet zurück.

Angesichts der zunehmenden Datenschutzskandale in Großbritannien, Deutschland und Österreich wird wieder der Ruf nach strengeren Regeln laut. Ebenso problematisch ist, dass die Wiener Linien viel Geld in die Videoüberwachung, deren rechtliche Einhaltung wie auch deren Nutzen äußerst umstritten ist, stecken, jedoch die Betriebssicherheit nicht gewährleistet ist. Das Verkehrs-Arbeitsinspektorat hat bereits Anzeige sowohl gegen die Wiener Linien selbst als auch gegen den Direktor eingebracht. Vor allem die Brandgefahr der Niederflurstraßenbahnen stellt ein Problem in untertunnelten Streckenabschnitten dar. Die Wiener Linien sind sich der Gefahr offenbar bewusst und haben die Fahrerkabinen mit Atemschutzmasken ausgestattet. Jedoch für die Fahrgäste wurden bislang keine Vorkehrungen getroffen. Vor kurzem wurde auch ein Buslenker der Wiener Linien wegen fahrlässiger Körperverletzung, unterlassener Hilfeleistung und Fahrerflucht belangt und bestraft.

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Quellen