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Ausschreitungen in Italien: Neues Bildungsgesetz sorgt für eine Welle von Protesten

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Veröffentlicht: 20:24, 31. Okt. 2008 (CET)
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Rom (Italien), 31.10.2008 – Der Monat Oktober war in Italien von Protesten, Demonstrationen und Kundgebungen gegen das neue Bildungsgesetz des amtierenden Mitte-Rechts-Bündnisses von Silvio Berlusconi geprägt. Die Spitze der Proteste erreichte am gestrigen Donnerstag durch die italienischen Schulgewerkschaften ausgerufene gesamtstaatliche Generalstreik an denen sich italienweit mehr als 70 Prozent der Lehrer und Lehrerinnen beteiligten. In Rom und in anderen größeren Städten des Landes sind mehr als 1 Million Menschen (Lehrpersonen, Direktoren, Lehrende an Universitäten, Studierende, Eltern) auf die Straße gegangen.


Belagerungszustand an italienischen Schulen und Universitäten

Seit Wochen zeichnet sich an italienischen Universitäten und Schulen ein Bild des Protestes. Lehrer/innen und Direktor/innen legten ihre Arbeit nieder, Schüler besetzen die Schulen und bestreikten den Unterricht. Die Internetseite „unionedeglistudenti.it“, welche die Aktionen koordiniert, meldet am 31. Oktober 82 besetze Schulen, 41 Schulen mit Bestreikung des Unterrichtes und 25 Schulen, welche eine permanente Vollversammlung ausgerufen haben. An den Aktionen beteiligen sich neben den Studierenden und Lehrer/innen auch die Eltern. Diese Maßnahmen dauern schon seit Wochen an und der italienische Innenminister Roberto Maroni kündigte an, Anzeige gegen jene zu erlassen, welche sich an der Besetzung der Schulen beteiligen. Der Bürgermeister von Rom Gianni Alemanno reagierte auf die Äußerungen des Innenministers und widersprach "eine Anzeige darf es nur geben, wenn Schuleigentum beschädigt oder sonst auf eine Art und Weise Gewalt angewendet wird".

Unterrichtsministerin verteidigte die neu erlassenen Gesetze im Bildungssystem mit den Worten "Die Schule wird sich wieder zu einer ernsthaften Bildungseinrichtung verändern." Guglielmo Epifani, der Chef des Gewerkschaftsverbands CGIL, begrüßte die starke Beteiligung am Generalstreik: "Das ganze Land rebelliert gegen die Schulreform und protestiert für die Zukunft des italienischen Bildungswesens und für die Zukunft der Demokratie in Italien". Bei den Plänen Berlusconis handle es sich nicht um eine Reform, sondern um die Zerstörung des öffentlichen Bildungssystems, so Epifani.


Ausschreitungen in Rom vor dem Senat

Zu gewalttätigen Ausschreitungen kam es allerdings vorgestern in Rom auf der Piazza di Navona direkt vor dem Gebäude des Senats der Republik, dabei gab es 4 Verletzte. Eine mit Baseballschläger bewaffnete rechte Gruppierung grief dabei die linken demonstrierenden Studierenden an. Die Regierung Berlusconi wirft den linken Gruppierungen vor sie seien verantwortlich für die Ausschreitungen, da sie zuerst die rechte Gruppe provoziert hätten. Mittlerweile sind im Video-Portal YouTube Videos zu den Vorfällen aufgetaucht. Die linke Gruppierung konterte, indem sie darauf verwies, wie es möglich sei, dass die Polizei nicht eingriff, als ein Kleinlastwagen mit bewaffneten Schlägern vor dem Senat vorfuhr. Sie wirft der Regierung und der Polizei vor nicht für einen friedlichen Protest gesorgt zu haben um die Studentenbewegung als gewalttätig zu instrumentalisieren.


Massive Kürzungen im Bereich des Bildungssektors

Auslöser aller Proteste waren 3 Gesetzesdekrete, welche inzwischen vom Senat gebilligt worden waren. Das Gesetz Nr. 133 (Brunetta), Dekret Nr. 137 und Nr. 1108 (Gelmini), welche Sparmaßnahmen in Rahmen von 7,832 Milliarden € im Bildungssektor vorsehen. Es sollen rund 88.000 Lehrerstühle und 44.000 Stellen in der Schulverwaltung gestrichen werden. Die Gesetze sehen für Lehrer im Krankheitsfall Gehaltskürzungen vor, die Lehrbefähigung wurde aus Sparmaßnahmen abgeschafft, die Anzahl der Stunden in staatlichen Oberschulen wird von 36 auf 30 Stunden pro Woche reduziert, die Klassengröße wird ansteigen und alle Schulen unter 50 Schüler geschlossen. Stellenverlierer mit unbefristeten Verträgen sollen laut Auskunft der Regierung an Umschulungen teilnehmen und im Tourismussektor arbeiten. Zudem können Schüler künftig wegen schlechten Benehmens durchfallen und Schüler in der Grundstufe sollen alle fünf Jahre lang vom gleichen Lehrer in allen Fächern unterrichtet werden, Schuluniformen tragen und Staatsbürgerkunde wird als Pflichtfach für alle Schulstufen eingeführt. Das Gehalt der Lehrer wird künftig nicht mehr mit den Gewerkschaften über Kollektiv-Verträgen verhandelt werden, sondern per Gesetz von der Regierung erlassen.


Weitere Proteste und Demonstrationen in den nächsten Tagen und Wochen

Die Universitäten sind von ähnlichen Einschnitten betroffen, deshalb haben alle Gewerkschaften des Bildungssektors einen weiteren Streik am 14. November ausgerufen. Inzwischen bereiten die Oppositionsparteien Partito Democratico und Italia dei Valori ein Referendum vor, welches ermöglichen die erlassenen Gesetze per Volksentscheid zu annullieren. Dafür müssen sie eine breite Mehrheit finden und mehr als 50% der Wähler Italiens mobilisieren zu den Wahlurnen zu gehen. Der Staatspräsident der Republik Giorgio Napolitano sucht den Dialog und empfängt heute eine Delegation von Studentenvertretern.

Quellen