Delmenhorster Bürger demonstrierten erneut gegen „Nazi-Schule“
Artikelstatus: Fertig 20:57, 22. Aug. 2006 (CEST) Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben. |
Delmenhorst (Deutschland), 22.08.2006 – Die Delmenhorster Bürger geben keine Ruhe. Die Ankündigung des rechtsextremistischen Anwalts Jürgen Rieger, ein Hotel in der Stadt zu kaufen, um daraus ein Schulungszentrum für die rechte Szene zu machen, brachte gestern erneut 200 Bürger auf die Straße. Sie folgten einem Demonstrationsaufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des „Runden Tisches für Migranten“ der Stadt Delmenhorst.
Oberbürgermeister Carsten Schwettmann drückte den Willen der Stadtverwaltung und des Rates der Stadt Delmenhorst gestern Abend bei der Kundgebung auf dem Rathausplatz so aus: „Das Schreckgespenst Neonazi-Schulungszentrum muss vom Tisch, wir werden nicht aufhören, bis eine Lösung gefunden ist.“ Auch die „Bürgerinitiative für Delmenhorst“ setzt ihren Kampf fort. Inzwischen wurden von der Initiative 820.000 Euro für den Ankauf des Hotels „Am Stadtpark“ in Zentrum der Stadt gesammelt, das der Besitzer an die Wilhelm-Tietjen-Stiftung verkaufen will, in deren Auftrag der Anwalt Rieger auftritt. Der Oberbürgermeister äußerte sich im Hinblick auf die Erfolgsaussichten zur Verhinderung der „rechten Kaderschmiede“ vorsichtig optimistisch: „Wir sind guter Hoffnung, dass eine gütliche Lösung gefunden wird.“ Zurzeit werde von den Katasterbehörden im Auftrag der Stadtverwaltung ein Wertgutachten für das Hotel erstellt. Ein solches Gutachten hatte der Hotelbesitzer Günther Mergel zur Vorbedingung weiterer Verhandlungen mit der Stadt gemacht. Wie die Hannoversche Allgemeine in ihrer Onlineausgabe vom 17. August berichtet, steht der Hotelbesitzer angeblich auch in Verhandlungen mit anderen Interessenten. So ist, wie er gegenüber der Zeitung sagte, diese Woche möglicherweise ein Verkaufsgespräch mit einer britischen Gesellschaft geplant, die sich im Bremer Freizeitzentrum „Space Park“ engagieren wolle und das leerstehende Hotel für Gäste nutzen könnte. Nach Auskunft der Stadtverwaltung laufen die Verhandlungen mit Mergel nun aber anscheinend mit größeren Erfolgsaussichten weiter, nachdem der Hotelier letzte Woche gesagt hatte, er wolle das Hotel notfalls sogar an die Wilhelm-Tietjen-Stiftung verschenken. Als Entgegenkommen der Stadtverwaltung gegenüber Mergel habe die Stadt sogar die juristische Prüfung für eine solche angekündigte Schenkung an die rechtsradikale Stiftung ausgesetzt.
Der für Delmenhorst zuständige Polizeichef Hans-Jürgen Thurau aus Oldenburg warnt unterdessen vor einer Zuspitzung der Lage in Delmenhorst, sollte es tatsächlich zu dem Verkauf kommen. Er rechne für diesen Fall mit massiven Demonstrationen in der Stadt, „die nicht immer friedlich sein werden“. Thurau kalkuliert das Auftauchen autonomer Gruppen in der Stadt bereits ein. Wegen der zentralen Lage des Hotels direkt gegenüber dem Rathaus müsse der Innenstadtbereich im Falle des Falles weiträumig abgesperrt werden. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem möglichen Einsatz von „einigen tausend Polizeibeamten“.
Die jüdische Gemeinde der Stadt hat sich zwischenzeitlich besorgt über die Entwicklung in Delmenhorst im Zusammenhang mit den Aktivitäten des rechtsextremen Anwalts Rieger geäußert. Der Vorsitzende der 190 Mitglieder starken jüdischen Gemeinde, Pedro Becerra, sagte dazu gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir müssten in diesem Fall damit rechnen, dass die Rechtsextremisten uns große Probleme bereiten.“ Die jüdische Gemeinde appelliere, so der epd, an die politisch Verantwortlichen der Stadt, den Verkauf der Immobilie abzuwenden und den Neonazis entschieden entgegenzutreten.
Auf niedersächsischer Landesebene wird die Delmenhorster Situation nun ebenfalls diskutiert. Nach der Ankündigung der Landesregierung, sich keinesfalls an einem eventuellen Kauf der Immobilie in Delmenhorst beteiligen zu wollen, steht Innenminister Uwe Schünemann (CDU) unter Druck. Dieter Möhrmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, forderte den Innenminister zu einem demonstrativen Besuch in der Delmestadt auf. Ein solcher Besuch würde ein „wichtiges und notwendiges Signal für Delmenhorst und ganz Niedersachsen“ setzen, so Möhrmann. Diese Argumentation wird von der Stadt geteilt. Stadtsprecher Frers: „Das hätte sicher eine große symbolische Bedeutung.“ Schünemann ließ erklären, aus terminlichen Gründen sei ein solcher Besuch zurzeit nicht möglich. Die Absage an eine finanzielle Beteiligung des Landes an einem möglichen Kauf des Hotels begründete Schünemann gegenüber dem NDR mit den Worten: „Aber es ist völlig richtig, der Staat und das Land darf sich auch nicht erpressbar machen durch so etwas, deshalb wird das Land keine Gelder direkt zur Verfügung stellen.“ Der Hotelier (Zitat: „Es interessiert mich nicht, wer Herr Rieger ist.”) will 3,2 Millionen Euro für das Hotel.
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- Portal:Delmenhorst
- Portal:Rechtsextremismus
Quellen
- dk-online.de: „Widerstand gegen Nazi-Schule ungebrochen“ (22.08.2006)
- Weser-Kurier: „Setzt Rieger alles auf eine Karte?“ (ohne Datum, Onlineausgabe vom 22.08.2006)
- Spiegel online: „Polizeichef warnt vor Hotelverkauf an Neonazis“ (08.08.2006)
- Hannoversche Allgemeine: „Neue Interessenten für das Hotel“ (17.08.2006, 20:30 Uhr)
- Hannoversche Allgemeine: „Hotelverkäufer gilt als ‚schwierig‘“ (20.08.2006, 19:46 Uhr)
- Evangelischer Pressedienst: „Jüdische Gemeinde besorgt über Pläne von Rechtsextremen“ (18.08.2006)