Blinde und mehrfachbehinderte junge Menschen heben ab

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Veröffentlicht: 22:51, 15. Jul. 2007 (CEST)
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Fluglehrer Matthias Heine und Nadine Czempisz, 11, kurz vor dem ersten Start

Hildesheim (Niedersachsen), 15.07.2007 – Im wahrsten Wortsinne „in die Luft“ gingen behinderte junge Menschen beim Flugtag des Landesbildungszentrums für Blinde (LBZB) Hannover am 23. Juni. Auf Initiative des Lions Club Hannover-Tiergarten waren sechzehn Schüler und Auszubildende im Alter von 11 bis 24 Jahren – alle blind oder stark seh- und mehrfachbehindert – als Gäste des AeroClub Hildesheim-Hannover eingeladen. Auf Grund der Wetterlage – dunkle Wolken, Regenschauer und Gewittervorsage – schien es aber beinahe, als müsse die langfristig geplante Aktion entfallen. Doch am späten Vormittag entschieden sich die Organisatoren, Segelfluglehrer Matthias Heine und Lionspräsident Uwe Mäurer, dann doch zur Durchführung, so daß sich gegen 12 Uhr alle Beteiligten am AeroClub-Vereinsheim einfanden. Von Werner Stehr, Vorstandsmitglied des AeroClub, wurde die Gruppe begrüsst und anschließend mit der Geschichte des (Segel-)Fliegens und des Hildesheimer Flughafens vertraut gemacht. Auch Hinweise zur Sicherheit und zur Disziplin auf dem Flugfeld durften selbstverständlich nicht fehlen.

„First Take Off“ – Die ASK 13 „Delta 79“ mit Matthias Heine am Steuerknüppel bei ihrem ersten Start

Bei der anschließenden Gruppenaufteilung gab es die ersten Probleme, wollte doch jeder Teilnehmer zu den ersten gehören! Heine zeigte der Gruppe das doppelsitzige Schulflugzeug vom Typ ASK 13. Ausgiebig konnten die Umrisse des Flugzeugs ertastet, die Profilierung der Tragflächen erfühlt und an die Plexiglaskanzel geklopft werden. Auch Materialmix und Konstruktionsprinzip wurden erläutert: Der Rumpf des Segelflugzeugs besteht aus mit Stoff bespanntem Stahlrohr, während die Tragflächen mit einer Spannweite von 16 Metern aus Holz konstruiert sind. Das Gewicht beträgt 290 Kilogramm. Stehr erklärte zudem anhand der Tragfläche, warum Flugzeuge überhaupt fliegen können. Anschließend mußten alle Teilnehmer gemeinsam Hand anlegen um den Segelflieger über die asphaltierte Start- und Landebahn der Motorflieger auf die Graspiste der Segelflieger zu ziehen – Segelfliegen ist immer Teamarbeit.

Faszinierte Zuschauer beim ersten Start mit der Seilwinde

Auf der Piste war bereits alles vorbereitet, die für den Start verwendete Seilwinde betriebsbereit. Als erste „Flugschülerin“ wurde mit der elfjährigen Nadine die jüngste im Bunde auserkoren. Mit Kissen gegen den harten Schalensitz der Maschine und einem Fallschirm zur Sicherheit wurde sie gründlich vorbereitet und mit Schultergurten sicher in der Maschine angeschnallt. Dann konnte es gegen 13 Uhr endlich losgehen: „Bahn zwo fünf, Wind eins sechs in Böen zwo vier, Start frei nach eigenem Ermessen, Delta sieben neun!“ Nach dem anschließenden OK-Signal von Pilot Heine wurde die Maschine per Seilwinde auf eine Höhe von 450 Metern gezogen, begleitet von offenen Augen und Mündern der anderen Teilnehmer. Nachdem Heine das Stahlseil ausgeklingt hatte, flogen die beiden eine große Platzrunde und überquerten wenige Minuten später sogar die Autobahn A7 in etwa 200 Metern Höhe, bevor Heine das Landemanöver einleitete und die Maschine sicher landete. Kabine auf, Gurte lösen, Ausstieghilfe durch das Bodenpersonal, und eine glückliche Nadine konnte von ihren zufriedenen Eltern in die Arme genommen werden. Ein gelungener Premierenflug.

Es folgten weitere Windenstarts und bald verloren auch die zurückhaltenderen Gäste ihre anfängliche Scheu vorm Fliegen. Auch das Wetter spielte – bis auf einen kurzen Regenschauer – mit, bei allerbestem Flugwetter war auch die Stimmung der Teilnehmer hervorragend. Selbst ein Defekt der Seilwinde nach dreizehn Starts konnte nach nur kurzer Unterbrechung gelöst werden: Die weiteren Teilnehmer wurden stattdessen im Schlepptau eines Motorflugzeuges auf die gewünschte Höhe gebracht. Erst gegen 18 Uhr, nach insgesamt 18 Starts und Landungen verabschiedete sich AeroClub-Vorstand Stehr schließlich von seinen Gästen. Sein Resumé fiel positiv aus, auch das disziplinierte Verhalten der Teilnehmer auf dem Flugfeld fand seine Anerkennung. Er schlug vor, den Flugtag gelegentlich zu wiederholen. Die Organisatoren Mäurer und Petersen bedankten sich bei den Hildesheimer Segelfliegern für die freundliche Aufnahme und den schönen Tag.

Der Lions Club Hannover-Tiergarten und LBZB arbeiten schon seit Jahren erfolgreich zusammen: Neben finanzieller Unterstützung werden den Schülern und Auszubildenden der Einrichtung gemeinsame Erlebnisse wie der Flugtag, Schwimmbadbesuche oder Tandemfahrten ermöglicht. Neu geplant in diesem Jahr ist ein Besuch in der hannoverschen Campo-Aktiv-Arena. Wer je erlebt hat, wie viel Spaß und Freude alle Beteiligten an diesen Aktiv-Events haben, er würde beim nächsten Mal gerne dabei sein. Der Segelflugtag beim AeroClub Hildesheim-Hannover war vorsommerlicher Höhepunkt der gemeinsamen Aktivitäten.

Quellen

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