Mann schubst Mutter und Kind vor ICE – Mordanklage

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Veröffentlicht: 20:59, 2. Aug. 2019 (CEST)
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Blick in die Bahnsteighalle, Nordhälfte. Auf unserem Archivbild von 2010 ist das Ende von Gleis 7 am linken Bildrand gerade noch zu erkennen.

Frankfurt am Main / Berlin (Deutschland), 02.08.2019 – Montagmorgen am Gleis 7 des Frankfurter Hauptbahnhofs. Zahlreiche Menschen warten auf die Einfahrt des ICE 529 von München nach Düsseldorf. Dann geschieht das Unfassbare. Ein Mann schubst erst eine Mutter und dann ihren achtjährigen Sohn ins Gleisbett. Die Mutter kann sich noch retten, das Kind wird trotz Notbremsung des Lokführers vom Zug erfasst und stirbt an Ort und Stelle.

Der Mann hatte versucht, noch eine 78-jährige Frau vor den Zug zu stoßen, die sich aber wehrte, sodass er von ihr abließ und flüchtete. Zeugen des Geschehens verfolgten den Mann und hielten ihn außerhalb des Bahnhofs fest, bis die Polizei eintraf. Der mutmaßliche Täter ist ein 40-jähriger Mann aus Eritrea. Der Mann hat selbst drei Kinder, informierte die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Sein Motiv ist unklar, nach dem Stand der Ermittlungen kannte er seine Opfer nicht. Auch gebe es keine Erkenntnisse über einen Streit zwischen ihm und den Opfern. Ein Alkoholtest verlief negativ. Die Staatsanwaltschaft beantrage Haftbefehl wegen Mordes und zweifachen Mordversuches. Die Kantonspolizei Zürich bestätigte inzwischen, dass der Eritreer im Kanton Zürich wohnt und im Besitz einer Niederlassungsbewilligung der Kategorie C sei.

Doch in der vergangenen Woche sperrte der Mann, der als gut integriert galt, „aus Sicht der Ausländer- und Asylbehörden in der Schweiz vorbildlich“, die Ehefrau mit den drei gemeinsamen Kleinkindern und eine Nachbarin in ihren Wohnungen ein. Die Nachbarin hatte er mündlich und mit einem Messer bedroht. Der Gewaltausbruch sei sowohl für seine Frau als auch die Nachbarin überraschend gewesen. Das teilte der Schweizer Bundespolizeipräsident Dieter Romann am Dienstag in Berlin vor der Presse mit. Bei einer Wohnungsdurchsuchung stellte die Kantonspolizei Unterlagen sicher, aus denen hervorgehe, dass der mutmaßliche Täter seit Januar 2019 wegen psychischer Probleme krankgeschrieben war. Man habe allerdings keine Hinweise gefunden, die auf eine Radikalisierung des Mannes hindeuten, der 2006 illegal in die Schweiz eingereist war und dessen Asylantrag dort 2008 gebilligt wurde.

Mehrere Augenzeugen erlitten einen Schock, darunter sind die 40-jährige Mutter des Jungen und die 78-Jährige, die sich auch an der Schulter verletzte, sodass insgesamt 16 Rettungswagen und ein Rettungshubschrauber im Einsatz waren.

Die Gleise 4 bis 9 des Hauptbahnhofs wurden für mehrere Stunden gesperrt, es kam deswegen zu Verspätungen, Zugumleitungen und Zugausfällen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Montag seinen Urlaub abgebrochen und war nach Berlin zurückgekehrt, um sich mit den Leitern der Sicherheitsbehörden zu beraten, „angesichts mehrerer schwerwiegender Taten in jüngerer Zeit“, äußerte sich Seehofer in einer Pressemitteilung. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier nannte den Vorfall eine „abscheuliche Tat“. Für Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann widerspricht die Tat „allem, wofür Frankfurt steht“.

Erst vor anderthalb Wochen hatte in Voerde in Nordrhein-Westfalen ein 28-jähriger Mann aus bisher noch nicht geklärten Gründen eine 34-jährige Frau vor einen Regionalzug gestoßen. Die Frau kam ums Leben. Auch hier haben sich Täter und Opfer nicht gekannt.

Auch deswegen hat die Tat eine Diskussion über die Sicherheit auf Bahnhöfen ausgelöst. Der SPD-Verkehrserxperte Martin Burkert stellte in der Bildzeitung eine unzureichende Präsens von Aufsichtspersonal an Beinsteigen und den Mangel an Bundespolizisten in den Mittelpunkt seiner Kritik. Die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD), die auch Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz ist, wies hingegen darauf hin, dass Taten wie die von Frankfurt „keine Sicherheitslücke, sondern eine Menschlichkeitslücke“ aufzeigten. Sie ließen sich auch durch Sicherheitsmaßnahmen nicht verhindern.

Der stellvertretene Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jorg Radek, nannte hingegen Rufe nach mehr Polizeikräften „unseriös“. Es gebe in Deutschland 5600 Bahnhöfe und Haltepunkte. „Die sind alle so unterschiedlich strukturiert, dass es schwer sein dürfte, ein Konzept für alle zu entwickeln.“ Gleichzeitig warnte Radek vor Nachahmungstätern. S- und U-Bahn-Schubser gäbe es in Großstädten wie Berlin schon seit geraumer Zeit.

Schockiert zeigte sich auch der Sprecher des Eritreischen Medienbunds Schweiz, Yonas Gebrehiwet, in der Zeitung „Blick“. Er nannte den Tod des Kindes „schrecklich“. „Wir haben Angst, dass das Geschehene gegen uns eingesetzt wird“, sagte Gebrehiwet. „So etwas wird benutzt, um Angst und Hass zu verbreiten. Es wird dadurch wieder Öl ins Feuer gegossen.“ Mehr als 30.000 Eritreer leben in der Schweiz. Unter ihnen gebe es auch Wut gegen den Mann.


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Quellen[Bearbeiten]