Hamburg: „Mikromedien“-Workshop – Journalisten diskutieren über Blogs, Wikis und Podcasting

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Artikelstatus: Fertig 14. Nov. 2005 (CET)
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Thomas Wanhoff, im Workshop zum Thema Wissenschaftsjournalismus, Gründer des deutschen „Podcastverbands“, sieht im Podcasting die Zukunft der Audio-Medien.

Hamburg (Deutschland), 14.11.2005 – Im Workshop „Mikromedien: Meinen Journalismus mache ich mir selbst“, wurden die Diskussionen aus der „Elefantenrunde“ des Hamburger jonet-Tags (Wikinews berichtete) über Blogs und neue Formen des Journalismus fortgesetzt. Als Vertreter der traditionelleren Online-Medien argumentierte Julius Endert, Redaktionsleiter von „Handelsblatt online“, Blogger müssten für Tatsachenbehauptungen einstehen. Für die Blogs sprang erneut Johnny Haeusler in die Bresche, diesmal mit Unterstützung durch Thomas Wanhoff, erster Vorsitzender des neu gegründeten Podcasting-Verbandes. Beide argumentierten, Blogs hätten dank der Kommentarfunktion und der Reaktion aus anderen Blogs bei falscher Berichterstattung sogar ein schnelleres und effektiveres Feedback als klassische Medien. Johnny Haeusler argumentierte, es sei darüber hinaus zum Beispiel unglaublich schwer, bei der „Bild“-Zeitung eine Gegendarstellung abzudrucken.

Erik Möller, Hauptinitiator des Wikinews-Projekts und Autor des Buches "Die heimliche Medienrevolution", forderte, dass Blogger sich nicht durch den Verweis auf die Korrektur durch den Leser aus der Verantwortung ziehen sollten: „An der Bild-Zeitung sollten sich Blogger nicht unbedingt messen.“ Außerdem sei es dem Blogger dank seiner technischen Kontrolle möglich, kritische Leserkommentare zu löschen, was mitunter auch geschehe. Er bemängelte das Fehlen von echtem investigativem Journalismus in Blogs.

Moderator Mario Sixtus erwiderte, er habe in dieser Hinsicht auch im Wikinews-Projekt nur wenig gesehen. „Das war aber von Anfang an eines unserer Ziele“, erwiderte Möller. In der englischen Ausgabe gebe es mittlerweile häufig mehrere Artikel mit Originalberichterstattung pro Woche, und auch in der deutschen Ausgabe seien bereits einige schöne Beispiele von lokalem „Bürgerjournalismus“ zu finden.

Möller fragte, wie viele Teilnehmer mit Wikis vertraut seien, wobei zahlreiche Hände in die Höhe schossen. Er erklärte das Wiki-Prinzip nur kurz und zählte als Vorteile von Wikinews die Quellenzitate, die Neutralitätspflicht und die freie Lizenzierung auf. Da Artikel frei „für jeden Zweck“ nutzbar seien, bilde Wikinews auch in vielen Jahren noch ein nützliches Archiv, während traditionelle Medien diese Archive oft nur kostenpflichtig zugänglich machten.

Thomas Wanhoff stellte die provokante Frage, ob bei Wikinews nicht viele Artikel „von Agenturen geklaut“ würden. Möller argumentierte, die in einer Nachricht enthaltene Information sei nicht urheberrechtlich schützbar. Außerdem wehrte er sich prinzipiell gegen den Begriff des „Diebstahls“ im Kontext des Urheberrechts, konnte aber eine diesbezügliche Grundsatzdebatte gerade noch abwenden.

Janko Röttgers, in Los Angeles lebender Journalist und Autor („Netzpiraten“), ergänzte, dass das Abschreiben und Umformulieren von Meldungen im traditionellen Journalismus gang und gäbe sei. So würden 90 Prozent der Nachrichten im deutschen IT-Journalismus schlicht der US-Presse entnommen und eine Woche später veröffentlicht.

Thomas Wanhoff bekräftigte die Rolle des Podcasting als Technologie, die alten Medien gefährlich werden könne. So sei es für Wissenschaftsredakteure ärgerlich, dass er mit geringem Aufwand Sendungen ähnlicher Qualität produzieren könne. Im Podcastverband, der von den Teilnehmern mit gewisser Skepsis diskutiert wurde, sieht Wanhoff vor allem die Möglichkeit der besseren Vernetzung. Doch das Medium sei noch sehr jung, und bisher könne man sich kaum mehr als 20.000 Zuhörer erhoffen (Podcast der Tagesschau), so dass etwa Werbung und Sponsoring nur eine untergeordnete Rolle spielten.

Janko Röttgers erhofft sich mehr bidirektionale Nutzungen des Mediums. So gebe es bereits erste Experimente der BBC zur Annotierung von Audio-Daten. Johnny Haeusler möchte seine Spreeblick-Podcasts demnächst per Telefon kommentierbar machen.

Auch der Einsatz von Blogs durch klassische Medien wurde diskutiert. Hier erhofft sich Röttgers mehr Experimente, etwa die Dokumentation einer kommenden Geschichte mit Teasern im Blog.

Aus dem Publikum kam die Frage, wie wichtig RSS als Technik für Blogger sei, und ob etwa die Integration von RSS in Windows Vista der Blogosphäre zu einem weiteren Boom verhelfen könne. Johnny Haeusler meinte dazu, er wolle von der Technik hinter Blogs nichts merken. Wenn alles nach dem iTunes-Prinzip mit wenigen Knöpfen bedienbar sei, werde es akzeptiert, diese Technologie müsse noch entwickelt werden. Erik Möller ergänzte, dass viele Suchmaschinen und Web-Browser bereits RSS in komfortabler Form integrieren, die dem Benutzer wenig Technikverständnis abverlangt.

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Quellen

Originäre Berichterstattung
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