Krise in Ecuador eskaliert

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Veröffentlicht: 20:04, 13. Jan. 2024 (CET)
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Guayaquil (Ecuador) / Quito (Ecuador), 13.01.2024 – In Ecuador mehren sich erneut Bandenkriminalität und Gewalttaten. Der im Oktober neu gewählte Präsident Daniel Noboa hatte am Montag einen zweimonatigen Ausnahmezustand verhängt, nachdem mit José Adolfo Macías Villamar ein berüchtigter Bandenchef am Vortag mehreren Medienberichten zufolge aus dem Gefängnis entkommen war. Der Ausbruch hatte zahlreiche Revolten in anderen Gefängnissen des Landes ins Rollen gebracht, laut Angaben der Strafverfolgungsbehörde vom Donnerstag werden in den Gefängnissen mehr als 170 Geiseln gehalten. Am Dienstag stürmten Bewaffnete ein Fernsehstudio in der Hafenstadt Guayaquil. Der Vorfall ereignete sich während einer Liveübertragung des staatlichen Senders TC Television. Mehrere Personen drangen auf das Gelände ein und bedrohten die Mitarbeiter mit Sprengstoff sowie Gewehren und nahmen Geiseln, die Übertragung aus dem Studio lief dabei zunächst weiter. Bei weiteren Unruhen in der Stadt, unter anderem der Besetzung mehrerer Krankenhäuser, kamen insgesamt acht Menschen ums Leben. In Coca, einer Stadt am Amazonas, kamen bei einem Brandanschlag auf ein Tanzlokal zwei Menschen ums Leben, ein Omnibusbahnhof in der Hauptstadt Quito wurde nach einer Bombendrohung evakuiert.

Das südamerikanische Land ist seit mehreren Jahren von einer neuen Welle der Kriminalität betroffen. Die Mordrate liegt mit etwa 46 Delikten pro 100.000 Einwohner auf einem Allzeithoch, und Ecuador hat eine wichtige Rolle im Drogenhandel eingenommen. An die beiden größten Kokainproduzenten der Welt, Peru und Kolumbien, grenzend, werden von hier Drogen nach Nordamerika und Europa transportiert. Seit 2021 sind 450 Gefängnisinsassen ermordet worden, die Justizsysteme dem Präsidenten zufolge „von der Mafia unterwandert“. Bereits im August war der sich gegen die kriminellen Entwicklungen positionierende Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio unmittelbar vor der Wahl erschossen worden. Wahlsieger Noboa hatte daraufhin ein entschiedenes Vorgehen gegen Bandenkriminalität und organisiertes Verbrechen angekündigt. Seit Dezember läuft zudem die „Operation Krebsgeschwür“ mit dem Ziel, Personen mit Verbindungen zu Drogenkartellen aus den Justiz- und Exekutivbehörden zu entfernen. 30 Personen wurden dabei bereits festgenommen.

Ecuadors Präsident Daniel Noboa

Bei der Bekämpfung des Konflikts setzt Noboa auf das Militär. 22 kriminelle Banden mit über 20.000 Mitgliedern wurden von ihm per Dekret zu terroristischen Kriegsparteien erklärt, die nun als militärische Ziele gelten. Bis Mittwoch soll es im gesamten Land zu mehr als 320 Festnahmen gekommen sein, 41 Geiseln konnten nach Angaben des Generalstabschefs Jaime Vela bereits befreit werden. Die Vereinigten Staaten und Argentinien hätten ihm ebenfalls ihre Hilfe angeboten, so der Präsident. Die Schulen im Land sollen für mehrere Tage geschlossen bleiben, während des Ausnahmezustands wird eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Viele Geschäfte sind geschlossen und die Einwohner bleiben in ihren Häusern. Auch andere Länder ergreifen Sicherheitsmaßnahmen: die chinesische Botschaft in Ecuador ist seit dem 10. Januar geschlossen, Peru hat Truppen an die Grenze zum Nachbarland verlegt. Wer nicht ecuadorianischer Staatsbürger ist und über Kolumbien oder Peru einreist, muss zudem einen Auszug aus dem Polizeiregister vorlegen. Das Auswärtige Amt rät von nicht erforderlichen Reisen in die Stadt Guayaquil ab. Noboas Umgang mit der Eskalation dürfte entscheidend für die nächste Präsidentschaftswahl in bereits eineinhalb Jahren sein — Noboas Vorgänger Guillermo Lasso hatte das Parlament nach zwei Amtsenthebungsverfahren gegen ihn im Mai vergangenen Jahres aufgelöst und Neuwahlen eingeleitet.


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