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Buchmesse 2.0 – Der Kindle und die Flucht nach vorne

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Veröffentlicht: 19:38, 22. Okt. 2009 (CEST)
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Frankfurt am Main (Deutschland), 22.10.2009 – Die Verlage und Organisatoren der am vergangenen Sonntag beendeten Frankfurter Buchmesse reagieren auf die zunehmende Bedeutung des E-Books und die Ankunft des E-Book-Readers „Kindle“ von Amazon, der jetzt auch für deutsche Kunden erhältlich und nutzbar ist. Klar ist jetzt schon: Der Buchmarkt wird sich verändern und das Buch seinen Umschlag verlieren.

Der Reader von Sony - Hauptkonkurrent des Amazon Kindle, beide Konkurrenten des gedruckten Buchs

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels reagiert uneinheitlich

In einem großen Interview der DB-Kundenzeitschrift „mobil“ zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse zeigt Gottfried Honnefelder, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, wie fern ihm diese Welt noch ist. Honnefelder meint dort E-Books würden „vielleicht ein wenig zu viel“ diskutiert und hält den neuen E-Book-Reader von Amazon.com für den einzigen oder ersten E-Book-Reader. Bisher würden E-Books noch keine große Rolle spielen, denn „in diesem Jahr sind die Lesegeräte auch in Deutschland erhältlich, bisher wurden aber erst 67.000 Geräte verkauft“. E-Book-Reader von Franklin sind seit gut zehn Jahren erhältlich, jeder Heimcomputer dient auch als Lesegerät für die vielen E-Books in Adobe PDF- oder MS-lit-Format, und alle modernen Smartphones können sowie manche MP3-Player und sogar manche moderne Videokameras auch als E-Book-Reader dienen. Tatsächlich sind also nicht 67.000, sondern vielmehr Millionen E-Book-Lesegeräte in Deutschland schon heute verbreitet. Den neuen Geräten widmen sich auch neue Firmen im Buchmarkt, die für große Verlage zum Beispiel Leseproben der wichtigsten Neuerscheinungen auf die modernen Mobiltelefone bringen. In der Eröffnungs-Pressemitteilung der Frankfurter Buchmesse wird daher die Herausforderung Cross-Media, einen Inhalt in verschiedensten Formen anzubieten, klar benannt: „Romane für das Handy, Sachbücher für elektronische Lesegeräte, Spiele für Online-Communities und Literaturverfilmungen für Smart Phones: Die internationale Buch- und Medienbranche befindet sich im Wandel. Es gilt, digitale Welten zu erobern, fremde Märkte zu entdecken und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.“ Gebündelt wurden die verschiedenen Perspektiven im Trendpanel Creative Industries „Future meets Books meets TV meets Games meets Music meets Mobile“: Hier analysierten Vertreter der Kreativbranchen die zahlreichen Spielarten der Medienkonvergenz und Parteivorstandsmitglied Malte Spitz von Bündnis 90/Die Grünen stellte deren Konzept einer Kulturflatrate vor.

Was dürfen neue Buchformen kosten und was bekommt man dafür?

Auch bei der Frage der Preisfindung ist man sich unter Verlegern und Buchhändlern im Börsenverein nicht einig. Honnefelder erklärt dazu im oben erwähnten Interview: „Wir, als die Interessenvertreter des Buchhandels, sind der Auffassung, dass der Preis für die digitale Form genauso hoch liegen sollte wie für das gedruckte Buch, weil das Buch ja Ausdruck eines Inhalts ist, und der ändert sich nicht durch das Medium.“ Tatsache ist aber, dass etwa 60 Prozent des Nettopreises eines gedruckten Buches heute in Druck, Großhandel und Einzelhandel gehen – Kosten, die für E-Books so nicht oder nicht unbedingt anfallen. Dazu kommt die rechtliche Lage: Während man ein einmal gekauftes gedrucktes Buch beliebig oft weiterverleihen, weiterverkaufen oder verschenken kann, sollen diese Rechte nach den Wünschen vieler Vermarkter beim E-Book eingeschränkt werden: „Bis zu fünf Mal weitergeben“ von einem Gerät auf das nächste ist da schon eine der freizügigeren Lösungen, die für das meist als DRM (Digital Rights Management) bezeichnete System der Rechteverwaltung angedacht werden. Was also dürfen neue Buchformen kosten? Mehr oder, wie Honnefelder vertritt, gleich viel wie ein gedrucktes Buch meinen weniger als 20% der im Vorfeld der Buchmesse von den Fachmagazinen buchreport und Publishers Weekly befragten Verleger: 10, 20 oder gar 30 Prozent günstiger als gedruckte Bücher sehen 42% Prozent als angemessen an, während 15% an einen Standardpreis à la Amazon (9,99$) glauben, wie Apple es mit iTunes für die Musikindustrie vorgemacht hat.


Amazon, Google und die Kleinen: Wer spielt im E-Book-Markt mit?

Online-Buchhändler Amazon.com hat mit dem auf der E-Paper-Technologie beruhenden E-Book-Reader "Kindle", über den ständig drahtlos neue Titel geladen werden können, nicht nur das eigene Angebot an E-Books plötzlich interessant gemacht, sondern dieses Jahr mit der Verbreitung in 100 Ländern auch Schritte zur Vorherrschaft im Markt getan. Mit Mobypocket besitzt Amazon darüberhinaus eine auf mobilen Geräten verbreitete Plattform, für die 120.000 Titel angeboten werden. In Deutschland bemüht sich Buecher.de mitzuhalten: Neben etwa 40.000 E-Books werden nach dieser Buchmesse durch eine Kooperation mit dem österreichischen Anbieter Blackbetty auch MobileBooks angeboten, die bisher über deren eigene Plattform per kostenpflichtiger SMS abrufbar sind. Blackbetty startet andererseits neben den bekannten Kooperationen mit kleinen Verlagen wie UBooks und dem Perry Rhodan Angebot jetzt auch Projekte mit Arena, Überreuter, Randomhouse, wobei vor allem Leseproben zu aktuellen Titeln kostenlos angeboten werden - ein auf der Buchmesse kabellos mit Bluetooth viel genutztes Angebot. Auch das kann ein Einstieg sein, nach den kostenlosen Leseproben auch erste volle Romane auf dem Handy zu lesen. Die Bücher.de Klassiker-Bibliothek bietet derzeit 40 Titel als kostenloses E-Book, während die Klassiker beim Partner MobileBooks zwischen 2,99 und 4,99 Euro kosten. Beim Projekt der Digitalisierung durch Freiwillige, "Projekt Gutenberg" gibt es die Klassiker als E-Text allerdings schon lange kostenlos während der Bezug per Handy auch dort kostenpflichtig ist.

Der US-Riese , im Onlinebuchhandel der ewige zweite hinter Amazon, hat unterdessen einen massiven Onlineshop mit 700.000 Titeln geöffnet, die durch den Kauf der Plattform und mit dem eigenen, Mobipocket entgegengestellten E-Reader, ebenfalls für alle Plattformen verfügbar sein sollen. Dazu kommt auch hier ab 2010 ein eigenes E-Book-Lesegerät mit mobilem Bezug, während der bisher in Deutschland mehr verbreitete Sony E-Book-Reader eine Kooperation mit den Buchhandelsketten Thalia eher kleine Angebote machen kann. Erst die nächste Auflage davon kann über das Handynetz ins Internet - dafür dort aber künftig auf die bisher 2 Millionen Bücher von Google Books zugreifen, die der Suchmaschinenriese bisher digitalisiert und in Abkommen mit über 9000 Verlagen online gestellt hat. Auch MobileBooks übrigens hat auf der Buchmesse einen neuen E-Book-Reader vorgestellt: Das erste E-Ink-Modell mit Farbbildschirm, von Fujitsu. LG Display dagegen stellte zeitgleich einen ersten E-Book-Reader, der allein Solarstrom nutzt, vor. Die Zukunft des Buches geht weiter und neben den Lesegeräten werden die Autoren, die plötzlich bis zu 70% des Verkaufspreises eines E-Books erhalten und die Nutzer, die wie bei BookRix.de eigene Texte schreiben (und kostenlos veröffentlichen) und die Texte anderer je nach Lizenzmodell des Originals weiterverarbeiten oder bei "Book Oven" „remixen“ können, eine immer größere Rolle spielen.


2018: Das Jahr in dem das digitale das gedruckte Buch überholen wird

Während sehr viele Verlage vor allem der Esoterik-Sparte das Ende der Welt wie wir sie kennen bereits 2012 enden lassen, was mit dem Maya-Kalender begründet wird, sehen die Verleger insgesamt erst 2018 als das Jahr, in dem das gedruckte Buch gegenüber dem digitalen ins Hintertreffen gerät und langsam zum Sammlerobjekt wird wie einst die Schallplatte. Noch bestreiten digitale Produkte in der Regel nur einen kleinen Teil des Umsatzes: Rund 60 Prozent der für die oben erwähnte Studie Befragten schätzen, dass sie 2009 zum Teil deutlich weniger als 10 Prozent ihrer Erlöse aus digitaler Quelle speisen werden. Dies wird sich jedoch in den nächsten zwei Jahren ändern: Für 2011 rechnen 41 Prozent der Befragten mit einem Umsatz von bis zu 10 Prozent, 58 Prozent sehen einen deutlich höheren Anteil digitaler Produkte am Gesamtumsatz voraus. Der Anteil derer, die davon ausgehen, in zwei Jahren ihren Umsatz zu 26 bis 100 Prozent mit digitalen Produkten zu machen, steigt von 24 Prozent (Schätzung für 2009) auf 38 Prozent (Schätzung für 2011) der Befragten.

Die Vorstellung, dass digitale Inhalte mehr Umsatz erwirtschaften als das traditionelle Buchgeschäft, wird also schrittweise konkreter. Gut 50 Prozent der Branchenfachleute sehen jetzt das Jahr 2018 als Wendemarke. Nur 27 Prozent waren noch letztes Jahr der Meinung, „dass digital niemals print schlagen wird“ – dieses Jahr sind es nur noch 22 Prozent. In wenigen Jahren, so darf angesichts dieser Zahlen vermutet werden, wird diese Ansicht von den Tatsachen des Buchmarktes endgültig überholt worden sein.

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Quellen

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