Ypsilanti kandidiert nicht zur Ministerpräsidentin für Hessen

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Veröffentlicht: 22:37, 7. Mär. 2008 (CET)
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Andrea Ypsilanti (SPD)

Wiesbaden (Deutschland), 07.03.2008 – Die SPD-Spitzenkandidatin der SPD bei der vorigen Landtagswahl in Hessen, Andrea Ypsilanti, kandidiert nicht zur Ministerpräsidentin für Hessen. Die Wahl sollte ursprünglich am 5. April im hessischen Landtag stattfinden. Als Begründung für ihren Rückzug gab sie an, sie könne für eine Mehrheit nicht garantieren. Die SPD hat zusammen mit den Grünen und den Linken eine Mehrheit von nur zwei Stimmen. Ausgelöst wurde der Schritt durch ein vorhergehendes Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger (SPD). Diese hatte zuvor erklärt, Ypsilanti nicht wählen zu wollen, weil sie die Öffnung zu den Linken nicht mittragen könne. Ypsilanti war es in einem Gespräch nicht gelungen, die Abweichlerin auf ihre Seite zu ziehen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatte die aus Berlin stammende Abgeordnete bereits auf einer Sitzung der Landtagsfraktion ihrer Partei vor eineinhalb Wochen erklären wollen, sie könne den Versuch Ypsilantis sich mit Hilfe der Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen nicht mittragen. Andere Abgeordnete hätten sie jedoch davon abgebracht. Auf der entscheidenden letzten Sitzung der Landtagsfraktion war Metzger nicht anwesend, weil sie sich in Urlaub befand. Ypsilanti hatte auf dieser letzten Fraktionssitzung die Anwesenden gefragt, ob jemand den eingeschlagenen Kurs nicht unterstützen könne. Daraufhin hatte sich jedoch keine Gegenstimme erhoben.

Durch die Absage Metzgers hätte eine denkbare rot-grüne Koalition nur noch über eine Stimme Mehrheit verfügt. SPD, Grüne und die Abgeordneten der Linksfraktion verfügen über eine rechnerische Mehrheit von 57 Sitzen gegenüber 53 Sitzen der CDU-Fraktion. Insgesamt sind 110 Abgeordnete im hessischen Landtag. Daraus ergibt sich für eine absolute Mehrheit eine Anzahl von 56 Stimmen, die für die Wahl eines Ministerpräsidenten erforderlich sind. Diese rechnerische Mehrheit hielt die SPD-Spitzenkandidatin bei den Landtagswahlen nach der Absage Metzgers nun für nicht mehr tragfähig. Hinzu kommt, dass Metzger auf die Frage, ob weitere Abgeordnete ihrer Partei genauso dächten wie sie, antwortete: „Ich weiß, wer noch dagegen war, werde die Genossen aber namentlich nicht nennen“.

Nachdem es nun – zumindest in dieser Legislaturperiode – definitiv keine hessische Ministerpräsidentin Ypsilanti geben wird, wird der amtierende Ministerpräsident Koch die Amtsgeschäfte weiter führen, allerdings ohne eigene Mehrheit. Koch wirbt jetzt für eine Jamaika-Koalition, also eine Koalition unter Einschluss von Grünen und FDP. Kommt diese nicht zustande, müsste Koch als Ministerpräsident möglicherweise die Beschlüsse der aus SPD, Grünen und Linken bestehenden Opposition im hessischen Landtag umsetzen. Seitens der FDP wurde grundsätzlich Zustimmung zu einem solchen Plan signalisiert. Die FDP wäre bereit dafür Koch zu opfern, der bei den Grünen äußerst unbeliebt ist. Entsprechend äußerte sich heute der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Rainer Brüderle. Die Grünen in Hessen stehen einer Jamaika-Koalition bisher jedoch ablehnend gegenüber. Der grüne hessische Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour erklärt das so: „Jeder, der in Hessen die Grünen gewählt hat, wollte, dass Roland Koch nicht länger Ministerpräsident bleibt.“

Kurt Beck, SPD-Parteivorsitzender

Politische Beobachter sehen nach dem Kandidaturverzicht Ypsilantis in Hessen auch Parteichef Kurt Beck als Verlierer, der durch die von ihm eingeleitete Öffnung nach links eine heftige Debatte in der politischen Öffentlichkeit und seiner eigenen Partei losgetreten hatte. Der SPD-Vorstandsbeschluss kurz vor der Wahl in Hamburg, der es den Landesverbänden ausdrücklich freistellte, über ihre Koalitionspartner zu entscheiden, wäre allerdings nicht notwendig gewesen, da dies schon immer geltende Beschlusslage innerhalb der SPD gewesen ist. Der Beschluss ist in Zusammenhang mit früheren Äußerungen Becks zu sehen, in denen er ein Zusammengehen oder eine Tolerierung durch die Linken ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Das Hin und Her Becks hat nach Ansicht von Beobachtern sein Image als Parteivorsitzender sowie auch als möglicher künftiger SPD-Kanzlerkandidat nachhaltig beschädigt. Bereits Ende Februar waren die Popularitätswerte Becks laut ZDF-Politbarometer in den Keller gerutscht. In der Liste der zehn beliebtesten Politiker Deutschlands lag Beck nur noch knapp vor dem hessischen Ministerpräsidenten Koch, der den letzten Platz inne hat.

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Quellen