Wien: Unzufriedenheit der Justizmitarbeiter wächst

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Veröffentlicht: 13:14, 15. Apr. 2019 (CEST)
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Josef Moser (2010)

Wien (Österreich), 15.04.2019 – Zuerst sorgte ein Bericht im profil über die Einsparungen bei den Gerichten für Aufsehen unter den Justizmitarbeitern. Doch seit der Ausstrahlung des „Reports“ im Österreichischen Rundfunk Mitte März rumort es ordentlich bei den Gerichten. Ganz besonders ärgern sich jedoch die Mitarbeiter eines Bezirksgerichtes, welches im Justizzentrum Wien-Mitte untergebracht ist. Als eines der größeren Bezirksgerichte sind die dortigen Mitarbeiter besonders von den Einsparungen der Regierung betroffen.

Zwei Kritikpunkte sind, dass der zuständige Justizminister Josef Moser nicht genug für mehr Personal kämpft und dass der Umgang rauer geworden ist. So wird von den Mitarbeitern berichtet, dass das Justizresort das einzige ist, welches keine fixen Einstufungen mehr vergibt. Das bedeutet, dass man gehaltmäßig jederzeit zurückgestuft werden kann. Macht ein Mitarbeiter einen Kurs, und dieser ist zum Beispiel in „C“ eingestuft, so fällt dieser für die Dauer des Kurses auf die niedrigere Stufe „D“ zurück, was mit Gehaltseinbußen verbunden ist. Ebenso ergeht es einem Mitarbeiter, wenn er zu schlechter bezahlten Arbeiten herangezogen wird. Dies ist auch ein Grund, weshalb gerade viele Justizbedienstete in andere Resorts, besonders zur Finanz, wechseln. Den übrigen, so wird im Justizzentrum erzählt, wird gesagt, dass diese Kollegen, welche das Resort wechseln, schuld seien, dass sie jetzt mehr arbeiten müssen. Auch dass viele mehr als hundert Prozent ausgelastet sind und Überstunden nicht bezahlt werden, sorgt für Unmut, genauso wie fehlende Aufstiegschancen. „So gibt es Kollegen, denen 20 bis 30 Überstunden im Monat verfallen, und die auch nicht ausbezahlt werden, aber der Arbeitsanfall ist sonst nicht zu schaffen“, erzählt ein anderer Justizbediensteter, und "das die Kollegen sehr frustriert sind".

Doch auch von Mobbing durch einen neuen Geschäftsstellenleiter und seine Stellvertreter wird hinter vorgehaltener Hand erzählt. So werden Mitarbeiter, welche keinen Kurs machen wollen, zu Kursen verpflichtet und jene, welche gerne einen machen würden, dürfen nicht. Weiters werden nunmehr den Bediensteten Angebote zur „einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses“ vorgelegt und immer wieder mit Zurückstufungen gedroht. „Statt mehr Personal will der neue Vorsteher der Geschäftsstelle weniger, weil er sich gegenüber dem Oberlandesgericht Wien profilieren will“, sagt ein Betroffener, dem auch schon die Kündigung nahegelegt wurde. Ebenso erzählt er weiter, dass die nichtrichterlichen Bediensteten „verraten und verkauft wurden“. Und zwar „von den Richtern und der eigenen Personalvertretung“, von der sich dieser Mitarbeiter nichts mehr erwartet. „Im Vorjahr gab es gemeinsamen Widerstand gegen die Einsparungen durch Richtervertreter und Personalvertreter für das Kanzleipersonal. Als die Richter ihre Planstellen gerettet haben“, so fährt er fort, „haben diese die Proteste eingestellt und es war kein Rückhalt mehr für die nichtrichterlichen Bediensteten gegeben“. Auch stößt ihm und anderen sauer auf, dass die Richter keine Arbeitszeiten einhalten müssen und kommen und gehen, wann sie wollen. „Das wollte mal der frühere Justizminister Böhmdorfer ändern, biss aber auf Granit“, erzählt eine andere Mitarbeiterin dort. Manche Richter kommen die ganze Woche nicht, anderen muss man jeden Akt zurückgeben, weil die Verfügungen falsch sind und so die Akten nicht abgearbeitet werden können, wieder andere arbeiten nebenbei und vernachlässigen dadurch ihre Arbeit als Richter, da es keine Kontrolle gibt. Die Verfahren könnten wesentlich schneller sein, wenn hier endlich einmal dafür gesorgt wird, dass die Richter täglich acht Stunden in der Arbeit sind, sind sich die Mitarbeiter einig. Auch ärgern sie sich, dass bisher nur über das Bezirksgericht Liesing berichtet wurde. „Über die wird nur deshalb berichtet, weil dort die Vorsteherin keine Ambitionen auf höhere Tätigkeiten hat. Die sollen mal bei uns vorbeischauen, wie es hier zugeht“, fahren die beiden im Gespräch fort. „Im vergangenen September war eine Mitarbeiterbesprechung“, berichten die beiden, „in welcher die Vorsteherin des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien von sich gab dass man nie genug an Personal einsparen könne, noch problemlos weiterhin am Personal eingespart werden kann, sie aber die «Mitarbeiter schließlich nicht erschießen könne». Tatsächlich sind dann im Herbst einige weggegangen und es wäre in manchen Bereichen der Betrieb fast vollständig zum Erliegen gekommen, wodurch es zu Rückständen in der Aktenabfertigung (z.B. Urteile) gekommen ist.“ Über die Äußerung mit dem Erschießen waren alle sichtlich entsetzt, dies sei einer Vorsteherin unwürdig, sagen sie. Auch sollte die Vorsteherin für mehr Personal eintreten und nicht für weniger. Sie, die Gerichtsbediensteten, vermuten, dass die Vorsteherin noch Karriere machen will, entweder am Landesgericht für Zivilrechtssachen oder am Oberlandesgericht, und daher nicht mit der Obrigkeit anecken möchte.

Ein anderer wiederum erzählt, wie die sogenannten „Dienstbeschreibungen an die vorgesetzte Behörde“ zustande kommen. „Wenn man jemanden, der gut arbeitet, unbedingt behalten will, dann meldet man hinauf, dass derjenige nicht gut arbeitet, eventuell noch, dass es ein Ungustl ist. Dann bleibt der sein Arbeitsleben lang dort. Möchte man jedoch einen Mitarbeiter los werden, wenn der eben nicht gut arbeitet oder tatsächlich ein Ungustl ist, dann meldet man hinauf, dass dieser eine grandios gute Arbeit macht. Dann holen die Gerichte höherer Ordnung, wie beispielsweise die Landes- oder Oberlandesgerichte, diesen schnell zu sich.“, erzählt ein mit der Materie vertrauter Justizmitarbeiter. Ihn wundert jedoch, dass in „Wien heute“ ein ehemaliger Direktor vom „Wegloben“ tatsächlich erzählt hat. „Diese Vorgehensweisen werden normalerweise gehütet wie ein Staatsgeheimnis, da man damit ja auch jede Aufstiegsmöglichkeit nehmen kann.“ Wer tatsächlich bundesintern das Resort wechseln kann, so fährt er fort, wird zumindest zwei Monate, derzeit auch die höchstmögliche Zeit, also drei Monate, vom abgebenden Resort blockiert, bis er wechseln kann. Auch dies frustriert die Mitarbeiter, und damit wird auch der interne Arbeitsmarkt untergraben, da das übernehmende Resort natürlich früher das Personal haben möchte.

Auf die Personalvertretung für die nichtrichterlichen Bediensteten angesprochen erzählen die Justizmitarbeiter, dass diese selbst für Lehrlinge und Praktikanten zur Überbrückung der Personalengpässe eintreten würden statt für dauerhafte Neuaufnahmen. Auch schauten die nur auf die Rechtspfleger, welche wie die Richter nicht von den Einsparungen betroffen sind, nicht jedoch auf das Fußvolk. „Viele wollen weg von der Justiz, aber zu uns wechselt niemand“, sagen sie. Auch von der heuer im Herbst stattfindenden Personalvertretungswahl erwarten sie sich keine Besserung.

Auf Berichte wie jenen aus Salzburg, wo fast ein Prozess geplatzt wäre, reagiert man jedoch allergisch im Justizzentrum. „In Wirklichkeit wird jetzt den Kanzleikräften Fehler und Versagen unterstellt. Oftmals seien aber die Verfügungen der Richter im Akt falsch.“, sagt eine Kanzleileiterin, welche auch mit Strafsachen betraut ist.

Auch beim Bundesverwaltungsgericht sorgt die Personalsitutation und -politik für Unmut. So werden, seit dieses Gericht mit Amtsantritt der schwarzblauen Regierung zum Justizministerium gehört, keine dauerhaften Aufnahmen mehr getätigt. Wie im übrigen Justizapparat behilft man sich mit Lehrlingen und Praktikanten. Obwohl auch das Bundesverwaltungsgericht überlastet ist, werden dort, wie aus der aktuellen Ausschreibung ersichtlich ist, selbst für hochqualifizierte Tätigkeiten nur Praktikanten herangezogen. Diese erhalten für die ersten drei Monate nur die Hälfte des Gehalts und nach einem Jahr müssen sie sich wieder eine neue Stelle suchen. Auch wird diesen erst ein paar Tage vorher gesagt, ob sie übernommen werden oder nicht, zu groß ist die Angst, dass diese dann nicht mehr motiviert sind und in Krankenstand gehen. Der Großteil der Praktikanten wird übrigens im Justizressort nicht übernommen, wird von Mitarbeitern des BVwG berichtet.

Auf ein Einlenken der Politik vertraut keiner der Befragten. Es wird von der Politik, aktuell vom Justizminister, immer argumentiert, dass das papierlose Büro näher rückt und weniger Personal benötigt wird. Dass auch die ständige Bildschirmarbeit nicht gesund ist, besonders für die Augen, Haltungsschäden sowie Mausarme und Burn Out zunehmen, wird nicht berücksichtigt. Die Kanzleimitarbeiter sitzen den ganzen Tag vor dem Monitor. Die Richter und Rechtspfleger hingegen arbeiten fast ausschließlich mit Papierakten. Darum glaubt man daran, dass zwar weiter eingespart werden wird, das papierlose Büro im Justizbetrieb aber nicht kommen wird, da vor allem die Richter dieses wegen der genannten Gesundheitsgefährdungen ablehnen würden. Auch können sie dann nicht einfach die Akten mit nach Hause nehmen und sogar im Zug bearbeiten.

Ein weiterer Zankapfel ist die Neuregelung des Karfreitags. Nach Gesprächen mit Mitarbeitern verschiedener Gerichte kann gesagt werden, dass diese sich vom Zentralausschuss im Justizministerium nicht gut vertreten fühlen. So wird den Vollzeitkräften zwar ein knapper halber Tag am Nachmittag geschenkt. Die Teilzeitkräfte müssen jedoch ihre gesamten Stunden arbeiten bzw einarbeiten. Dadurch fühlen sich die Halbtagsbeschäftigten ungerecht behandelt, da sie 4 Stunden einarbeiten müssen, wenn sie frei haben wollen, die Vollzeitbediensteten jedoch nur 4,5 Stunden für einen ganzen Arbeitstag.

Mittlerweile sind die Einsparungen auch bei den Bürgen angekommen. So wird zum Beispiel in den Edikten darauf hingewiesen, dass es bei den Gerichten eine angespannte personelle Situation gibt und es zu längeren Wartezeiten kommen kann.
Betreffend der Nebenbeschäftigungen haben bereits die NEOS eine parlamentarische Anfrageserie an alle Minister gestartet, wie es diesbezüglich im jeweiligen Ressort aussieht, da „Nebenjobs und Postenschacher“ offenbar zum guten Ton gehören. Die Liste JETZT rund um Peter Pilz hat eine Anfrage an den Finanzminister Löger sowie den Verkehrsminister Hofer wegen der Mobbingvorwürfe bei der Post gestellt. Für die Beantwortung der Anfragen haben die Resortchefs noch bis Anfang Juni Zeit.


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