Trump und das NATO-Ziel
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Trump und das NATO-Ziel
Zwei, drei oder fünf Prozent für die Verteidigung?
Washington, D.C. (Vereinigte Staaten) / Brüssel (Belgien), 08.01.2025 – Der designierte US-Präsident Trump fordert, das NATO-Beitragsziel von zwei auf fünf Prozent des BIP zu erhöhen. Deutsche Politiker lehnen das ab. Die Erhöhung des Verteidigungsetats wird trotzdem weiter diskutiert.
Donald Trump ist noch nicht ins Amt eingeführt, trotzdem stellt er bereits Ansprüche auf den Panamakanal, bringt eine Fusion der USA mit Kanada ins Spiel, will zum wiederholten Male Grönland kaufen – und drängt die NATO-Mitglieder zu höheren Beitragszahlungen. Auf einer Pressekonferenz in Florida gab er bekannt, einen Militäreinsatz in Grönland und Panama nicht auszuschließen und stellte in Aussicht, das Investitionsziel des Verteidigungsbündnisses auf fünf Prozent zu erhöhen: „Sie können es sich alle leisten, aber sie sollten bei fünf Prozent und nicht bei zwei Prozent liegen.“
Auf dem NATO-Gipfel in Wales 2014 hatten sich die dem Verteidigungsbündnis zugehörigen Staaten unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim zu Investitionen in ihre Verteidigung in Höhe von zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukt verpflichtet. Wiederum ein Fünftel davon sollte in die Aufrüstung fließen. Länder, die das Ziel damals nicht erfüllt hatten, so hieß es, sollten sich innerhalb eines Jahrzehnts in Richtung dieser Vorgabe bewegen.
Sie tatsächlich zu erreichen, bleibt eine Herausforderung, nachdem das Ziel rechtlich nicht bindend ist. Nur etwa die baltischen Staaten oder Polen, die beide unmittelbar an Russland grenzen, rangieren schon länger im Bereich um die zwei Prozent, letzteres kann für 2024 voraussichtlich über vier Prozent vorweisen – und das bei einem starken Wirtschaftswachstum. Kleine Staaten wie Slowenien, Albanien oder Belgien blieben zuletzt oft bei nur knapp über einem Prozent, doch auch der Anteil von Spanien oder Italien kommt nicht über die 1,5 Prozent hinaus.
Dazwischen liegt Deutschland, das drei Jahre nach der offiziellen Einführung des Zwei-Prozent-Ziels nur 1,2 Prozent vorzuweisen hatte. Für 2024 dürfte die Marge erstmals knapp überschritten worden sein: Auf 2,12 Prozent schätzte die NATO im Juni die deutschen Verteidigungsausgaben für 2024. Dabei ist das Zwei-Prozent-Ziel als Marke durchaus umstritten – einerseits die Koppelung an das Bruttoinlandsprodukt, das mit den Verteidigungsausgaben gar nicht in Verbindung steht – so erreicht Griechenland seine voraussichtlichen 3,1 Prozent im Jahr 2024 entscheidend aufgrund des gesunkenen BIP in den 2010er Jahren, während Luxemburg als kleines, aber wirtschaftlich starkes Land mit nur 900 Soldaten lange nur auf ein halbes Prozent kam.
Ebenso wenig berücksichtigt die bloße Größe der Investitionen nicht, wie effizient oder wofür diese überhaupt eingesetzt werden. Das Bundesverteidigungsministerium hat in seine Zahlen neben dem 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen für die Bundeswehr auch unter anderem Kindergeldzahlungen an Soldaten und Pensionsleistungen an ehemalige Angehörige der Nationalen Volksarmee in der DDR miteinbezogen. Solche nur entfernt mit tatsächlichen Verteidigungsausgaben vergleichbaren Posten aufzuführen ist auch in anderen NATO-Ländern Praxis.
Zwar ist auch in den meisten anderen Staaten seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 ein deutliches Plus zu erkennen – 2024 dürften etwa zwei Drittel der 32 NATO-Länder das Ziel erreichen – doch hier stellt sich nun die Frage, ob denn zwei Prozent als Mindestmaß noch ausreichend sind. NATO-Generalsekretär Mark Rutte drängt die Mitgliedstaaten bereits, ihre Ausgaben in Richtung von drei Prozent anzuheben.
In Deutschland ist das Sondervermögen, das das Erfüllen der zwei Prozent überhaupt erst möglich gemacht hat, so gut wie vollständig verteilt und wird bis 2027 ausgegeben sein. Fünf Prozent, das wären statt der letztjährigen an die NATO gemeldeten Verteidigungsausgaben von 90 Milliarden dann über 210 Milliarden Euro und damit etwa die Hälfte des letztjährigen Bundeshaushalts, was sehr unrealistisch erscheint.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck forderte zuletzt in einem Interview mit dem Spiegel eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5 Prozent des BIP. Bundeskanzler Scholz warf ihm daraufhin vor, seine Pläne nicht gegenfinanziert zu haben. Dem Stern sagte Habeck, er wolle die Ausgaben mit neuen Krediten in Millardenhöhe finanzieren.
Die ehemalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Europäischen Parlaments, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte dem Magazin Politico, man solle sich „nicht von jeder Aussage von Trump kirre machen lassen. Wir sind hier nämlich nicht auf einem Basar“. Ihr Parteikollege und Nachfolger als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber, räumte zwar ein, dass es ein neues Investitionsziel über den zwei Prozent geben müsse, das wohl aber bei drei Prozent liegen werde. Die Änderung müsse zudem gemeinsam festgelegt werden. SPD-Politiker Ralf Stegner nannte Trumps Forderung „völligen Irrsinn“. Man brauche „nicht mehr Waffen in der Welt, sondern weniger“.
Trump weiß seine Position als Präsident der zentralen Schutzmacht USA zu nutzen: So griff er nach dem NATO-Gipfel 2017 öffentlich die anderen Mitgliedsstaaten für ihre zu niedrigen Investitionen an. Er drohte damals auch mit einem Rückzug der USA aus dem Bündnis, sollten nicht alle Länder ihre Ausgaben erhöhen. Nach seiner ersten Amtszeit behauptete er, nur durch seinen Druck seien „Hunderte Milliarden Dollar in die NATO“ gesteckt worden. Ohne die USA stünden die restlichen Vertragsstaaten ohne ihr wichtigstes Mitglied da – eine zu gute Position für Trump, um Druck auf sie auszuüben.
Somit war eine Reduzierung der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine auch ein wichtiges Wahlkampfthema für Trump, der im Februar 2024 auf einer Wahlkampfveranstaltung infrage stellte, ob die Vereinigten Staaten unter seiner Führung im Ernstfall Ländern Beistand leisten würden, wenn sie ihre „Rechnungen“ nicht bezahlen würden. Politische Beobachter in Berlin vermuten daher auch hinter der Fünf-Prozent-Forderung eine Taktik, um später dann einem neuen Drei-Prozent-Ziel zuzustimmen – zumal für die haushaltspolitisch ohnehin krisengeplagten USA selbst dies nur schwer zu stemmen wäre. Auch als größte Militärmacht investierte Washington zuletzt nur etwas über drei Prozent.
Links
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Quellen
[Bearbeiten]- tagesschau.de: „Fünf Prozent für Verteidigung - und wieder Drohungen“ (07.01.2025)
- tagesschau.de: „Deutschland braucht eine ehrliche Debatte“ (08.01.2025)
- tagesschau.de: „"Wir sind nicht auf einem Basar"“ (08.01.2025)
- tagesschau.de: „Das geben die NATO-Staaten für Verteidigung aus“ (08.01.2025)
- tagesschau.de: „Warum scheitern viele Staaten am NATO-Ziel?“ (08.01.2025)
- tagesschau.de: „Mit Tricks zum Zwei-Prozent-Ziel“ (18.06.2024)
- Bundesakademie für Sicherheitspolitik: „Zwei-Prozent-Ziel und Bundeswehr – Zur Diskussion um den Verteidigungshaushalt“ (Arbeitspapier Sicherheitspolitik, 23/2018)
- zdfheute: „Kann sich Europa ohne die USA verteidigen?“ (18.07.2024)
- Zeit Online: „Trump fordert Erhöhung der Nato-Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent“ (08.01.2025)
- deutschlandfunk.de: „Kanzler Scholz weist Trumps Äußerungen zurück: Grenzen sind unverletzlich“ (09.01.2025)
- Wikinews:Besonders lesenswerter Artikel
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