Über 120 Tote bei verheerender Sturzflut in Zentraltexas
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Über 120 Tote bei verheerender Sturzflut in Zentraltexas
Über 120 Tote, viele noch vermisst

Kerrville (Vereinigte Staaten), 11.07.2025 – Starke Regenfälle, die mit Resten des Tropensturms Barry verbunden waren, lösten am frühen Morgen des 4. Juli schwere Sturzfluten in Zentraltexas aus, vor allem im Bereich des South Fork Guadalupe River und seiner Nebenflüsse. In einem Sommercamp für Mädchen ertranken 27 Mädchen und Betreuer.
Auch eine Woche nach der schweren Sturzflut in Zentraltexas steht die Zahl der Opfer noch nicht endgültig fest. Unterdessen verschiebt sich der Fokus von der Rettung und Bergung der Opfer auf die Frage der Verantwortlichkeit und Schuld. US-Präsident Trump wird vorgeworfen, mit seinem Stellenabbau bei der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und der Federal Emergency Management Agency (FEMA) Mitverantwortung an dem Desaster zu tragen. Alleine beim National Weather Service (NWS) waren im Rahmen der DOGE-Maßnahmen durch den Multimilliardär Elon Musk 600 Meteorologen entlassen worden.
Der Tropische Sturm Barry war am 30. Juni im Norden Mexikos über Land gezogen, doch seine Feuchtigkeit mäandrierte noch einige Tage über dem Festland und dem westlichen Golf von Mexiko. Über Zentraltexas regnete ein Teil dieser Regenwolken ab. Dies führte zu Niederschlägen, die sonst im Laufe mehrerer Wochen fallen. In Zentraltexas, am Oberlauf des Guadalupe River und seiner beiden Quellarme fielen teils mehr als 300 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Durch seine Topographie ist das Gebiet anfällig für Sturzfluten.
Nach Augenzeugenberichten war der Wasserstand des Flusses in der Nähe des Mystic Camp innerhalb von 45 Minuten um acht Meter angestiegen. Für viele Menschen gab es keine Rettung. Betroffen waren auch Betreuer und insgesamt 31 Kinder; viele davon verbrachten in dem christlichen Sommerlager einen Teil ihrer Ferien. Insgesamt waren in der Nacht auf den 4. Juli 750 Menschen in dem Ferienlager. An der Suche nach Überlebenden waren teilweise bis zu 17 Hubschrauber beteiligt. Auch beteiligten sich viele Anwohner an der Suche nach Überlebenden und Opfern. „Wir möchten den Angehörigen dabei helfen abzuschließen“, sagte ein Freiwilliger, der vor der Presse davon berichtete, eines der vermissten Mädchen tot in einem Baum gefunden habe. „Deswegen sind wir hier.“
Vermisst wird auch eine junge Frau, deren letztes Lebenszeichen eine SMS ist, in der sie schrieb: „Wir werden weggespült.“ Seit dem war ihr Handy nicht mehr zu erreichen.
Trump hat die Verantwortung für die Katastrophe zurückgewiesen. Niemand habe die „Jahrhundertkatastrophe“ erwartet, sagte Trump am Sonntag Journalisten. Ihm zufolge habe niemand das Unglück vorhersagen können – und überhaupt läge die Schuld bei seinem Amtsvorgänger Joe Biden, der es versäumt habe, die Einrichtungen des Wetterdienstes zu modernisieren. „Das war nicht unsere Organisation“, sagte er auf Fragen, warum nicht früher gewarnt und evakuiert wurde. Er, Trump, habe sofort nach seinem Amtsantritt die Modernisierung des Wetterdienstes angeordnet, doch seien diese Anlagen noch nicht komplett in Betrieb.
Derweil wies die Heimatschutzministerin Kristi Noem bei einem öffentlichen Auftritt in Louisiana darauf hin, dass die FEMA nach dem Wunsch des US-Präsidenten aufgelöst werde. „Die FEMA reagiert auf Bundesebene zu langsam.“ Und weiter: „Noch langsamer ist die FEMA, wenn es darum geht, Amerikanern in Not zu helfen. Daher muss die Behörde, so wie es sie heute gibt, abgeschafft werden.“ Der republikanische Senator Ted Cruz wurde hingegen dafür kritisiert, trotz der Katastrophe nach Griechenland in den Urlaub geflogen zu sein.

Inzwischen werden auch Rufe nach einer Aufklärung der Umstände beim Wetterdienst selbst laut. Demnach sei alleine im Bereich des zuständigen Wetterbüros der Personalsollzustand um fünf bis sechs Meteorologen unterschritten gewesen, als es zu dem Unglück kam. Das berichtete die New York Times. Doch der NWS sagt, er habe rechtzeitig gewarnt. Die Ermittlungen konzentrieren sich derzeit auf die Frage, warum die Warnungen des Wetterdienstes von 1:13 Uhr in der Nacht erst nach einer Stunde von den zuständigen Behörden weitergegeben wurden an den Zivilschutz. „Ich will die Antwort, wir werden die Antwort bekommen. Wir werden uns vor nichts verstecken, das wird alles untersucht“, bekräftigte County-Sheriff Larry Leiter in einer Pressekonferenz.
Der bis 2021 im Kerr County für den Katastrophenschutz zuständige Tom Moser habe ein Sirenensystem aufbauen wollen, doch hätten der Bundesstaat und die Bundesregierung unzureichende Finanzmittel zugesichert. Dabei hätte ein solches Warnsystem – laut Associated Press hätten die Gesamtkosten bei einer Million US-Dollar gelegen – Leben retten können, sagte Moser im National Public Radio (NPR).
Trumps Pressesprecherin im Weißen Haus, Karoline Leavitt, wies die Vorwürfe zu den Kürzungen im Wetterdienst zurück. Sie verurteilte dies Kritik als „widerwärtige Lüge“, die „in dieser Zeit der nationalen Trauer keinen Zweck“ habe. Der Präsident selbst ist am Freitag, dem 11. Juli, mit seiner Frau Melania an den Schauplatz des Unglücks gereist, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. „Was für eine tragische Situation“, kommentierte Trump bereits am Dienstag.
Der texanische Vizegouverneur Dan Patrick sagte in einem Interview dem regierungsnahen Nachrichtensender Fox News, eine Betreuerin in dem Lager habe das Fenster einer der Hütten eingeschlagen, damit die darin schlafenden Mädchen diese verlassen konnten und zehn oder fünfzehn Minuten in völliger Dunkelheit inmitten herumtreibender Baumstämme schwimmend sicheren Boden erreichen konnten.
Auch Überlebende schildern im Rundfunk und auf den sozialen Medien, wie sie davongekommen sind. „Ich bin um ungefähr 4:45 Uhr aufgewacht“, schildert der 19-jährige Taylor Bergmann, „als meine Mutter im Flur bei uns zu Hause schrie: ‚Wir werden überflutet, wir werden überflutet!‘“ Die Familie versuchte auf das Dach zu kommen, wurde aber vom Wasser mitgerissen, bis sie sich an Bäumen festhalten konnte. Von seiner Nachbarschaft ist nach den Worten Bergmanns nichts übrig geblieben.

Die Bergung von Toten dauert immer noch an. Weil viele der Camper nicht auf offiziellen Campingplätzen gecampt haben, gibt es keine genauen Zahlen, und es könnten weitaus mehr Menschen umgekommen sein, als bislang angenommen wird. Nach Angaben des texanischen Gouverneurs Greg Abbott vom Dienstagnachmittag texanischer Zeit wurden zu dem Zeitpunkt alleine im Kerr County 161 Personen vermisst, deren Verbleiben von Freuden, Verwandten und Nachbarn in Frage gestellt wurde. Die Zahl der Toten stand eine Woche nach der Katastrophe bei 110, davon sind fast ein Drittel Kinder, doch werden mindestens 173 Menschen noch vermisst. Wegen des langen Wochenendes zum Amerikanischen Unabhängigkeitstag hielten sich in dem Gebiet mehr Camper auf als üblich. Betroffen sind auch umliegende Countys.
Insgesamt über 2000 Einsatzkräfte und Freiwillige suchten das rund 60 Kilometer lange Katastrophengebiet im Tal des Flusses ab, sagte General a. D. Russel L. Honoré, der bereits nach Hurrikan Katrina im Jahr 2005 die Rettungsarbeiten leitete. „Es ist eine sehr schwere Aufgabe, im fließenden Wasser, in Schlamm und Geröll, zwischen umgestürzten Bäumen, weggespülten Häusern und Autowracks Opfer zu finden. Es kann Wochen, wenn nicht Monate dauern“, sagte der General.

Unterdessen berichtete die New York Times, dass das 1926 erbaute christliche Sommerlager für Mädchen in einer Überschwemmungszone stand. Dass etliche der Hütten in extrem gefährlicher Nähe zum Fluss standen, sei seit Jahren bekannt, und bei einem Umbau für fünf Millionen US-Dollar im Jahr 2020 seien in dem Hochwasserrisikogebiet weitere Hütten genehmigt worden, schrieb die Zeitung. Die Wissenschaftlerin Anna Serra-Llobet von der University of California, deren Fachgebiet das Hochwasserrisikomanagement ist, sagte der New York Times, es sei, „als würde man ein Zelt auf einer Autobahn aufstellen. Früher oder später wird es passieren – ein Auto wird kommen – oder eine große Flut“.
Inzwischen ist es auch in New Mexico zu einer Sturzflut gekommen. Durch die Wassermassen wurden in Ruidoso zwei Menschen getötet.
Süd- und Zentraltexas sind häufig Schauplatz von Sturzfluten und deswegen als „Flash Flood Alley“ bekannt, doch trägt Wissenschaftlern zufolge der Klimawandel dazu bei, dass Extremwetter wie Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen häufiger auftreten und stärker ausfallen als in der Vergangenheit.
Links
[Bearbeiten]
Mindestens 19 Tote bei Sturzflut in Arkansas (14.06.2010)
US-Mittelwesten: Mindestens 15 Tote durch Unwetter und Überschwemmungen (22.03.2008)
Hurrikan „Katrina“: Tausende Tote befürchtet (01.09.2005)
Quellen
[Bearbeiten]- Der Spiegel: „Zahl der Flutopfer in Texas steigt auf 109 – mehr als 160 Menschen vermisst“ (09.07.2025)
- RP Online: „Sommerlager meldet Tod der vermissten Kinder und Betreuer“ (07.07.2025)
- tagesschau.de: „Trauer, Aufräumarbeiten und die Frage nach Verantwortung“ (11.07.2025)
- Der Spiegel: „Überschwemmtes Camp in Texas wurde offenbar in Flutzone errichtet“ (11.07.2025)
- Der Spiegel: „In Texas werden die Toten geborgen – und Trumps Ministerin will den Katastrophenschutz streichen“ (11.07.2025)
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