Türkei droht Frankreich mit Sanktionen

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Artikelstatus: Fertig 13:56, 13. Okt. 2006 (CEST)
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Istanbul (Türkei), 13.10.2006 – Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan fordert die Rücknahme eines Gesetzes, das vom französischen Parlament am Donnerstag verabschiedet wurde und in dem das Leugnen des Genozids an den Armeniern vor 90 Jahren durch das Osmanische Reich unter Strafe gestellt wird. Die französische Regierung distanzierte sich von dem Parlamentsbeschluss, der von der sozialistischen Opposition eingebracht worden war. Der französische Innenminister Nicolas Sarkozy, der als innerparteilicher Konkurrent Chiracs um das Amt des Staatspräsidenten gilt, hatte sich für den Gesetzentwurf stark gemacht und mit seinen Worten Öl ins Feuer des französisch-türkischen Streits gegossen. Er machte eine „Anerkennung des armenischen Genozids“ nicht nur zur „Voraussetzung“ für einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union, sondern bezeichnete ihn als „das bloße Minimum“. Die Europäische Union hatte eine solche Bedingung in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bisher nicht aufgestellt.

Die Türkei warf Frankreich im Gegenzug vor, es beschneide die Meinungsfreiheit. Stattdessen solle es sich lieber kritisch mit seiner eigenen Kolonialgeschichte auseinandersetzen. Erdoğan hatte führenden französischen Unternehmen vor der Verabschiedung des Gesetzentwurfs mitgeteilt, dass ihre Zukunft in der Türkei von dem Schicksal des Gesetzentwurfs abhängen werde. In der Türkei macht sich dagegen strafbar, wer einen Völkermord an den Armeniern behauptet.

Außenminister Abdullah Gül will Frankreich den Zugang zu zukünftigen Großprojekten in der Türkei, so den Bau geplanter Atomkraftwerke, versagen. Gül sagte, Frankreich werde die „Türkei verlieren“, wenn das Gesetz verabschiedet würde.

Das Außenministerium plant einen Boykott französischer Produkte. Die türkische Industrie, der Handel, und die Verbraucherverbände teilten mit, dass sie sich beteiligen würden.

Der Entwurf hat in der Türkei zu Massenprotesten geführt. Das türkische Parlament reagiert mit einem eigenen Entwurf für ein Gesetz, das Frankreich Genozid in der ehemals französischen Kolonie Algerien vorwerfen soll.

Die Türkei sieht in dem Gesetzentwurf den Versuch Frankreichs, den möglichen EU-Beitritt der Türkei zu torpedieren. Immer mehr EU-Staaten fordern von der Türkei die Anerkennung des Genozids als Voraussetzung für ihre Mitgliedschaft in dem Staatenbund.

Der Streit wird noch zusätzlich dadurch verschärft, dass gerade jetzt die Schweden den Literaturnobelpreis an den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk vergeben haben, der sich in der Türkei vor Gericht verantworten musste, weil er die türkische Haltung zu der Armenienfrage kritisiert hatte.

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Quellen