Starke Proteste um Sozialreformen in Russland

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Moskau (Russland), 23.01.2005 – Seit Jahresbeginn ist in Russland die neue Sozialreform des Kreml in Kraft getreten, die den Ersatz der staatlichen Vergünstigungen durch direkte Geldzahlungen vorsieht. Diese Sozialreform bedeutet für viele Russen starke Einschnitte in ihre ohnehin schon schlechte Lebenslage, wenn staatliche Organisationen die Auszahlungen der versprochenen Mittel zurückhalten.

Rentner, Invaliden und Kriegsveteranen, welche bisher mit ihren Ausweisen kostenlos U-Bahn und Busse nutzen durften, müssen nun dazuzahlen. Seit dem 11. Januar, dem ersten Arbeitstag nach den verlängerten Silvesterfeiern reagieren Millionen minderbemittelter Russen, die „Lgotniki“ genannt werden, mit Massenprotesten.

Freudig berichtete Kremlchef Wladimir Putin Ende Dezember von realen Einkommenssteigerungen der Bürger um neun Prozent. Dass das neue Jahr mit nationalem Aufruhr beginnen sollte, hatte sich Wladimir Putin wohl nicht gedacht. Am ersten Arbeitstag blockierten etwa 500 Rentner in der Moskauer Trabantenstadt Chimki die wichtigste Zufahrtsstraße zu Russlands Hauptstadt.

Am 12. Januar blockierten die Lgotniki in Ischewsk und Samara an der Wolga zentrale Straßen. Im tatarischen Almetjewsk, in Jelabuga und in Ufa demonstrierten 10.000 Bürger vor den Rathäusern. Als ein Kontrolleur in Kaliningrad einen Milizionär für das Schwarzfahren bestrafen wollte, holte dieser per Funk eine bewaffnete Streife, welche den Kontrolleur festnahm. Im südrussischen Tscherkessk verprügelte ein ticketloser Kriegsveteran eine Kontrolleurin mit Krücken.

Russlands Regierung geht aber noch lange nicht von einer Beruhigung der Lage aus. Der Widerstand gegen Russlands neue Sozialreform nimmt stetig zu. Tausenden schlecht bezahlter Milizionäre, Militärs und Geheimdienstlern stehen ab 2005 ebenfalls keine kostenlosen Sachleistungen mehr zu. Eine Zeitung klärte die Bürger auf: „Sie leben praktisch in einem anderen Land.“ Laut dem Sozialexperten Jewgenji Gontmacher „wird die Staatsmacht alles tun, um organisierte Proteste zu verhindern“.

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Einstellung auf zukünftige Proteste auswirken mag. Putins optimistische Bilanzen jedenfalls ändern wenig an der gespannten Lage. Nur drei Prozent der Bürger erwarten 2005 eine Besserung, und die Zahl der „hoffnungsvollen“ Russen ist mit 24 Prozent auf dem Tiefpunkt seit 1999.

Quellen