Situation in Timor-Leste nach wie vor kritisch

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Artikelstatus: Fertig 22:14, 4. Mär. 2007 (CET)
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Lage von Timor-Leste
Der Manufahi-Distrikt
Lage von Same

Same (Timor-Leste), 04.03.2007 – Bei einem Angriff australischer Soldaten auf die osttimoresische Stadt Same am frühen Sonntagmorgen wurden australischen Angaben zufolge vier Aufständische getötet. Das eigentliche Ziel der Mission, den Ende August des vergangenen Jahres mit 50 anderen Häftlingen aus einem Gefängnis geflohenen Rebellenführer Major Alfredo Reinado festzunehmen, schlug jedoch fehl.

„Die Anzahl der Soldaten ist komplett. Es wurde nur eine Person verwundet“, bestritt Reinado diese Behauptung und fügte hinzu, dass australische Truppen beschossen wurden. Der ehemalige Major der Streitkräfte wird beschuldigt, für einen Überfall auf eine Polizeistation am vergangenen Sonntag verantwortlich zu sein, bei dem er mit seinen Männern etwa 25 automatische Waffen erbeutet haben soll. Reinado wies die Anschuldigungen jedoch zurück und sagte, dass die Polizei ihm die Waffen überlassen habe.

Nach dem Zwischenfall hatte Osttimors Präsident Gusmão am vergangenen Dienstag in einem Brief an die australische Regierung die ausländischen Truppen ermächtigt, den Rebellenführer, der schon im Januar damit gedroht hatte, Australier zu töten, falls diese versuchten, ihn mit Waffengewalt zur Aufgabe zu zwingen, gefangen zu nehmen. Indonesien hat inzwischen seine Grenze zu dem Nachbarland geschlossen.

Einer der Aufständischen teilte der Nachrichtenagentur AFP mit, dass er seit gestern Abend den Kontakt zu Reinado verloren habe, nachdem es zu ersten Zusammenstößen mit australischen Truppen gekommen sei, und sagte: „Sie haben uns morgens etwa um zwei Uhr angegriffen und feuerten Tränengas und Leuchtgeschosse.“ Am Abend soll es zu einer erneuten Operation gekommen sein, bei der auch Hubschrauber im Einsatz waren.

Brigadegeneral Mal Rerden, der Kommandierende einer von Australien geführten Eingreiftruppe, welche seit Ende Mai des vergangenen Jahres in Osttimor ist, um das von innerer Unruhe erschütterte Land wieder zu befrieden, bestätigte, dass sich die Situation in Same wieder beruhigt habe und Reinado in die nahen Berge geflohen sei. Aus dem zuständigen Ministerium in Canberra verlautete, dass bisher weder Verletzte noch Tote zu beklagen seien. Zusätzliche Truppen wurden in den vergangenen Tagen nach Osttimor geschickt, um die 800 australischen Soldaten zu verstärken, die sich bereits auf Timor befinden.

Am Sonntag kam es zu Ausschreitungen in der Hauptstadt Dili, in Gleno, wo Alfredo Reinado seine Kindheit verbrachte, und in Ermera, die sich am frühen Montagmorgen fortsetzten. Dabei wurden Autos und zwei Regierungsgebäude beschädigt. Die geglückte Flucht Reinados erhöht die Beliebtheit des früheren Kommandeurs der Militärpolizei in der Bevölkerung.

Seit vergangenen Donnerstag lagen Berichte vor, dass Alfredo Reinado, der in Australien militärisch ausgebildet wurde, mit bis zu 150 schwer bewaffneten Männern in Same eingeschlossen sei. Gegenüber der australischen Zeitung „The Age“ erneuerte er seine Drohung gegenüber den australischen Truppen. Der osttimoresische Lieutenant Gastao Salsinha, der eigentliche Anführer der seit Februar letzten Jahres entlassenen 600 Soldaten der Armee, beschloss, sich der Truppe anzuschließen – zusammen mit etwa 100 bewaffneten Männern. Erst am Samstag erklärte sich Reinado in einem Telefonat gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zu Verhandlungen mit der Regierung bereit. Den Vorschlag, sich zu ergeben, hatte er zuvor bereits mehrfach abgelehnt.

Am 22. Februar erschossen australische Soldaten zwei Jugendliche in einem Flüchtlingslager nahe dem Flughafen der Hauptstadt Dili, nachdem sie angeblich mit Pfeilen aus Stahl angegriffen worden waren. An der Trauerkundgebung zwei Tage später nahmen mehrere hundert Menschen teil. Die Kundgebung mit bebannerten Fahrzeugen zog dabei an der australischen Botschaft vorbei. Auf einigen der Banner war „Australische Armee – verschwinde“ zu lesen. Der Zwischenfall ereignete sich während vermehrter Bandenaktivität in dem Flüchtlingslager. Letzten Monat wurden dort mehr als 100 Personen verhaftet, am 31. Januar allein 47 innerhalb einer Nacht. Australische Soldaten und UN-Polizei suchten dabei nach versteckten Waffen. Nur zwei Tage vor dem Tod der beiden Jugendlichen wurden sechs Häuser niedergebrannt. Mehr als 5.000 Menschen hatten ihre Häuser verlassen. Inzwischen wurden vier weitere Flüchtlingslager eröffnet. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) hat nach dem Diebstahl von 700 Säcken Reis seine Lebensmittellieferungen eingestellt. Regierungskritische Stimmen behaupten, dass die politische Führung Nahrungsmittel nur noch an Unterstützer der Regierungspartei FRETILIN ausgebe.

Der UN-Sicherheitsrat beschloss am 22. Februar mit der Resolution 1745 die Erweiterung der dortigen UN-Mission bis Februar kommenden Jahres und stockte damit die Anzahl der UN-Polizisten um 140 Mann auf, um die für den 9. April geplanten Präsidentschaftswahlen zu sichern. Befürchtungen, die anhaltende Gewalt könne die Durchführung der Wahlen gefährden, wies der australische Außenminister Alexander Downer derweil zurück.

Um das Amt des nächsten Präsidenten bewerben sich der derzeitige Premierminister und Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta, die drei Mitglieder des Parlamentes João Carrascalão (UDP), Fernando de Araújo (Demokratische Partei) und Manuel Tilman (KOTA) sowie die Anwältin Lúcia Lobato, Avelino Coelho da Silva von der Sozialistischen Partei Osttimor und Francisco Guterres, jetziger Parlamentspräsident und Mitglied der Regierungspartei FRETILIN.

Xanana Gusmão, der momentane Präsident des Landes und langjährige Führer des Widerstandes während der indonesischen Besatzungszeit, möchte eine eigene Partei gründen und dann Mitte des Jahres bei den kommenden Parlamentswahlen antreten.

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Quellen