SPD stellt Gesine Schwan als Kandidatin bei der Bundespräsidentenwahl in Deutschland auf

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Veröffentlicht: 23:59, 26. Mai 2008 (CEST)
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Gesine Schwan

Berlin (Deutschland), 26.05.2008 – Präsidium und Parteivorstand der SPD haben in einer gemeinsamen Sitzung am Montag einstimmig beschlossen, Gesine Schwan als eigene Kandidatin bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai 2009 zu nominieren. Damit kommt es wie schon 2004 zu einer Kampfkandidatur um das Amt des Bundespräsidenten, für das auch der jetzige Amtsinhaber, Horst Köhler, bereits in der letzten Woche seine Bereitschaft zur Kandidatur erklärt hat. Der Beschluss der SPD-Führung stieß beim Koalitionspartner in der gemeinsamen Regierung auf zum Teil heftige Kritik. Die Kandidatin selbst, die sich heute auf einer einstündigen Pressekonferenz ihrer Partei im Willy-Brandt-Haus der Öffentlichkeit präsentierte, freut sich offenbar auf die Kandidatur: „Ich tue es mit Lust“, erklärte eine fröhlich gestimmte Gesine Schwan gegenüber den Journalisten.

Die Politilogin, die das Amt der Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) ausübt, rechnet sich bei der Kandidatur dabei durchaus eine realistische Chance aus, wie sie heute erklärte: „Ich wäre nicht angetreten, wenn es aussichtslos gewesen wäre.“ Tatsächlichen verfügen Union und FDP in der Bundesversammlung nur über eine dünne Mehrheit, die durch die bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern noch dünner werden könnte, wenn es der CSU nicht gelingt, ihre bisherige respektable Mehrheit im bayerischen Landtag zu verteidigen. Nach der Herkunft der Stimmen gefragt, die ihre Wahl in der Bundesversammlung stützen könnten, erklärte Schwan, sie werbe auch um die Stimmen der Linkspartei. In dieser Partei sehe sie unterschiedliche Strömungen, darunter DDR-Nostalgiker, junge Linke und demagogische Populisten. Gesine Schwan, die eher als SPD-Rechte eingeordnet wird, sagte zu den möglichen Stimmen aus den Reihen der Linkspartei: „Wer mich wählt, hat sich für Demokratie entschieden.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach angesichts der eigenständigen Kandidatur einer SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten ihr Bedauern über die Entscheidung der SPD aus. Diese Entscheidung sei „eigentlich nur mit dem inneren Zustand der SPD zu erklären, dass sie eine eigene Kandidatur beschlossen hat und sich damit in die Hände der Linkspartei begibt“. Der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte die heute bekannt gegebene Entscheidung der SPD-Führung „alles andere als hilfreich“ für die Arbeit in der großen Koalition. Der CSU-Vorsitzende Erwin Huber warf der SPD sogar „Wortbruch“ vor.

Horst Köhler

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck wies die Kritik an dem SPD-Vorschlag zur Kandidatur von Gesine Schwan zurück. In der Bundesversammlung gebe es keine Koalitionen, sondern nur „Wahlfrauen und Wahlmänner“. Auch sei mit der Kandidatur von Gesine Schwan keine Signalwirkung über mögliche künftige Koalitionen auf Bundesebene beabsichtigt, betonte Beck: „Mit der Wahlentscheidung ist in keinster Weise an irgendwelche Koalitionsvorbestimmungen gedacht.“ Beck kündigte weiterhin an, die SPD werde keinen Wahlkampf gegen Horst Köhler führen, dessen Kandidatur man „mit Respekt zur Kenntnis genommen“ habe. Äußerungen von Gesine Schwan bei der heutigen Pressekonferenz machten jedoch deutlich, dass sie andere Akzente setzen würde als der amtierende Bundespräsident Horst Köhler. So hatte Horst Köhler vor einigen Monaten deutlich gemacht, dass er sich eine Stärkung des Amtes des Bundespräsidenten vorstellen könne, wenn dieser direkt gewählt würde. Schwan lehnt eine solche Direktwahl strikt ab und argumentiert für die Stärkung der repräsentativen Demokratie. Ein deutlich anderes Verständnis vom Amt des Bundespräsidenten kam auch in einer anderen Äußerung zum Ausdruck. Ihrer Ansicht nach sei es nicht Aufgabe des Bundespräsidenten, in Fragen der Tagespolitik Stellung zu beziehen, vielmehr gehe es darum „große Linien“ zu zeichnen, der Demokratie- und Politikverdrossenheit etwas entgegenzusetzen, indem der politische Prozess nachvollziehbarer und Politik transparenter gemacht werde.

Vor wenigen Wochen noch hatten Kurt Beck und der Bundestagsfraktionsvorsitzende der SPD Peter Struck eine Wiederwahl Köhlers favorisiert. Dann setzte offenbar innerhalb der SPD ein Umdenken ein. Mitte Mai sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels in einem Stern-Interview, dass eine klare Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion „kreuzunglücklich“ mit der Unterstützung des CDU-gestützten Kandidaten Horst Köhler gewesen wäre. Zur politischen Abgrenzung gegenüber Horst Köhler argumentierte Bartels: „Die SPD hat eine andere politische Vorstellung als der wirtschaftsliberale Köhler, wie es in diesem Land weiter gehen soll. Deshalb kann er nicht unser Kandidat sein und eine eigene Kandidatin wäre das einzig richtige Signal.“ Bereits Anfang Mai hatte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy, gegenüber „Bild am Sonntag“ Gesine Schwan als Kandidatin ins Spiel gebracht. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Prof. Gert Weisskirchen unterstützte diesen Vorschlag und lobte Frau Schwan als eine der „begabtesten Frauen in der politischen Landschaft“ Deutschlands. Und die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Elke Ferner, sprach sich für eine Frau als Kandidatin aus: „Natürlich wäre es an der Zeit, dass das Amtjetzt von einer Frau bekleidet wird.“

Nach Aussagen Oskar Lafontaines am Rande des Bundesparteitages der Linkspartei am Wochenende in Cottbus beabsichtigt die Linkspartei vorerst keinerlei Festlegungen über ihr mögliches Wahlverhalten bei der Bundesversammlung in einem Jahr bezüglich einer Unterstützung der SPD-Kandidatin: „Wir werden sehen, was nach der Bayern-Wahl die Zusammensetzung der Bundesversammlung ist, und wir werden sehen, ob man auf uns zukommt.“ Eine Unterstützung Köhlers bei der Wahl könne er sich aber auch nicht vorstellen, weil dieser die Agenda 2010 unterstütze. Im Jahr 2004 war Schwan von der damaligen PDS gegen Köhler unterstützt worden.

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Quellen