Orkan „Kyrill“ suchte Europa heim

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Artikelstatus: Fertig 13:29, 24. Jan. 2007 (CET)
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Europa, 24.01.2007 – Der Orkan „Kyrill“ nahm Mitte Januar Kurs auf Europa, wobei im Vorfeld vor extremen Orkanböen und teilweise vor Dauerregen gewarnt wurde. Begleitet von regionalen sporadischen Stromausfällen wurden Polizei, Feuerwehr und Instandsetzungsfirmen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

Chaos im Hauptbahnhof Hannover
Ein beschädigter Wagen in London
Eine gedrehte Ampel in Ottensheim in Österreich
Abgesagte Züge im King's Cross Bahnhof
Niederlande

Der Zugverkehr, vor allem in Deutschland, kam zum Erliegen. Die Deutsche Bahn musste bundesweit ein Fahrverbot aussprechen, und im Kanton Appenzell Innerrhoden entgleiste ein Regionalzug. Die Bahn empfahl den Reisenden, sich vor Fahrtantritt frühzeitig über die aktuellen Reisemöglichkeiten zu informieren und von nicht notwendigen Reisen abzusehen.

Die Menschen wurden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) im hessischen Offenbach aufgefordert, sämtliche Gegenstände im Freien zu sichern. Es wurden Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten bis zu 200 Stundenkilometern erwartet, dazu Starkregen. Es sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, nicht direkt unter Bäumen und an fließenden Gewässern beziehungsweise in Norddeutschland am Meer zu parken und nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben. Für die Nordseeküste wurde eine Sturmflut erwartet. Auch die Bahn hatte ihre Instandsetzungsfirmen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, um auf wetterbedingte Verzögerungen schneller reagieren zu können.

Für Gebiete an der Nordseeküste sowie im Mittel- und Hochgebirge rief der DWD die höchste Warnstufe, eine Warnung vor extremen Unwetter, aus. Die dort zu erwartenden Wetterbedingungen verglich ein Sprecher des Dienstes mit den Bedingungen bei den Orkanen Lothar und Anatol.

Auf dem Wendelstein wurden vorgestern um 22:00 Uhr Windspitzen von 202 Kilometern pro Stunde gemessen, auf dem Brocken wurden 198 Kilometer pro Stunde erreicht, und der Fichtelberg war mit bis zu 184 Kilometern pro Stunde betroffen. Düsseldorf kam um 19:00 Uhr auf extreme Orkanböen von 144 Kilometern pro Stunde.

Ein Intercity-Zug kollidierte mit einem entwurzelten Baum auf der Strecke zwischen Sylt und Hamburg. Es wurde niemand verletzt. Nicht so glimpflich traf es einen Autofahrer in Heidelberg, der vor einen Baum fuhr und starb. Ein weiterer Mann im Kreis Augsburg wurde durch ein Scheunentor erschlagen. In München erlag ein 18 Monate altes Kind seinen Verletzungen, als es unter eine Terrassentür geriet, die aus den Angeln gerissen wurde. In Tönisvorst starb ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz. Zu den gemeldeten Todesfällen kamen überall in Deutschland Verletzte hinzu.

Der Personenverkehr der Deutschen Bahn AG wurde in ganz Deutschland erstmalig in der Geschichte des Unternehmens eingestellt. Die Züge fuhren Knotenpunkte an, damit die Passagiere sicher aussteigen konnten. Der S-Bahn-Verkehr wurde in einigen Gebieten noch aufrecht erhalten, nicht jedoch in Nordrhein-Westfalen.

Vielerorts wurden schon vorsorglich Autobahnen und Brücken komplett gesperrt. Weitere Sperrungen waren nach Unfällen oder durch umgefallene Bäume erforderlich. Fahrer von Wohnmobilen, Fahrzeugen mit Anhängern und LKWs wurden aufgefordert, gefährliche Streckenabschnitte nicht zu nutzen und Parkplätze aufzusuchen, bis der Sturm vorüber ist. Am vorgestrigen Vormittag stürzte bereits ein LKW auf der A 4 um. In Nordrhein-Westfalen kam es zu einem Zusammenbruch des Verkehrs nach der Einstellung des Personenverkehrs der Deutschen Bahn und durch unzählige Staus auf den Autobahnen durch umgestürzte Bäume und Lastwagen sowie sturmbedingte Unfälle. Mehrere Autobahnen wurden gesperrt, so beispielsweise Teile der wichtigen Autobahnen 40 im Ruhrgebiet und 52 (Essen-Düsseldorf), auf der die Menschen zweieinhalb Stunden im Stau standen, bevor die Feuerwehr die auf die Fahrbahn gestürzten Baumriesen zersägt und die Verletzten gerettet hatte.

Es kam in mehreren Teilen Deutschlands zu Stromausfällen und -schwankungen. Allein in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg waren über 150.000 Personen von Stromausfällen betroffen. Von der Berliner Feuerwehr wurde der Ausnahmezustand verhängt. Am dortigen Hauptbahnhof stürzte ein mehrere Tonnen schwerer Träger auf eine Treppe und zerstörte sie. Kurze Zeit später löste sich ein zweiter Träger. Die Glasfassade des neuen Bahnhofs ist jetzt einsturzgefährdet.

In vielen Teilen Deutschlands wurden Schüler früher nach Hause geschickt. Am Freitag sollte in an Schulen in Bayern kein Unterricht stattfinden. Auch in Hessen konnte der Unterricht teilweise nicht stattfinden, jede Schule entschied selbst. In Nordrhein-Westfalen wurde es den Eltern überlassen, ob sie ihre Kinder zur Schule schickten oder nicht.

Schäden gab es nicht nur in der realen Welt. Die Server, auf denen Webseiten von Wetterdiensten gehostet sind, brachen unter dem Ansturm von Besuchern, die mehr über den Orkan wissen wollten, zusammen.

Die Bilanz am 21. Januar um 15.30 Uhr: 43 Tote in Europa, davon 11 in Deutschland, und unzählige umgestürzte Bäume. Im deutschen Flugverkehr wurden über 150 Flüge gestrichen, Zehntausende saßen in Bahnhöfen und Flughäfen fest.

Nach einer ersten Hochrechnung des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR) in Bonn wurde bundesweit ein Schaden von rund einer Milliarde Euro angerichtet, davon etwa die Hälfte allein in Nordrhein-Westfalen.

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Quellen

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